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02.04.2019
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See der Scheiße

KT Tunstall
Laurel

Köln, Kulturkirche
02.04.2019

KT Tunstall
Die Schottin KT Tunstall gehört zu jener Sorte von Musikerinnen, die sich Gedanken über ihre Bühnenpräsentation machen. Nicht nur, dass die Kölner Kulturkirche mit einem nicht zu übersehenden Backdrop ausgestattet war und die Bühne von einer ausgebufften Lichtdramaturgie illuminiert wurde - auch den Support Act hatte sich KT selbst ausgesucht und damit eine gute Wahl getroffen. Denn die Londoner Songwriterin Laurel beackert musikalisch ein Terrain, das KT Tunstall auch nicht links liegen lässt - ohne dabei auf genau der gleichen Ebene zu agieren.

Denn während bei KT Tunstall heutzutage - Folk-Roots hin oder her - immer deutlicher die insbesondere auf dem aktuellen Album "Wax" effektiv ausformulierten Power-Pop und Rockpop-Elemente im Vordergrund stehen, näherte sich Laurel bei ihrem Solo-Gig dem Metier von der anderen Seite - nämlich indem sie die Tracks ihres Indie-Rock-Debüts "Dogviolet" (und eine Reihe brandneuer Stücke) in Form eines Rock-Folk Ansatzes zwar alleine auf der Gitarre im Stile klassischer Folktracks vortrug - dafür aber nicht etwa eine akustische Gitarre, sondern ausgerechnet eine Gibson Les Paul (also eine klassische Rockgitarre) verwendete. Laurel zeigte sich sichtlich angetan vom Zuspruch des Kölner Publikums als sie ohne Ankündigung bereits eine halbe Stunde nach dem Einlass in die ausverkaufte Kulturkirche auf die Bühne kletterte. Allerdings stand sie vor dem Problem, dass im hinteren Teil der Kirche die Fans ja immer noch plappernd in die Kirchs strömten, dass sie eigentlich auch niemand kennen konnte (da ihre Scheibe hierzulande offiziell auch noch gar nicht erschienen ist und zudem nur als LP oder als Download erhältlich ist) und dass sie letztlich auch noch Stücke im Repertoire hatte, die für sie selbst so neu sind, dass sie um Nachsicht in Bezug auf mögliche Fehler bat. Laurel bedient in ihrer Musik eine Ästhetik, die zum Beispiel auch Chan Marshall zu Beginn ihrer Cat Power-Laufbahn favorisierte. Basierend auf einem abrasiven Indie-Rock-Sound (der freilich im Solo-Vortrag relativiert wird) seziert sie in ihren Lyrics mit leicht larmoyanter Note ihre Beziehungsgeflechte bzw. die Suche nach einer eigenen Identität. Wie auch im Falle von Cat Power schleicht sich dabei gelegentlich bei Tracks wie "Same Mistake" eine Art Blues-Note ein - während Laurel auf der anderen Seite aber auch ein Händchen für griffige Hooklines und poppige Momente hat. Beides musste man sich in diesem Zusammenhang freilich erst mal hinzudenken hinzudenken. Freilich hatte KT Laurel zunächst wegen ihrer Stimme ausgesucht - was sich auch dadurch äußerte, dass sie während ihres eigenen Sets Laurel zur Präsentation ihres Songs "Ashes" noch ein Mal auf die Bühne bat. Letztlich wurde hier aber deutlich, dass Indie-Freunde hier die Geburt einer neuen Ikone auf diesem Sektor miterlebt haben könnten.

KT Tunstall hatte sich im Rahmen ihrer Wax-Konzerte eine vierköpfige Damen-Band zusammengestellt, die in Köln in der neuesten Inkarnation nun auch das Rückgrat insbesondere für die rockigen Sounds der letzten beiden Alben "Kin" und "Wax" bildeten. (Für die folkigen Songs ihres Repertoire setzte KT im Mittelteil der Show auf Solo-Performances oder Akustik-Einlagen.) Warum allerdings dann diese Band in der Manier einer typischen, männlichen Rockband vor das Auditorium trat (inklusive Standard-Power-Riffs, offensichtlichen Schmerzen beim Solo-Spielen, breitbeinigen Stadien-Gesten und eng sitzender Leder-Hosen), hatte KT zuvor in einem Interview nur unzureichend erläutert: Das Leitthema des neuen Albums "Wax" ist die Körperlichkeit und ihr ging es des Weiteren darum, insbesondere den jungen Frauen von heute zu zeigen, dass man mit gutem Gewissen auch mit 40 Jahren noch mit einer Gitarre und einer Lederhose eine gute Figur auf der Bühne abgeben kann. Und die Sache mit den Stadiengesten gehörte durchaus zum Konzept. Nicht nur, dass KT ihre Ansagen mit weit ausholenden Gesten illustrierte und ihre Musikerinnen zu entsprechenden Rockposen ermutigte: Bereits beim zweiten Song ("Other Side Of The World") forderte sie das Publikum auf, die Feuerzeuge (bzw. heutzutage die Handy-Leuchten) hervorzuholen. Und danach verging im Anschluss kaum ein Power-Chord-Song mehr ohne Klatschanleitung und Rudelhüpfen. Nun ja - wenn es schön macht...

Musikalisch gab es einen Rundumschlag in Sachen KT Tunstall-Musikhistorie - selbstredend mit einem Haupt-Augenmerk auf das aktuelle Material ("Interessiert euch das überhaupt?", fragte sie selbstironisch), aber auch mit Referenzen auf ihre Inspirationen: So erzählte sie von ihrer Kollaboration mit James Bay, lobte Nick McCarthy von Franz Ferdinand als ihren Produzenten, coverte zur Zugabe "Heaven Is A Place On Earth" von Belinda Carlisle (und andeutungsweise "Black Betty" als Erweiterung von "Black Horse And The Cherry Tree") und beschrieb eingehend, wie emotional der Song "The Night That Bowie Died" für sie gewesen sei, weil Bowie eine Art Gott für sie gewesen sei. Immer wieder kam sie dabei auch auf die Entstehungsgeschichten ihrer Songs zu sprechen. So erklärte sie anhand des auf einer zweisaitigen Akustik-Gitarre vorgetragenen, auf einer Nordkap-Reise entstandenen Uummannaq-Songs, dass Songs nicht durch das Verändern der Akkorde, sondern das Verändern der Umgebung entstünden. Sie führte aus, dass die "Little Red Threads" des betreffenden Titels vom neuen Album die Vibes umschrieben, mit der alle Menschen miteinander verbunden seien und sie erklärte, dass die einzige Möglichkeit, einen "See von Scheiße" zu überwinden nicht etwa das Umrunden oder Untergraben sei - sondern ein guter Song wie "Feel It All". (Das kam ein wenig unerwartet, hatte aber damit zu tun, dass KT Gefallen an dem deutschen Wort "Scheiße" gefunden zu haben schien.) Und auch die Geschichte wie durch einen Auftritt bei Jools Holland ihre Karriere dereinst so richtig in Schwung kam, durfte nicht unerwähnt bleiben.

Das Ganze war dann im Großen und Ganzen recht unterhaltsam, rockte bei den entsprechenden Songs auch ordentlich, wurde spätestens dann, als KT ihre Bandmitglieder aufforderte, ihre Lieblings-Tierstimmen nachzuahmen, ein wenig lächerlich und wirkte immer dann, wenn sich KT theatralisch lobend über das Kölner Publikum ausließ, auch ein wenig aufgesetzt. Dass am Ende nach dem offiziellen Musikprogramm dann noch "Girls Just Wanna Have Fun" zu Auskehr eingespielt wurde, machte dann aber wieder Sinn und relativierte das Ganze ein wenig - denn das war ganz eindeutig das Thema des Abends gewesen.

Surfempfehlung:
www.kttunstall.com
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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