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24.07.2020
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Die Deutzer Freiheit

Fortuna Ehrenfeld

Köln, Summer Stage im Kölner Jugendpark
24.07.2020

Fortuna Ehrenfeld
"Deutzer Freiheit" ist der Name der dem Kölner Jugendpark nächstgelegenen Straßenbahnhaltestelle im rechtsrheinisch gelegenen Stadtteil Deutz. Es war aber auch ein bisschen das Thema des Abends, denn schließlich ging es bei dem Konzert von Fortuna Ehrenfeld auf der Summer Stage des Jugendparks auch darum, die wiedergewonnene Freiheit in Bezug auf Live-Konzerte genießen zu können, die durch das geniale Corona-kompatible Konzept möglich geworden ist, das sich Kölner Veranstalter in Zusammenarbeit mit der Stadt ausgedacht hatten, um trotz des Verbotes von Großveranstaltungen zumindest wieder für Open-Air-Events Live-Konzerte zu ermöglichen.

Zugegebenermaßen ist es ein Glücksfall, dass mit dem Jugendpark eine geeignete Spielfläche zur Verfügung stand und mit dem Konzept der Kopfhörer-Konzerte im Rahmen der Konzertreihe At The B-Sites auch bereits das technische Equipment vorhanden war. Dennoch ist es den Machern und der Stadt hoch anzurechnen, dass man sich zusammengerauft hat, um den Menschen wieder ein Stück "echte" (im Gegensatz zur "neuen") Normalität zurückzugeben und vor allen Dingen dem Kulturbetrieb, den Künstlern, Technikern und Veranstaltern im Kölner Raum unter die Arme zu greifen. Das Konzept der Veranstaltungsreihe, bei der es nicht nur Musik-Konzerte, sondern auch Live-Präsentationen aller Art - vom DJ-Set über die Kinderparty bis hin zu Lesungen - zu bestaunen gilt, sieht vor, dass der Bereich des Auditoriums großzügig in bestuhlte Parzellen unterteilt ist, die genügend Raum zur persönlichen Entfaltung, barrierefreiem Musikgenuss und nicht zuletzt dem notwendigen Abstand bieten. Das Konzept, das mitten in einem Wohngebiet liegende Gelände mittels Kopfhörern zu beschallen, wurde dann von der At The B-Sites-Reihe übernommen. So kommt es dann, dass sich die Konzerte - bis auf die durch das Abstandgebot notwendige Publikumsausdünnung auf maximal 350 Zuschauer - gar nicht so sehr von den At The B-Sites-Konzerten unterscheiden.

Und hier wären wir dann endlich beim Thema dieses konkreten Konzertabends angelangt - der Show der Lokalmatadoren Fortuna Ehrenfeld, die natürlich wie alle anderen auch von dem Lockdown-Horror gebremst worden waren. Das heißt: Martin Bechler und seine beiden Mitstreiter sehen die Sache nicht ganz so eng. So hatte der Meister jede Gelegenheit genutzt, auch in Corona-Zeiten live zu spielen und überhaupt - so Bechler - seien Live-Konzerte für Fortuna Ehrenfeld der Normalzustand. Insofern sei also auch diese Show eigentlich gar nichts besonderes - zumal die Band ja auch bereits Erfahrungen in Sachen Kopfhörer-Konzerten habe. "Trotzdem: Ein besseres Konzert wird es dieses Jahr wohl nicht geben", resümierte Bechler im Folgenden. Dies bestärkte er dann noch, indem er mehrfach die Stücke nicht mit einem Schlussakkord, sondern mit Halbsätzen wie "hab ich doch gesagt, dass es super wird" beendete.

Das musikalische Programm des Abends bestand keineswegs alleine aus den Tracks etwa des neuen Albums "Helm ab zum Gebet" (und der beiden Vorgänger "Das Ende der Coolness Vol. 2" und "Hey Sexy"), sondern auch aus jeder Menge Improvisationen, Intros, Outros, Zwischenspielen und natürlich Ad-Libs die Bechler ins Programm einfließen ließ und dabei auch seine Partner Jenny Thiele und Drummer Jannis Knüpfer einbezog. "Wir spielen jetzt etwa zwei Stunden Lounge Jazz", erklärte er etwa, während die Band im Alleinunterhalter-Modus zwischen "Mana Mana", "Verdamp lang Hher" und später sogar "Freude schöner Götterfunken" hin und her mäanderte. Zwischendurch gings gegen die Rechten und Verschwurbelten wie Isis, Gauland oder Attila Hiltmann. Das hielt sich dann aber in erträglichen Grenzen, denn auch wenn es Bechlers Markenzeichen ist, im Schlafanzug aufzutreten und er sich für keine Albernheit zu schade ist: Wenn es um die Musik geht, sind Fortuna Ehrenfeld weit davon entfernt, im Comedy-Sumpf zu versacken.

Immerhin hat die Band einen ganz eigenen Sound. Und der liegt nicht darin begründet, dass Drummer Jannis Knüpfer ein neuen Marimba-Setting mit einem kompletten Ethno-Programm in sein Drumpad-Dingsda eingespielt habe - wie Bechler scherzte -, sondern dass die Band auf der Bühne ohne eigenen Bassisten auskommt und der Sound weniger von Bechlers Gitarrenkünsten, sondern von Jenny Thieles Keyboard-Sounds (und hier besonders vom E-Piano) getragen wird. Da Martin Bechler selbst eine gewisse lakonische Art hat, seine zwar amüsanten, aber durchaus nachdenklichen Lyrics zu intonieren und seine Stimme zudem zufällig klingt wie die von Mark Oliver Everett, konnten Fortuna Ehrenfeld in diesem Zusammenhang eigentlich von Anfang an mühelos als die deutschen Eels überzeugen. Ausgezeichnete Songs mit melancholischer Note, wie z.B. "Matrose", "Hundeherz", "Bad Hair Day" oder die letzte Single "Helm ab zum Gebet" tragen dafür Sorge, dass Fortuna Ehrenfeld-Shows auch jenseits des Comedy-Effektes erträglich sind. Bechler hat halt erkannt, dass man zwar sich selbst nicht ernst zu nehmen braucht - seine Musik aber sehr wohl.

Natürlich geht es auf der Bühne etwas lebhafter und (s.o.) spielfreudiger zu, als auf den Konserven. Das auch, weil sich Bechler & Co. Gedanken gemacht hatten, wie man denn diese Show (bei der das Publikum ja sitzt) unterhaltungstechnisch und visuell etwas aufpimpen könnte. So waren sie auf die Idee gekommen, eine "mit purem MDMA gefüllte" Beanbag-Sitzgruppe auf der Bühne zu verteilen, ein Glitzer-Backdrop hinter dem Drumkit aufzuhängen, und das Publikum zu bitten, aufblasbare Schwimmtiere mitzubringen. "Was ist denn eigentlich da draus geworden?", fragte Bechler ins Rund, als eben genau diese Gummitiere dann - bis auf ein Ballonschwein namens Horst - nicht wirklich auftauchten. Immerhin konnte Martin Bechler so die für den Ereignisfalls versprochenen Biere dann persönlich an die Plastik-Tier Herrchen verteilen, während seine Musiker den Song "Rakete" (oder war es ein anderer?) anstimmten. Schließlich verweilte Bechler noch ein wenig vor der Bühne, schrammelte eine Art Solo daher und begab sich zum Finale dann wieder zu seinen Musikern, die sich dann zur Zugabe in eine Art Disco-Rausch spielten.

Langer Rede kurzer Sinn: Endlich wieder Live-Musik in Köln jenseits von Verzweiflungsaktionen wie Autokino-, One-On-One- oder Plexiglastrennwand-Konzerten. Bitte weiter so - möglichst lange.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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