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24.08.2020
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Unter Papageien

Alin Coen
Franziska Schicketanz

Köln, Summer Stage im Kölner Jugendpark
24.08.2020

Alin Coen
Lange Zeit ist es ruhig gewesen um die zwischenzeitlich zur deutschsprachigen Liedermacherin gereifte Songwriterin Alin Coen. Nicht nur deswegen, weil sie Corona-bedingt monatelang nicht hatte auftreten können, sondern auch, weil sie ganze sieben Jahre keine Studio-LP mehr veröffentlicht hatte. Umso schöner also, dass ausgerechnet gerade jetzt auf der Summer Stage im Kölner Jugendpark ihre inoffizielle "Record Release Party" anlässlich ihres Ende der Woche erscheinenden, neuen Albums "Nah" stattfinden konnte.

Unterstützen ließ sich Alin dabei von ihrer Wahl-Kölner Kollegin Franziska Schicketanz und deren inzwischen zum Ehemann gewordenen Gitarristen Artur Schulz, die bereits öfter mit ihr die Bühne geteilt hatten. Auch Franziska hatte eine Veröffentlichung zu feiern - und zwar ihre aktuelle Single "Rauschen", die im Mai erschienen war. Wie bei allen Songs der ursprünglich aus Thüringen stammenden, gewesenen Bankangestellten handelt auch "Rauschen" irgendwie von der Liebe und deren Folgen. Während sie bei ihren Studioproduktionen mit einer kompletten Band arbeitet, präsentierte sie ihre Stücke mit Artur auf der Sommerstage im akustischen Balladenformat zur Solo-Gitarre bzw. gegen Ende auch mit Piano (das sie ja noch nicht so gut spiele, weswegen sie es sich zum Ziel gesetzt habe, sich bei jeder Show ein mal hinter die Tastatur zu setzen, wie sie sagte).

Die Frau, die auf ihrer Facebook-Seite von sich sagt, dass ihre Lieder für sie so etwas seien wie "die beste Freundin, die mit dir um Regen tanzt", präsentierte ihr Material mit angenehm unaufgeregter Zurückhaltung - wobei allerdings deutlich wurde, wie sehr ihre Kompositionen eigentlich von den Band-Arrangements leben, weswegen das Ganze in dem frugalen Solo-Setting etwas blass und linear rüber kam - dies aber wohl auch, weil sich Katharina eher als Geschichtenerzählerin denn als Pop-Sängerin begreift; was ja durchaus legitim ist.

Auch Alin Coen verzichtete darauf, mit ihrer Band irgendwelche Corona-Absurditäten einzustudieren, sondern trat - mit gebotenem Abstand - alleine mit ihrem Bassisten, Philipp Martin auf. Das war insofern von Vorteil, als dass sie auf ihrer neuen LP "Nah" - die tatsächlich intensiv vorgestellt wurde - neben melancholischen Piano-Balladen auch gut gelaunte Up-Tempo-Nummern wie z.B. "Held" oder "Bei dir" zu finden sind, die mit einem Bassisten eben mehr her machen, als mit einem Gitarristen (zumal Alin selbst schließlich Gitarre spielte und Philipp gelegentlich mit einer Loop-Station hantierte). Freilich bilden die bereits erwähnten, melancholischen Balladen nach wie vor das Brot & Butter-Geschäft der Alin Coen. Was indes neu ist, ist der Umstand, dass sie sich heutzutage vollständig auf die deutsche Sprache festgelegt hat. Auf "Nah" gibt es gar keine englischsprachigen Songs mehr und bei der Live-Show fand lediglich "The Ones" den Weg auf die Setlist - einfach deswegen, weil sie bislang noch kein Mittel gefunden habe, ein gut klingendes, deutschsprachiges Lied zum Thema Umweltschutz zu schreiben. Ältere Titel nahm Alin deswegen in die Show mit auf, um sich - wie sie sagte - ein wenig zu erden (was bei dem Song "Wolken" natürlich nicht einer gewissen Ironie entbehrte), denn die ganz neuen Songs wie "Entflammbar" oder "Leichtigkeit" hatte sie allesamt noch nicht live vor Publikum aufgeführt. Es gab dann aber auch noch Stücke wie "Beben", die Alin in der langen Auszeit bereits im Programm gehabt hatte, und die nun, auf "Nah", in einer ultimativen Studioversion festgehalten worden sind.

Nun war das aber so, dass die Songs aufgrund dessen, dass die meisten davon neu waren und noch nicht live aufgeführt worden sind, sich in einem - sagen wir mal - noch nicht endgültig ausformulierten Stadium befanden, weswegen die Sache zuweilen aufgrund diverser Hänger und technischer Probleme ("Ich höre da immer Papageien in meinem Kopfhörer" oder "Mein Klavierpedal funktioniert nicht richtig") zuweilen den Charakter einer öffentlichen Probe annahmen. Als gewiefte Performerin, die zwar ihre Musik, nicht aber sich selbst sehr ernst nimmt, ging Alin darüber auf charmante Art nonchalant mit Witzen wie "Das nächste Stück kann ich aber" hinweg. Da die Songs ja nicht nur für sie selbst, sondern auch für das Publikum neu waren, machte das aber nichts, da auf diese Weise das Gemeinschaftsgefühl eher noch verstärkt wurde. Auch das Kopfhörer-Setting der Summer Stage-Reihe erwies sich in diesem Sinne als vorteilhaft, weil das Publikum sich so gleich beim ersten Mal auf die Texte der neuen Songs konzentrieren konnte.

Der emotionale Höhepunkt des Sets war dann allerdings kein neuer Song (auch, weil die Texte ja noch nicht geläufig sind), sondern der alten Track "Andere Hände" - ein Song, der aus Briefen entstanden ist, die Mütter, die Kinder in einer Babyklappe abgelegt hatten, an diese Kinder gerichtet hatten, und der im Laufe der Zeit nichts von seiner Eindringlichkeit verloren hat. Und dann passte es auch noch hervorragend, dass das Wetter während der ganzen Open-Air-Show gehalten hatte, und es erst nach dem letzten Song anfing, ein wenig zu nieseln...

Surfempfehlung:
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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