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17.02.2023
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Atemlose Intensität

Drahla

Mülheim an der Ruhr, Makroscope
17.02.2023

Drahla
Auf ihrem akribisch ausgefuchsten Debütalbum "Useless Coordinates" für das geschmackssichere Label Captured Tracks triumphierten Drahla mit einem vom ersten Ton an elektrisierenden Sound aus rasiermesserscharfer Kontrolle und kaum zu bändigendem Chaos, mit dem das aus Leeds stammende Trio den Geist der New Yorker "No Wave"-Bewegung in die Gegenwart katapultierte. Vier Jahre und eine lähmende Pandemie später begeistert die live um einen zweiten Gitarristen verstärkte Band auch bei ihrem Gastspiel in Mülheim mit bedingungsloser Kompromisslosigkeit, herausfordernder Komplexität und einer sagenhaft druckvollen Performance, die zwischen den Liedern keine Ansagen und oft noch nicht einmal Pausen für Applaus braucht und knapp 50 oft höllisch laute Minuten lang allein durch ihre atemlose Intensität mitreißt.

Ganz ehrlich: Einen perfekteren Ort für unsere erste Begegnung mit Drahla hätten wir uns kaum wünschen können. Genauso wie die Musik der Band scheint das Makroscope in Mülheim ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein, denn hier lebt er noch, der Geist des soziokulturellen DIYs, den viele ähnliche Einrichtungen schon vor Jahrzehnten eingebüßt haben. Die Preise sind wie früher (bei 10,00 Euro Abendkasse kann niemand meckern!), die Menschen - die meisten im Saal sind 25 Jahre älter als die Band auf der Bühne und kennen Post-Punk nicht nur als Revival - sind freundlich, das Ambiente ist eher sachlich und auch die technische Ausstattung ist nur mit einiger Fantasie dafür gewappnet, was ihr an diesem Freitagabend abverlangt wird. Dass die PA kurzerhand auf zwei Barhockern rechts und links der provisorisch wirkenden Bühne festgezurrt ist, sagt mehr als tausend Worte. Für den famosen Auftritt von Drahla ist das genau das aber richtige Setting, denn so stellen sich Spätgeborene die Clubs vor, in denen Ende der 70er, Anfang der 80er all die Bands aufgetreten sind, auf deren Schultern die Briten heute stehen.

Wie schon bei Sonic Youth, Television, James Chance, Gang Of Four oder Wire vor ihnen, sind auch bei Drahla die Grenzen zwischen Musik und Kunst fließend. Mit experimentellen Videoclips, exklusiven Tape-Veröffentlichungen und aufwendig selbst gestalteten Covern ihrer Singles ließen Drahla schon seit frühesten Tagen keinen Zweifel daran, dass sich ihr künstlerischer Anspruch nicht allein auf das Musikmachen beschränkt und Maler wie Cy Twombly, David Hockney und Jean-Michel Basquiat genauso zu ihren Einflüssen zählen wie all die Bands, die in ihren Songs anklingen. Mit der gleichen bisweilen geradezu avantgardistischen Freigeistigkeit, mit der sie sich verschiedene Medien zu eigen machen, agieren Drahla in Mülheim auch auf der Bühne. Ohne Saxofonist Chris Duffin, der auf dem Debütalbum gastiert und mit seinen jazzigen Farbtupfern eine oft tragende Rolle gespielt hatte, nutzt das Quartett im Makroscope das althergebrachte Rock-Set-up aus zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug, ohne dabei je traditionell zu klingen.

Waren Drahla in der Vergangenheit sehr geschickt darin, ihre Songs mit so vielen verschiedenen Ideen und unterschiedlichen Einflüssen vollzustopfen, dass sie nie Gefahr liefen, nur ein Abziehbild ihrer Vorbilder zu sein, darf man sich in Mülheim einbilden, dass gerade mit der Handvoll verheißungsvoller neuer Songs, die knapp die Hälfte des Sets ausmachen, eine neue Klarheit in das Tun der Band Einzug hält und dabei der Stellenwert der individuellen Performances wichtiger ist als der kollektive Wall of Sound. Weil hier und da nun ein Hauch von Funk rohe Distortion-Wucht ersetzt, erstrahlt auch der Sprechgesang von Luciel Brown, mit dem die Sängerin und Gitarristin auch weiterhin auf den Spuren von Kim Gordon unterwegs zu sein scheint, in einem neuen Licht. Schon zuvor war Browns "female touch", die klugen Denkanstöße ihrer Texte im Spannungsfeld von Alltagsbeobachtungen und Poesie, im betont maskulin anmutenden Klangkomos der Band der heimliche Trumpf und ein außergewöhnlicher Kontrapunkt gewesen, jetzt allerdings scheint er mehr denn je integraler Bestandteil des Sounds zu sein und damit die Tür für eine spannende Zukunft aufzustoßen.

Falls sich jemand im Publikum zuvor vielleicht gefragt hatte, warum Robert Smith von The Cure Drahla unbedingt beim von ihm kuratierten Meltdown Festival dabeihaben wollte oder warum Größen wie Parquet Courts, The Cribs oder die Buzzcocks die Band als Support eingeladen haben: Nach diesem famosen Auftritt sind keine Fragen mehr offen!

Surfempfehlung:
www.facebook.com/drahlamusic
www.instagram.com/instantdrahla
drahla.bandcamp.com
capturedtracks.com/artist/drahla

Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-
 

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