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16.03.2023
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Nicht lustig

Courtney Marie Andrews
Donna Blue

Hamburg, Nochtspeicher
16.03.2023

Courtney Marie Andrews
"Jetzt müsste ich ja eigentlich ein paar Witze erzählen", erklärte Courtney Marie Andrews zu Beginn ihrer Show im Hamburger Nochtspeicher, als die DI-Box ihrer akustischen Gitarre ausgefallen war und Ersatz beschafft werden musste (was übrigens weniger selten passiert, als man sich vorstellen mag). "Also: Warum überquerte das Hühnchen die Straße?", fragte sie zu ihren Musikern gewandt. "Ich weiß nicht - warum überquerte das Hühnchen die Straße?", fragte Drummer Dom Billet zurück. "Weil es eine Todessehnsucht hatte", beendete Courtney ihre Stand-Up-Einlage. "Nun ja, jetzt kann es ja nur noch besser werden", murmelte Billet schmunzelnd zurück. "Das wird auch jetzt besser", meinte Courtney, "das Hühnchen hat nämlich die andere Seite der Straße erreicht." Eine geborene Possenreißerin ist Courtney Marie Andrews also nicht gerade - hat sowas aber auch gar nicht nötig, denn ihre Musik sprach an diesem Abend im Hamburger Nochtspeicher wieder ein Mal für sich selbst.

Bevor es mit Courtneys zweiter (und letzter) Deutschland-Show auf ihrer ersten richtigen Post-Pandemie-Tour los ging, erfreuten Donna Blue aus Amsterdam das Publikum im Nochtspeicher mit einer ihrer stetig faszinierender werdenden Neo-Psychedelia-Dreampop-Shows. Danique van Kesteren und Bart van Dalen sind gern gesehene Gäste in Hamburg und haben die Hansestadt schon lange vor der Veröffentlichung ihres Debüt-Albums "Dark Roses" beehrt. Zu Beginn ihrer Karriere präsentiert sich das inzwischen mit einer festen Band arbeitende Duo noch in einem gesitteten und zurückhaltend inszenierten Noir-Setting mit mehr als einer Prise David Lynch-Flair. Obwohl sie den "Noir-Aspekt" ihres Tuns immer noch favorisieren (etwa was die Kunstnebel-schwangere Nicht-Beleuchtungs-Dramaturgie ihrer Bühnenshows betrifft), so haben sie als Live-Band seither mächtig zugelegt und präsentieren sich heutzutage als mitreißendes, brillantes Psychedelia-OutfitPsychedelia-Outfit, dem die pure Lust am Musizieren und die lebhafte Bühnendynamik deutlich anzusehen wäre, wenn man denn immer erkennen könnte, was da auf der Bühne abgeht. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war die Beleuchtung im Nochtspeicher für Donna Blue-Verhältnisse aber gar nicht so dunkel wie gewohnt - überhaupt geht es ja auch um die Musik. Und diese wird - im Vergleich zu den Studio-Produktionen - deutlich lebhafter, druckvoller und spielfreudiger ausgelebt. Es ist dabei faszinierend zu beobachten, wie Danique und Bart den Kern ihres Materials freilegen und dabei gleichzeitig mit improvisatorisch angelegten Jam-Passagen grandiose Live-Versionen aus den Songs herauskitzeln. Nur mal so als Beispiel: "The Idea" - der lebhafteste Titel von "Dark Roses" ist auf der LP gerade mal etwas über zwei Minuten lang. Bei den Live-Konzerten wird der Track mit Akzentuierung auf den pulsierenden Groove, eine scharfkantige Rhythmusgitarre mit Motown-Twang und nicht zuletzt Barts sich in ungeahnte und immer wieder neue Dimensionen ausdehnendes Psychobilly Rock-Solo zu einem mitreißenden, epischen Trance-Erlebnis aufgebohrt, bei dem sich Danique und Bart gegenseitig befeuern, als gäbe es kein Morgen mehr. Tatsächlich ist dabei die Zuneigung, des auch privat verbandelten Paares fast körperlich greifbar - was die Sache ungemein sympathisch macht. Ähnlich wird das auch bei den poppigeren älteren Tracks wie "Sunset Boulevard" gehandhabt. Auch die französischsprachigen Tracks des Donna Blue-Repertoires kommen mit mehr Ye Ye-Power rüber als in den Studio-Aufnahmen. Und dann hat Danique das sehnsuchtsmelodische Pfeifen zu elegischen balladesken Momenten zu einer ganz eigenen Kunstform und einem echten Donna Blue-Spezifikum erhoben. Kurzum: Das war dann (wieder mal) ein grandioser Mindtrip ins Psychedelia-Versum. Schade eigentlich, dass es sowas bislang nicht als Tonkonserve zu bestaunen gibt. Die Anregung, doch ein Mal Live-Musik zu veröffentlichen, kommentierte Bart nach der Show allerdings wie folgt: "Eigentlich wäre das keine schlechte Idee - aber andererseits bietet es ja so einen größeren Anreiz, zu unseren Konzerten zu kommen." Da hat er ja auch wieder recht - und dem ist auch nichts hinzuzufügen außer der Empfehlung, tatsächlich zu Donna Blue-Konzerten zu gehen, wann immer das möglich ist. Immerhin: Das Paar arbeitet zur Zeit an neuem Material. Vielleicht färbt die Energie der aktuellen Live-Shows dann ja auch auf kommende Studio-Produktionen ab.

Courtney Marie Andrews hatte sich ja während der Veröffentlichungsprozedur ihres aktuellen Albums "Loose Future" eine neue Frisur zugelegt - und auch eingestanden, dass aus dem Grund getan zu haben, in eine neue Lebensphase eingetreten zu sein. Anders als Courtneys vorletztes Album "Old Flowers" - mit dem sie eine schwierige Trennungs-Phase künstlerisch verarbeitet hatte - ist Courtney das neue Material in der Abgeschiedenheit eines Pandemie-Lockdowns mit einem ganz anderen Mindset angegangen und hatte unter dem Titel "Loose Future" eine zwar undefinierbare, aber letztlich auch potentiell hoffnungsvolle Zukunftsperspektive in Aussicht gestellt. Das wirkte sich natürlich auch musikalisch aus, sodass Songs wie der Titeltrack - mit dem Courtney und ihre Band das Konzert eröffneten - mit einer fast schon ans lebensbejahende grenzende Spielfreude im Stile klassischer Gitarrenpop-Songs aufwarten. Wirkte Courtney bei ihren letzten Solo-Shows immer ein wenig introvertiert und verloren - so gab es dieses Mal Selbstbewusstsein pur. Mit ihrer brillanten Band im Rücken wirkte die Gute in Hamburg nun wie ausgewechselt und präsentierte sich als bemerkenswert präsente Bandleaderin und -Musikerin. Zwar spielten die poppigen Elemente von "Loose Future" insgesamt im Live-Kontext nicht mehr die ganz große Rolle - aber auch die Country-Dominanz der Vergangenheit - und die Blues-Referenzen von Courtneys letzter Band-Tour vor der Pandemie - erschien im Folgenden eher ausgeglichen als früher. Stattdessen orientierten sich Courtney und ihre Musiker am zeitlosen Glanz der klassischen Gitarrenpop-Ära der 70er. Logischerweise kann Courtney im Vortrag dabei immer noch mit den Besten um die Wette leiden - denn ihre Songtexte sind ja nicht lustiger als früher - aber heutzutage tut sie das mit Nachdruck und Entschlossenheit. "Near You" - einer ihrer besten und auch zu Herzen gehendsten Tracks - ist im Neil Young-Modus etwa auch nicht weniger ergreifend als in der ursprünglichen Folk-Version.

Einen großen Anteil am Erfolg des Unternehmens hatten zweifelsohne auch Courtneys Musiker. Gitarrist Jerry Bernhardt etwa glich sein emotionales Gitarrenspiel auf erstaunlich effektive Weise Courtneys leicht vibrierendes Timbre an und ersetzte mit seiner beeindruckenden Effektpedal-Sammlung gleich mehrere potentielle Gastmusiker. Etwa indem er mit seinen Effekten eine Pedal-Steel-Gitarre emulierte (auf die somit verzichtet werden konnte) oder indem er das mitgebrachte Wurlitzer-Piano als Generator für psychedelische Klangwolken missbrauchte. Überhaupt Wurlitzer-Piano: Bei vergangenen Shows hatte Courtney ja auf ein klassisches Piano gesetzt. Als zunächst Jerry Bernhardt und später Courtney selbst am E-Piano Platz nahmen, schlich sich wegen dessen spezifischer Klangweise und der Möglichkeit, den Sound mittels Effekten psychedelisch zu tweaken, eine Mischung zwischen Brill-Building-Ästhetik und klassischem Fleetwood-Mac-Flair ein. Dem trugen auch die Gesangsharmonien Rechnung, an denen sich auch Jerry Bernhardt, und (besonders enthusiastisch) Dom Billet beteiligten.

Besonders viel redet Courtney nicht zwischen ihren Tracks: Im Mittelteil der Show erzählte sie aber davon, wie sie während der Pandemie im erzwungenen Lockdown auf einer Insel wieder zu sich selbst (und somit den neuen Songs) gefunden hatte. Vielleicht beziehen sich deswegen gerade neue Songs wie "These Are The Good Old Days" denn auch gerade auf den Zustand heiterer Gelassenheit und Contenance, in dem Courtney sich heutzutage selbst zu befinden scheint. In diese Kerbe schlägt auch der neue Song "Is It Love", den Courtney im Mittelteil der Show solo vortrug oder "Me & Jerry" von "Loose Future", den Courtney gegen Ende der Show - am Wurlitzer-Piano sitzend mit einer gewissen Carole-King-Nonchalance und souliger Gospel-Note in orchestrale Gefilde leitete. Wie gesagt: Anrührend ist das alles immer noch - aber nicht auf eine larmoyante und trübselige, sondern eher anheimelnde und tröstliche Art.

Da Donna Blue (dankenswerterweise) zuvor ein fast vollständiges Set gespielt hatten - und Courtney aufgrund eines Stau-Problems eine halbe Stunde später angefangen hatte, als ursprünglich geplant, gab es zur Zugabe kein Wunschkonzert (wie bei anderen Shows auf der Tour), sondern "nur" den Song "If I Told" von "Old Flowers". Sie habe gehört, dass dieser Song gerne bei Hochzeitsfeiern gespielt werde, erklärte Courtney abschließend - deswegen sei es ihr wichtig darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um einen Song über eine unerwiderte Liebe handele (wohl um sozusagen Gewährleistungsansprüche auszuschließen). "Vielen Dank, Hamburg, dass ihr alle zu der Show gekommen seid", verabschiedete sich Courtney schließlich vom Publikum, "das war süß von euch. Wir Amerikaner haben Hamburg je eh viel zu verdanken - wegen der Hamburger." Nun ja: Richtig lustig sind Courtneys Live-Shows nach wie vor wirklich nicht.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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