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21.04.2023
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Melancholie mit Humor

Slow Leaves

Essen, Grend
21.04.2023

Slow Leaves
Aus seinem Hang, depressive Songs zu schreiben, hat Grant Davidson nie ein Hehl gemacht. Wer nun aber glaubt, dass der Kanadier in Zeiten von COVID-19 in Selbstmitleid zerflossen ist, liegt trotzdem daneben. Tatsächlich hat der in Winnipeg, Manitoba, heimische Songschmied während der Pandemie gleich zwei Platten seines Projekts Slow Leaves fertiggestellt: "Holiday" erschien im September 2021, bevor Ende Juni die LP "Meantime" folgen wird. Viel neues Material also, das Davidson dieser Tage zusammen mit seinem Mitstreiter Rej Ricard live in Europa vorstellt. 17 Chancen gibt es bis Mitte Mai, um Slow Leaves auf ihrer von Gaesteliste.de präsentierten Gastspielreise in Deutschland und dem benachbarten Ausland auf der Bühne zu erleben, wir nutzten gleich die erste in hiesigen Gefilden und besuchten das Konzert im Essener Grend.

Romantischer Poet und kluger Beobachter seiner Umgebung: Grant Davidson ist beides. Seit vielen Jahren schon gießt der Singer/Songwriter mit dem Faible für ungewöhnliche Perspektiven seine Sicht der Dinge mit heiterer Gelassenheit und einem gehörigen Schuss Selbstironie in zumeist beeindruckend freimütige Folk-Pop-Songs und lässt sich dabei oft tief in die Karten schauen. Das ist auch bei seinem Abstecher nach Essen nicht anders. Gleich mehrfach macht er deutlich, dass für ihn das Glas nur selten halbvoll, sondern zumeist halbleer ist, wenngleich ihm sehr bewusst ist, was das für die Menschen in seinem Umfeld, speziell für seine Frau und seinen Sohn, bedeutet. So ist "Nothing Really Changes", eine zarte Ballade im Stile der Everly Brothers, eine in Töne gegossene Entschuldigung, während er sich mit "Looking Out My Window" eingesteht, dass es in seinen Liedern bisweilen eher darum geht, Fragen aufzuwerfen als Antworten zu finden. Doch obwohl einige optimistische Ausreißer wie "Dreamer" den zwei 45-minütigen Sets merklich guttun, besteht kein Zweifel daran, dass Davidsons Können als Songwriter immer dann am hellsten strahlt, wenn er die dunkelsten Ecken des Lebens ausleuchtet: "Did It Again" besticht mit schleichender Dramatik und Roadmovie-Soundtrack-Vibe und ist unbestreitbar der emotionale Höhepunkt des Auftritts.

Doch nicht alles an diesem Konzertabend ist von Melancholie getränkt. Zwischen den Liedern findet Davidson trotz seiner eher trockenen und betont bodenständigen Art immer wieder Wege, das Publikum und seinen Partner auf der Bühne zum Lachen zu bringen, ganz egal, ob er gleich zu Beginn schmunzelnd verkündet "Das Konzert gestern in Luxembourg war gut, aber heute wird's besser!" oder seinem Geständnis, dass ihn einst das "Led Zeppelin II"-Tape seines älteren Bruders und seine Verehrung für Jimmy Page künstlerisch auf den Weg gebracht hat, mit einem Augenzwinkern hinzufügt, dass er sich kürzlich "Robert-Plant-Jeans" gekauft hat: "Sie sind ein bisschen zu eng, ein bisschen zu gewagt..."

Klanglich unterstreicht Davidson derweil, dass man das Rad nicht unbedingt neu erfinden muss, um zu überzeugen. Mit seinen Liedern wandelt er auf den Spuren der großen tragischen Folkies Nick Drake und Tim Buckley, schlägt immer dann, wenn Ricard nicht nur druckvoll Bass spielt, sondern auch zum Niederknien schönen Harmoniegesang beisteuert, einen Bogen von Simon and Garfunkel zu den Jayhawks und hat so - der Duo-Besetzung zum Trotz - gerade bei den schnelleren Nummern wie "Holiday" oder der aktuellen Single "American Band" keine Mühe, seine Songs fast schon unerwartet abwechslungsreich in einem zeitlos schönen Sound groovend und beschwingt zu inszenieren. Vom Essener Publikum gibt es dafür nach dem leisen Lebewohl mit der Zugabe "Sentimental Teardrops" verdientermaßen viel Applaus.

Surfempfehlung:
slowleaves.com
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twitter.com/SlowLeaves

Text: -Simon Mahler-
Foto: -Simon Mahler-
 

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