An den Weltempfänger in Köln hat Paul Hiraga gute Erinnerungen. Bei seinem letzten Auftritt hier war dem Vernehmen nach am Ende des Abends mehr Geld im Hut als bei jedem anderen Konzert in der feinen kleinen Location für Songwriter-Konzerte in Ehrenfeld. Dieses Mal wird es - die Nachwehen der Pandemie und der Maifeiertag sind schuld - zunächst nicht ganz so voll, aber am Ende sind doch fast alle Sitzplätze belegt. Hiraga dankt es seinem Publikum mit einem Auftritt, der zwar weniger wuchtig ausfällt als bei unserer letzten Begegnung in Schorndorf im Frühjahr 2019, aber trotz des klassischen Troubadourbestecks des Protagonisten (Akustikgitarre und einmal auch Mundharmonika) keinesfalls als lupenreines Singer/Songwriter-Konzert durchgeht.

Das beweist auch die Songauswahl. "In The Morning" war in der Vergangenheit oft der Rausschmeißer bei Downpilot-Konzerten, in Köln allerdings steht die dynamische Uptempo-Nummer mit altmodischer Folk-Rock-Note ganz am Anfang, bevor Hiraga mit "My Favorite Neighborhood" und "Black Eye", den ersten Songs aus seinem aktuellen Album "The Forecast", gleich danach Facettenreichtum beweist, wenn sich unter klassische Indierock-Melancholie beatleesque Harmonieseligkeit mischt und Wiley die Chance gibt, auch als Backingsängerin zu glänzen. Bei "Strangers Hotel" sorgt ihre Geige für viel Melancholie und fast fühlt man sich ein wenig an Robert Forsters Auftritte mit seiner Gattin Karin Bäumler erinnert, während beim psychedelisch umwehten "Balancer" Neil Young und Crazy Horse am Horizont auftauchen. Den subtilen Einflüssen zum Trotz ist es aber auch in Köln einmal mehr bemerkenswert, wie mühelos sich Hiraga den Sound seiner alten Helden zu eigen macht und daraus catchy Songs mit betont eigener Note formt, die gerade in puncto Melodieführung sofort als Downpilot-Lieder zu erkennen sind - man höre nur "All The Ghosts Will Walk", ein Paradebeispiel für diese These.

Dass dieses Downpilot-Konzert auch abseits der Musik eine andere Art von Energie besitzt, verdanken wir nicht zuletzt Tess Wiley, "a shitkicker from Texas", wie Hiraga sie augenzwinkernd vorstellt. "Paul hat mich eigentlich als Übersetzerin angestellt", verrät die seit vielen Jahren in Gießen heimische Musikerin dem Publikum, doch noch besser wäre "Sprachrohr" gewesen, denn sie hat an diesem Abend immer auch dann etwas zu sagen, wenn ihr "Boss" lieber still bleibt - selbst den unausweichlichen Verweis auf die mitgebrachten LPs und CDs nimmt sie ihm wie selbstverständlich ab. Sehr sympathisch am Rande: Während sie auf der Bühne immer mal wieder einen Blick auf ihren Spickzettel werfen muss, um die richtigen Töne und Texte zu finden, singt sie bei der Zugabe, die Hiraga mit ganz alten Songs solo bestreitet, im Publikum sitzend mit einer Selbstverständlichkeit mit, die unterstreicht, dass sie nicht nur Hiragas Begleiterin auf dieser Tour, sondern auch ein Fan seiner Musik ist.

Ihre Begeisterung ist aber nur zu verständlich, denn nachdem das Mainset mit dem Ohrwurm "Chelsea Turnaround" zu Ende gegangen ist, erfüllt Hiraga am Schluss des 80-minütigen Auftritts noch spontane Songwünsche aus dem Publikum und kehrt dabei mit "Sodium" und dem hinreißenden "True" zu den Glanztaten seiner Frühwerke zurück, die er zuvor ausgespart hatte: Das i-Tüpfelchen eines wirklich feinen Konzertabends!

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