21.08.2024 http://www.gaesteliste.de/konzerte/show.html?_nr=3596 |
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25 Jahre mit Hut und Brille Jan Delay Haiyti Hannover, Gilde Parkbühne Hannover 21.08.2024 |
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Das unerwartet betagtere Publikum macht es deutlich: Jan Delay ist inzwischen tatsächlich schon ein Vierteljahrhundert solo unterwegs - mit Hut und Brille. Zuvor war Jan Phillip Eißfeldt, wie der 48-Jährige eigentlich heißt, mit der HipHop-Band Absolute Beginner und dem Album "Bambule" gerade erfolgreich geworden. Doch er wollte etwas anderes machen, nahm mit dem Beginner-Kollegen Denyo das Nena-Cover "Irgendwann, irgendwie, irgendwo" auf. Der Startschuss zu einer Karriere mit unzähligen Hits, zu denen auch nach 25 Jahren noch 5.000 Fans vor der ausverkauften Parkbühne in Hannover tanzen wollen.
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Als Support erfährt die deutschsprachige Rapperin Haiyti immerhin so viel Beachtung, dass einige Menschen auf Geheiß die Arme schwenken und nach dem 30-minütigen Auftritt warmherzigen Applaus spenden. Die 31-jährige Ronja Zschoche, Enkelin der Schauspielerin Jutta Hoffmann, hat schon zahlreiche Pseudonyme ausprobiert, scheint sich jetzt aber mit Haiyti arrangiert zu haben. Textlich bewegt sie sich zwischen Beziehungsgeschichten, Feminismus und Gesellschaftskritik, rappt zu den Beats, die der Berliner DJ Asadjohn durch die Boxen jagt. Haiytis angekratzte Stimme nervt nach einer Weile aber durch die Autotune-artige elektronische Verfremdung. Vielleicht doch eher Musik für Menschen zwischen Teen und Twen.
Hinter Haiyti erscheinen bereits die beleuchteten Umrisse von Hut und Brille. Mehr braucht es nicht für eine ikonografische Einordnung des Künstlers, der pünktlich um 20 Uhr nach seinem knappen Dutzend Mitmusikern auf die Bühne springt und die nächsten zwei Stunden fast durchgehend den personifizierten Flummi gibt. Jan Delay hat mit seinem nasalen (Sprech-)Gesang und dem bläsergetriebenen Disco-Soul-Funk Musik für Menschen kreiert, die sonst nie Rap und HipHop hören. Ein bisschen so, als würde ein Udo Lindenberg auf Speed zu einem Musikerkollektiv aus Earth, Wind And Fire und der James Brown-Band performen. Der Auftakt aus "Hallo", "Klar", "Türlich, Türlich" und "Showgeschäft" ist unschlagbar. Partytime von der ersten Minute an. In Hannover gibt es kurzzeitig nicht nur den Stadtteil Herrenhausen, lädt Delay doch nach "Diskohausen" ein. Zu "Spaß" entert Beginner-Kollege Denyo die Bühne, um anschließend ein paar Stücke aus den alten gemeinsamen Zeiten in ein Medley zu packen. Spielerische Rap-Battles inklusive. Und Delays Karriere-Booster "Irgendwie, irgendwo, irgendwann" in der Reggae-Version darf ebenfalls nicht fehlen. "Ich könnte den ganzen Abend faseln und Reggae spielen", sagt Delay aufgeräumt, startet dann doch lieber ein "Sozialexperiment", indem er vier Songs zur Auswahl stellt und darüber schwadroniert, welcher Song wahrscheinlich gewählt werde, welche Evaluationsergebnisse des Publikumsverhaltens bereits vorlägen und inwieweit er manipulativ Einfluss nehme. Nun denn: "Wassermann" gewinnt. "Disko" featurt Delays Band Disko No. 1 in besonderem Maße. Links drei Bläser (Trompete, Saxofon, Posaune), rechts drei Sängerinnen, Delay in der Mitte der Reihe, alle im Formationstanz an der Rampe. Dazu auf Podesten Schlagzeug, Bass, Gitarre und zwei Keyboards. Geeignet für messerscharfen Soul-Funk mit viel Wumms. Der marschierende Ska-Rhythmus von "Saxofon" setzt noch mal eins drauf: "Und Mama hat gesagt: 'Mein Süßer, mach dir keinen Kopf. Mein Sohn, wir haben zwar keine Einbauküche, doch Papa hat 'n Saxophon', oh ja." Ein Plädoyer für die Kunst und Kultur trotz prekärer Verhältnisse. Zum Rio-Reiser-Cover "Für immer und Dich" bearbeitet Delay die Congas, dazu ein Hauch Karibikflair. Das Instrumentalstück "B-Boys & Disko-Girls" erinnert an 70er-Jahre-Disco, der Bass pumpt, die Bläser knallen, garniert jedoch mit Scratching-Passagen. "Sie kann nicht tanzen" beginnt als Rave mit einer sich in Rage versetzenden Rock-Gitarre und flirrenden Synthie-Wah-Wahs. Lenny Kravitz' Eingangsriff aus "Are You Gonna Go My Way" dient dem Freeze-Spiel, wenn die Band immer wieder unvermittelt abbricht und Band und Publikum einfrieren. Man kennt's, immer wieder spaßig. Massenhüpfen zu "Feuer" und kollektives Mitsingen zu "Oh Jonny". Schließlich zwei Zugabenblöcke mit einem Medley aus dem groovigen "Pump up" mit gewaltigen Synthesizer-Salven und dem herrlichen Nonsens von Deichkinds "Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)" sowie, nun noch einmal zusammen mit Denyo, der Popsong "Eule": "Nur eine kleine Eule ist noch wach [...]. Und immer wenn der Mond scheint, dann is' Showtime, dann is' Showtime. Dann kommt sie zum Vorschein." Da ist der Mond über dem Parkbühnengelände längst aufgegangen. |
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"Einen dürfen wir noch", ruft Delay, "dann ist Schluss. Dann steigen wir in unseren Bus und fahren nach St. Pauli." Tatsächlich gehe es zwar nach Aachen, das klinge jetzt aber zu uncool. Zu der Mitgröl-Hymne "St. Pauli" lässt sich niemand mehr bitten. Ohnehin muss Delay, der eine sympathische Mischung aus Kumpel und Animateur anbietet, außer mit einem "Hey Hannover - soooooo!" oder ein paar anfeuernden Zwischenrufen nicht viel tun, um die Party anzuheizen. Nur als nicht alle mit den Armen wedeln, fragt er nach, ob die Leute auf der Tribüne noch zum Konzert gehörten. Bei der Bandvorstellung stellt er die Bläser-Sektion mit einer Anspielung auf Lindenbergs "Andrea Doria" vor: "Hier spielt 'ne Rentnerband." Ein bisschen Regionalbezug gibt's zudem: So habe Delay die in Hannover beheimatete Band Scorpions früher gehasst, neulich sich aber über die Reeperbahn tanzend als Fan geoutet. Und er freue sich, wenn am Hauptbahnhof noch Musikzeitungen angeboten werden.
Jan Delay ist und bleibt eine Kunstfigur mit erheblichen Entertainer-Qualitäten und genießt mit seinem Sound ein Alleinstellungsmerkmal, was ihm auch nach 25 Jahren bestens besuchte Konzerte beschert. Beim letzten Parkbühnenkonzert trat er coronabedingt noch vor einer komplett bestuhlten Location auf, wenngleich auch damals niemand sitzen blieb. Da singt sich der Auftakt heute wieder viel euphorischer: "Hallo, hallo, hallo, hallo/Alle da, alle ready, es geht los (oh ja-ja-ja)/Hallo, hallo, hallo, hallo (oh ja)/Und am Ende dann die ganze Welt umarmen." |
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Surfempfehlung: www.jan-delay.de www.youtube.com/watch?v=FSxUoVGs3Uk www.laut.de/Jan-Delay www.youtube.com/channel/UCMtbWSwWUb9XwSeYEy1Q9pg www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2023/luxus/haiyti-ich-bin-mit-einem-fuss-in-monte-carlo www.instagram.com/jandelayofficial www.facebook.com/jandelay/ www.instagram.com/haiyti |
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Text: -Martin Jedicke-
Foto: -Martin Jedicke- |
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