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05.12.2024
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Der Gitarrengott aus der zweiten Reihe

Walter Trout

Hannover-Isernhagen, Blues Garage
05.12.2024

Walter Trout
Wer die sogenannten Gitarrengötter aufzählt, nennt in der Regel Clapton, Page, Green, Hendrix und noch ein paar andere. Wer allerdings den US-Amerikaner Walter Trout live erlebt, würde ihn schnell hinzufügen. Sicher, er spielt die Gitarre nicht hinter dem Rücken oder mit der Zunge, er lässt sein Instrument auch nicht in Flammen aufgehen, aber er lässt die Saiten sprechen wie kaum ein zweiter. Dabei ist er vor zehn Jahren dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen, als ihm eine Lebertransplantation das Leben rettete. Rund 350 Blues-Rock-Freunde sind nach Isernhagen vor den Toren Hannovers gefahren, um in der Blues Garage überzeugt zu werden, dass Trout auch mit 73 Jahren noch alle Facetten des Blues draufhat.

Die Halle ist pickepackevoll. Trout ist nicht zum ersten Mal Gast. Man weiß, dass er abliefert. Schon früh im Konzert ruft er: "You wanna rooock?!" Und legt los mit "Wanna Dance", Gitarre und Stimme heulen und schreien um die Wette, bevor es nachdenklich wird. "Say Goodbye To The Blues" widmet Trout seinem Mentor John Mayall, der im Sommer dieses Jahres verstorben ist. Als Trout in Mayalls Band spielte, habe der ihn von Drogen und Alkohol weggebracht. Passend spielt Trout eine kontemplativ klagende Gitarre, bis er wieder losdonnert, als wolle er zeigen, wie viel Kraft nun in ihm stecke. Am Ende reißt er den Gitarrenhals hoch, als wolle er damit gen Himmel weisen.

Nicht nur bei Mayall, auch bei dem legendären John Lee Hooker, dessen murmelndes Geraune er liebevoll parodiert, sondern auch bei Canned Heat ist Trout schon eingestiegen. Da darf der treibende Boogie "Bleed" vom neuen Album "Broken" nicht fehlen - dem 31. übrigens, auf dem er einige Bruchstellen in seinem Leben verarbeitet. Und eingeklinkt natürlich Hookers typisches "How How How"-Gebell. Roland Bakker entfacht dazu einen überschäumenden Orgel-Tsunami. "Baby You Don't Have To Go" ist Blues-Rock, wie man ihn kennt und liebt: tonnenschwere Riffs, flinke Griffbrett-Exkursionen, lang gezogene Töne und rauer Gesang. Zum Titelsong des gleichnamigen All-Star-Albums "We're All In This Together" listet Trout mit erkennbarem Stolz einige seiner damaligen Mitstreiter auf: Joe Bonamassa, Edgar Winter, Sonny Landreth, Robben Ford und viele mehr. Brett Smith-Daniels teilt sich mit Trout Vocals und Leadgitarre und man ist erstaunt, dass der Kehle des smarten jungen Mannes so ein angekratzter Ton entspringt. Zu dem Slow-Blues "Follow You Back Home" wiederum steuert Smith-Daniels eine Akustikgitarre bei.

"Ride" kommt fast poppig daher, und geht am Ende in "Jessica" von den Allman Brothers über, was sich kongenial aus Bakkers Klavier-Passagen schält und daran erinnert, dass auch der Allmans-Gitarrist schon Gast der Blues Garage war. Zudem ist es eine Hommage an den Garagen-Boss Henry Gellrich, der vor Beginn eines jeden Konzerts "Jessica" anspielt. Das Floyd-Lee-Cover "Red Sun" bietet den Rahmen für ausgedehnte Soli. Bakker zeigt, was seine Keyboards hergeben, taucht ein in ausgedehnte Hammond-B3-Passagen. John Avila, der nicht nur bei der amerikanischen New-Wave-Formation Oingo Boingo um den heutigen Filmkomponisten Danny Elfman spielte, sondern auch mit Neil Young und Bob Dylan auf der Bühne stand, lässt den Bass funkig klingen und Drummer Michael Leasure, der Trout bereits seit 16 Jahren begleitet, haut mächtig in die Felle, verzerrt das Gesicht, streckt die Zunge heraus, springt vom Hocker auf - bleibt dabei aber ein präziser Schlagzeuger.

Trout flicht zahlreiche Anekdoten ein, bekundet seiner Frau zu deren Geburtstag seine Liebe und Dankbarkeit, erzählt, wie er nach der Lebertransplantation so ausgeknockt war, dass er weder sprechen noch Gitarre spielen konnte. Sein Sohn habe ihm schließlich eine Gitarre in die Hand gedrückt, die ihm wie eine außerirdische Kreatur vorgekommen sei. Dass er nicht im Blues-Garagen-Himmel gelandet sei, habe er einer Organspende zu verdanken, für die er eindringlich wirbt. Wenn er heute auf der Bühne einen Song spiele, fühle er sich wie 45, am Ende allerdings wie 95. Tatsächlich reißt mancher Song die Zehn-Minuten-Grenze und Trout gönnt sich kaum Pausen in dem zweistündigen Konzert. Mit Rory Gallaghers "Bullfrog Blues", der auch durch Canned Heat bekannt wurde, kommt Trout für eine fulminante Zugabe zurück. Boogie-Rock und eingefügt Chuck Berrys Rock'n'Roll-Klassiker "Run Rudolph Run". Ja ist denn schon Weihnachten?

Surfempfehlung:
www.waltertrout.com
www.facebook.com/waltertroutband
www.youtube.com/channel/UCT07J3yxxYFa0lujuGSxlyg
www.gitarrebass.de/stories/walter-trout-spartanisch/
laut.de/Walter-Trout

Text: -Martin Jedicke-
Foto: -Martin Jedicke-
 

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