13.12.2024 http://www.gaesteliste.de/konzerte/show.html?_nr=3640 |
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Die Rock 'n' Roll-Doktorin Suzi Quatro Bielefeld, Stadthalle 13.12.2024 |
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Der Auftakt ist gleich ein Statement: "I'm a touched up freak on a winning streak/I'm gonna own this town, you can't hold me down/I'm the wild one, yes, I'm the wild one." Vielleicht erobert Suzi Quatro nicht gleich die ganze Stadt, die 1.300 Fans in der Bielefelder Stadthalle wickelt sie aber im Nu um den Finger. Schon früh erheben sich viele von ihren Plätzen, klatschen und singen mit. Und tatsächlich fühlt sich der 74-jährige Wirbelwind nach wie vor auf der Gewinnerstraße, habe Quatro doch inzwischen sogar einen Doktor in Musik erhalten. In den zwei Stunden auf der Bühne, unterbrochen durch eine Pause, gibt sie freilich nicht nur die wilde Rock 'n' Rollerin, sondern streut auch Poppiges und Balladeskes ein.
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Das Publikum ist offensichtlich mit Suzi Quatro gealtert. Vereinzelt stehen Rollatoren in den Gängen der komplett bestuhlten Halle. Über der Bühne hängt eine riesige Leinwand mit Suzi im schwarzen Lederoverall, den Reißverschluss fast bis zum Bauchnabel heruntergezogen. Das gab es in den frühen Siebzigern als Bravo-Starschnitt und nicht nur der Schreiber dieser Zeilen, damals selbstverständlich ein Verächter der uncoolen Zeitschrift mit zweifelhaften Dr. Sommer-Tipps, kaufte sich die Einzelteile zusammen, bis Suzi dem Pubertier in Lebensgröße von der Jugendzimmerwand direkt in die Augen schaute. Neben dem Plattenspieler lag die Debütplatte. Auch hier Quatro selbstbewusst dem Betrachter zugewandt, ein Stück hinter ihr vier düstere Gesellen, einer scheint ein Bier zu exen.
Heute spielt Quatro mit dem alten Image, ist dankbar, noch mit dem Hintern wackeln zu können, kann aber für das zweite Set nicht den Jeans-Jumpsuit durch den Lederoverall ersetzen, da er kürzlich bei einer doch zu wilden Bewegung gerissen sei und sie den Rest des Konzerts habe im Sitzen beenden müssen. Egal. Dafür feuert sie mit ihrer achtköpfigen Band einen Hit nach dem anderen ins weite Rund. Gleich zu Beginn "The Wild One", "I May Be Too Young" und "Daytona Demon" in einem Rutsch und ohne Unterbrechung. "Too Big" und natürlich die euphorisch aufgenommenen großen Drei: "Can The Can", "48 Crash" und "Devil Gate Drive". Neben den Glam-Rock-Knallern, mit denen das damals allgegenwärtige Songschreiber-Duo Chinn und Chapman auch Bands wie The Sweet oder Mud in die Charts spülte, gibt es auch Quatros Ausflüge in den Pop: "She's In Love With You", rockiger als damals angeboten und mit einem kraftvollen Saxofon-Solo garniert. Dazu "If You Can't Give Me Love" und "Stumblin' In", das Duett mit Smokies Chris Norman, dessen Part Quatros langjähriger Gitarrist Tim Smith übernimmt. Der Remix des australischen DJs Cyril wurde im letzten Jahr über TikTok noch einmal zum Hit. Auch andere Kooperationen werden gefeiert. Larry Williams' goldener Oldie "Slow Down" ist purer Rock 'n' Roll der alten Schule, mit einem Dialog von Tommy Schnellers Saxofon und Quatros Stimme in Call and Response-Manier. Das Stück stammt von einem Album, das Quatro mit dem Slade-Drummer Don Powell und dem Sweet-Gitarristen Andy Scott aufnahm. Letzterer tourt als einziges Originalmitglied mit seiner Band immer noch um den Erdball und im nächsten Jahr auch wieder durch Deutschland - auf einer nie enden wollenden Abschiedstour. Großen Erfolg brachte zudem ein Album mit KT Tunstall. Der erste gemeinsam geschriebene Song "Overload" rockt mit kernigen Riffs und "Shine A Light" wächst sich zu einer Gospel-Ballade aus mit wedelnden Handylichtern im Publikum. Anbei verkündet Quatro die Botschaft des Textes, die sich um Ausstrahlung und Selbstwahrnehmung dreht. Ohnehin erweist sich die Amerikanerin, die zwischen Wohnsitzen in England, Mallorca und Hamburg pendelt und mit dem deutschen Tour-Promoter Rainer Haas verheiratet ist, als durchaus mitteilungsbedürftig, wenngleich sie sich nie habe aufraffen können, mehr als vier deutsche Worte zu lernen. So erzählt sie - stolz auf ihr 60-jähriges Bühnenjubiläum - von den ersten Gehversuchen mit 14 in einer Girls-Band, deren Name "The Pleasure Seekers" der Mutter überhaupt nicht gefiel. 1971 ein Vertragsangebot von Mickie Most, zwei Jahre später der Durchbruch mit "Can The Can". Später reüssiert Quatro als Schauspielerin und in Musicals, sie moderiert im Radio ("Wollt ihr mal meine Radiostimme hören?") und arbeitet als Schriftstellerin. Gelungen findet sie ihre autobiografische Doku, die sie für sehr ehrlich hält, und dann ist da eben noch der Doktortitel als Krönung. Dass Quatro sich nicht auf den alten Hits ausruht, zeigen die neueren, mit ihrem Sohn entstandenen Alben "No Control" und "The Devil In Me", dessen Titelsong sowie "Motor City Riders" soliden Rock abliefern, während "I Sold My Soul Today" durch den vielstimmigen Chorgesang der Musiker besticht. Zu der Solo-Ballade "Can I Be Your Girl?" wechselt Quatro ans E-Piano. "Meine Mutter gab mir das Leben, mein Vater die Karriere", sagt sie. "Glycerine Queen" streckt sich durch ein ausladendes Bass-Solo mit allerlei Finessen, das Drummer Tim Reyland begleitet, bis Quatro zu ihm auf das Podest klettert und selbst zu den Sticks greift. Kennt man, immer wieder nett. Die Band mit zwei Background-Sängerinnen und drei Bläsern (Posaune, Trompete, Saxofon) sorgen für einen fetten Sound. Smith streut einige wenige, kurze Soli ein und Quatros Stimme klingt bei Rockigem angenehm angeraut und bei den ruhigen Songs warm und einnehmend. |
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Ein paar Cover stehen außerdem auf der Setlist. Neil Youngs "Rockin' In The Free World" ist Crazy Horse light, CCRs "Bad Moon Rising" fügt dem Original mit Fogertys herrlicher Nebelhorn-Stimme nichts hinzu und Chuck Berrys "Sweet Little Rock & Roller" charakterisiert die 1,58 m kleine Sängerin selbst: "That's me", ruft sie hinein. Dann ist Schluss, stehende Ovationen, Abklatschen mit den an die Rampe geeilten Fans. Für die Zugabe setzt sie sich auf einen Barhocker und mit Keyboarder Jez Davies an den Tasten lässt die Rock 'n' Roll-Doktorin ihren Auftritt besinnlich ausklingen. Mit einer herzerwärmenden Lesung der Eagles-Perle "Desperado".
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Surfempfehlung: www.suziquatro.com www.facebook.com/Suziquatrorocks www.instagram.com/suziquatroreal www.swr.de/swr1/rp/programm/hus-chris-norman-suzi-quatro-stumblin-in-100.html www.t-online.de/unterhaltung/stars/id_100426622/suzi-quatro-verraet-ehe-geheimnis-sie-wohnt-nicht-mit-ihrem-mann-zusammen.html www.arte-magazin.de/suzi-quatro laut.de/Suzi-Quatro classicrock.net/das-letzte-wort-suzi-quatro |
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Text: -Martin Jedicke-
Foto: -Martin Jedicke- |
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