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20.12.2024
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Zwischen Punk und Schlager

Locas In Love
Stefanie Schrank

Köln, Stadtgarten
20.12.2024

Locas In Love
Björn Sonnenberg - seines Zeichens der Liedermacher und Anchorman der Kölner Indie-Pop-Institution Locas In Love - brachte es anlässlich einer der vielen autotherapeutisch wertvollen Ansagen bei der 14. Wintergala der Locas In Love im Kölner Stadtgarten auf den Punkt, als er erklärte, dass er irgendwann angefangen habe, zu versuchen auf der musikalischen Seite einen gangbaren Mittelweg zwischen Punk- und Schlager-Ästhetik zu finden (ohne dabei das eine oder andere tatsächlich zu machen) um auszudrücken, dass in seinem Songwriterherz eben Platz für beides sei. Denn das ist eigentlich eine recht treffende und charmante Beschreibung für das, was die Locas seit Jahren zu einer eigenen Wissenschaft erhoben haben und auch bei der Show im Stadtgarten demonstrierten - auch wenn das Programm der Wintergala erneut weitestgehend aus dem Material der beiden Alben "Winter" und "Lemminge" bestand, die die Band 2008 mit dem Drummer Christian Schneider eingespielt hatten - der darob auch im Stadtgarten hinter dem Drumkit saß.

Wie gesagt fand die Locas-Wintergala in diesem Jahr bereits zum 14. Mal statt - zum ersten Mal jedoch mit einem Support-Slot der Locas-Bassistin und Keyboarderin Stefanie Schrank, die einen bunten Querschnitt ihres erstaunlich erfolgreichen Solo-Programmes präsentierte. Das "erstaunlich" bezieht sich in dem Fall darauf, dass Stefanie mit ihrer Solo-LP "Unter der Haut eine überhitzte Fabrik" und der Record-Store-Day-EP "Schlachtrufe BRD" ja nun wirklich keinen pflegeleichten Wegwerf-Pop kreiert hatte, sondern intelligente, avantgardistische, experimentelle, elektronische Kleinkunstwerke zum Quer- und Mitdenken (aber eben weniger zum Mit-Singen). Es scheint also, dass sich Qualität dann doch eben manchmal durchsetzt.

Alleine mit einem Omnichord, einem Telefonhörer-Mikrophon und diversen Effektgeräten präsentierte Stefanie dann eine eindrucksvolle Fingerübung in Sachen effektiver Reduktion. Dabei bemühte sie sich, die ja nicht immer selbsterklärenden philosophisch/radikalpoetischen Lyrics zu beschreiben und kontextuell einzubinden - etwa indem sie den Hintergrund zu der "Schlachtrufe"-EP erläuterte und einräumte, dass sie als Kind über die auf der Kompilationsreihe "Schlachtrufe BRD" enthaltenen Punks-Songs aus der Gleichgültigkeit der "Provinzen der Bonner Republik der 90er Jahre" herausgerissen und für die Musik als Solche "angezündet" worden war. Punk gab es dabei aber auch im EP-Titeltrack nicht - den man aber (einen guten Willen vorausgesetzt) sogar mitsingen konnte - was zeigt, dass Stefanie sich eben auch nicht demagogisch festgefahren hat und manchmal auch offen ist für catchyness. Einen neuen Track mit dem während eines Sankt-Martins-Zuges dem Kindermund abgehörten Arbeitstitel "Wir fürchten nicht die Nacht" gab es dann auch noch.

Seinen lebendigen Widerwillen gegen alle Formen der Konformität demonstrierte Björn Sonnenberg dann gleich zu Beginn der sich an Stefanies Auftritt anschließenden Locas-Show, indem er sich einen leeren Getränkekasten schnappte, nachdem sich die Band eingegroovt hatte und gleich den ersten Track "Packeis" ohne Mikro mitten aus dem Auditorium heraus intonierte. Der Rest der Show lief dann tatsächlich eher in gewohnten Bahnen ab. Gelegentlich wechselten sich dabei Björn und Stefanie an Bass, Gitarre und Keyboard ab und einige Male "duellierte" sich Björn mit Gitarrero Jan Niklas Jansen. Etwas seltsam war dann die undurchsichtige Beleuchtungspolitik, die dazu führten, dass die Musiker während der Show nur von hinten in dunkelrot "angefunzelt" wurden und demzufolge nur zu sehen waren, wenn Björn bei Normalbeleuchtung eine seiner erläuternden philosophischen Monologe zum Besten gab. Geradezu ungerecht war das - denn eine extrovertiert angelegte Band wie die Locas In Love muss eigentlich auch gesehen werden können.

Wie bereits erwähnt bestand das Programm überwiegend aus den Songs der beiden Alben "Winter" und "Lemming". Den Bezug zur Aktualität stellten die Locas dann durch die Neubewertung des Materials im Rückblick her. Ursprünglich wollten die Locas mit dem Album "Winter" ja groß ins Weihnachtsgeschäft einsteigen (so ähnlich formulierte Björn das zumindest), was aber unter anderem daran scheiterte, dass auf dem Album gar keine regelgerechten Weihnachtslieder zu finden waren. Wie so oft ging es den Locas ja auch damals schon darum, bloß nicht irgendwelche Erwartungshaltungen zu erfüllen, sondern den Zeitgeist und die Gemütslage bei den Aufnahmen einzufangen. Wie Björn dann erklärte, erwiesen sich Stücke wie zum Beispiel "Maschine" oder "Manifest" im Rückblick dann geradezu als prophetisch - beziehungsweise veränderten sich in der Aussage und Perspektive veränderten - was ihm klar geworden war, als er sich bei den Re-Issue-Projekten der Band auch mit dem "Winter"-Album intensiv beschäftigte. Sicherlich gilt das auch für den Song "Es ist alles wirklich so schlimm wie es scheint" von dem "Lemming"-Album, denn das ist ja nun mal heute nicht anders als 2011 - als der Song zum ersten Mal aufgelegt wurde. Björn räumte dann auch noch ein, dass er seine psychologischen Gedankenwelten lieber im Diskurs mit dem Publikum ausleben mochte, als etwa öfter zur Therapie zu gehen. Nun ja: Zu irgendwas muss der Beruf des Musikanten ja schließlich auch gut sein.

Wirklich neues Material hat es von den Locas seit dem letzten Album "Kalender" ja nicht mehr gegeben - was unter anderem damit zusammenhing, dass das Kindermusik-Projekt Gorilla Club (dass Björn und Stephanie ernsthaft betreiben, seit sie Eltern geworden sind) zwischenzeitlich die ganze Aufmerksamkeit der Musiker erforderte und diverse Schicksalsschläge, Stefanies Solo-Projekt und natürlich die Pandemie-Phase das Band-technische Multitasking dann auch unmöglich gemacht hatten. Nun allerdings befinden sich die Locas in einer Phase, in der ernsthaft an neuen Songs gearbeitet wird. Einen davon - ein ambitioniert komponierter Track mit dem genialischen Titel "Pferd" - gab es dann auch bei der Show im Stadtgarten zu hören. Da die Locas zwar zu den beständigsten - aber nicht eben den schnellsten - Bands der Kölner Szene gehören, ist mit dem nächsten Locas-Album dann allerdings erst 2026 zu rechnen; zumal 2025 auch erst mal Stefanie Schranks zweites Album zu erwarten ist.

Surfempfehlung:
locasinlove.com
locasinlove.bandcamp.com
www.facebook.com/locasinlove

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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