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07.03.2025
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Kunst, Musik und Nostalgie

Bettie Serveert

Heerlen, Nieuwe Nor
07.03.2025

Bettie Serveert
"Like the heat's turned off and you're low on food": Vor inzwischen fast drei Jahrzehnten zollten die niederländischen Indierock-Darlings Bettie Serveert einer ihrer größten musikalischen Inspirationen auf der Bühne Tribut und bestritten komplette Konzertabende mit ausschließlich Songs von The Velvet Underground. Bald darauf erschien die Hommage dann als "Venus In Furs (And Other Velvet Underground Songs)" auch auf einer CD, die heute ein gesuchtes Sammlerstück ist. Während The Velvet Underground selbst "nur" 25 Jahre bis zu ihrer Reunion verstreichen ließen, dauerte es tatsächlich 28 Jahre, bis "Velvet Serveert" wieder auf der Bühne stehen. Möglich macht das eine Ausstellung des Velvets-Entdeckers Andy Warhol in Heerlen.

Seit September ist Heerlen Schauplatz einer großen Andy-Warhol-Ausstellung, die sich im Glaspalast Schunck Themen wie Sterblichkeit, Eitelkeit und Vergänglichkeit mit Exponaten aus allen Schaffensphasen des New Yorker Pop-Art-Pioneers widmet. Gewissermaßen im Rahmenprogramm gibt es Highlights wie eben diesen - schon Wochen im Voraus restlos ausverkauften - Konzertabend unter dem Motto "Bettie Serveert plays The Velvet Underground" im nur einen Steinwurf entfernten Konzertsaal Nieuwe Nor.

Als um Punkt 20.30 Uhr das Licht ausgeht, tun Sänger/Gitarristin Carol van Dijk, Gitarrist Peter Visser, Bassist Herman Bunskoeke und Schlagzeuger Stephan van der Meijden wie ihnen geheißen und stürzen sich gleich kopfüber in den Song, der eigentlich traditionell die alles zerstörende Schlussnummer ist: "What Goes On". So richtig gut gewählt ist dieser Einstieg nicht, denn bis die Band so richtig auf Betriebstemperatur kommt, ist der Song auch schon wieder vorbei. Zum Glück haben die zehn weiteren Coverversionen deutlich mehr Verve (!), wenngleich hier und da ein wenig durchscheint, dass dieses Konzert vermutlich keine Idee der Betties selbst war. Dass die Band inzwischen auch ein wenig in die Jahre gekommen ist, tut ein Übriges dazu. Der offensichtlich gesundheitlich angeschlagene Bunskoeke spielt seinen Bass die ganze Zeit über im Sitzen, und auch wenn van Dijk augenzwinkernd erklärt, dass Geburtstagskind Visser an diesem Tag 26 Jahre alt wird, dürfte er tatsächlich deutlich mehr Kerzen auf der Torte gehabt haben.

Betont unaufgeregt, ja, fast geradezu nüchtern emulieren sie die sonnenbebrillte New Yorker Coolness von Lou Reed und Co., scheuen aber erfreulicherweise nicht davor zurück, den Songs mit einem ordentlichen Schuss Garagenfeeling den eigenen Stempel aufzudrücken, anstatt es darauf anzulegen, die Klassiker möglichst authentisch zu interpretieren. Dass van Dijks Stimme trotzdem sehr überzeugend auf den Spuren von Lou Reed und Nico - bei "Femme Fatale" sogar mit spürbar deutschem Akzent - wandelt, ist kein Widerspruch, sondern unterstreicht nur den Einfluss der Velvets auf die Musik der Betties. Zum Anlass des Abends oder zu Andy Warhol verliert die Band derweil kein Wort und lässt - stimmungsvoll ergänzt um psychedelische Retro-Backdrops auf der Leinwand hinter ihnen - mit einem sanften "Stephanie Says", einem herrlich rauen "There She Goes Again" und einem rasanten "Beginning To See The Light" lieber die Musik sprechen und beweist dabei eindrucksvoll, wie zeitlos gut, ja unübertroffen Songs wie "Rock'n'Roll" oder "I'll Be Your Mirror" auch mehr als 50 Jahre nach ihrer Veröffentlichung noch sind. Im Vergleich zu 1997 glänzen die kantigen Nummern "European Son" und "Black Angel's Death Song" mit Abwesenheit, nur "Sunday Morning" hätten sicherlich viele gerne gehört, aber vermutlich wäre das einfach eine Ballade zu viel gewesen für diesen Rahmen. Doch so nostalgisch schön diese 50-minütige Ode an Warhol und die Velvets auch ist: So richtig springt der Funke erst über, als Visser nach dem niedlichen "After Hours" trocken ankündigt: "Jetzt werden wir etwas ganz anderes machen."

Die zweite Hälfte des Auftritts bestreiten die Betties dann mit weiteren Klassikern, dieses Mal aber aus eigener Feder, und schon nach den ersten Akkorden des (auch schon über 30 Jahre alten) Evergreens "Tom Boy" ist klar: Jetzt ist die Band wirklich in ihrem Element. Merklich entspannter als zuvor lassen sie sich in die Highlights ihres eigenen Backkatalogs fallen, und dabei gelingt ihnen das Kunststück, bei "White Dogs" mehr wie The Velvet Underground zu klingen als bei allen Coverversionen zuvor. Nummern aus dem Spätwerk wie "Brother (In Loins)" bleiben die Ausnahme, den Löwenanteil des zweiten Sets machen Lieder der LP-Glanztat "Palomine" aus, der die Betties 1993 aus dem Stand in die allererste Liga der europäischen Indierock-Bands katapultierte und das Quartett als eine der ganz wenigsten Acts etablierte, die den US-Bands der Ära in nichts nachstanden. Auch all die Jahre später strahlen Songs wie "Balentine" oder "Palomine" in Heerlen hell, und natürlich gibt es auch "Kid's Allright", den Betties-Song für die Ewigkeit, der auch in der Nieuwe Nor noch genauso schön scheppert wie einst im Vorprogramm von Buffalo Tom.

Für die Zugaben haben sich die vier einen "extra langen" Song aufgehoben, wie van Dijk das Publikum lachend wissen lässt, und tatsächlich ist das zehnminütige, sich langsam aufschaukelnde "Leg" mit seinen ausufernden Instrumentalparts, bei denen Visser und van Dyk bisweilen Rücken an Rücken lehnen, all das, was "What Goes On" ganz zu Beginn hätte sein sollen. "Der Geist von Warhol, der den ganzen Abend über anwesend war, muss mit Genugtuung zugesehen haben. Es dürfte ihm gefallen haben, denn es war wunderschön", hieß es später im Review der holländischen Kollegen von "3voor12". Diesem Fazit schließen wir uns gerne an!

Surfempfehlung:
bettieserveert.com

Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-
 

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