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09.01.2003
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Du und 250 von deinen Freunden

Kettcar

Bochum, Zwischenfall
09.01.2003

Kettcar
"Kommt hier jemand aus Dortmund? Ich hab extra für euch nachgesehen, der letzte Zug fährt erst um zwei. Ihr könnt also ruhig noch ein Bier an der Bar trinken", meint Bassist Reimer Bustorff nach gut zwei Dritteln des Auftaktkonzertes der Kettcar-Konzertsaison 2003. Doch während andere Bands solche Sprüche nötig haben, um wenigstens ein paar Menschen im Zuschauerraum an diesem bitterkalten Donnerstagabend bei der Stange zu halten, ist es für das Hamburger Quintett lediglich der Vorwand, mit dem Publikum über den hiesigen Nahverkehrsverbund zu plaudern, um anschließend im großartigen "Im Taxi weinen" (das Sänger/Gitarrist Marcus Wiebusch todernst mit "Wir spielen jetzt unseren Hit" ankündigt) aus dem "HVV-Bus" einen "VRR-Bus" zu machen. Das Publikum im gut gefüllten Zwischenfall hatten die Hanseaten eh schon nach den ersten Takten voll auf ihrer Seite.

Dabei liegen zwischen Kettcar-Platten und -Konzerten Welten. Wo sie sich auf ihrem grandiosen Debütalbum "Du und wieviel von deinen Freunden" musikalisch in Zurückhaltung üben und so den hervorragenden Texten mehr Raum geben, rücken in Bochum - gewollt oder aufgrund einer leicht überforderten PA - die Texte klar in den Hintergrund. Dass trotzdem nicht nur der (un)heimliche Hit "Landungsbrücken raus" begeistert mitgesungen wird, versteht sich von selbst, doch interessanterweise fördert die soundtechnische Verschiebung auch ganz neue Lieblingslieder zu Tage. Zählen nicht wenige "Balkon gegenüber" auf der Platte zu den schwächeren Nummern, ist ausgerechnet dieser Song im Zwischenfall ein unerwartetes Highlight. Und weil den ganzen Abend die Rocknummern klar besser zur Geltung kommen als die betont poppigen Stücke, sind die fünf gut damit beraten, sich für's Finale "Ich danke der Academy" aufzusparen. Und vielleicht stehen Kettcar ja irgendwann wirklich mal auf dem Podest, schließlich ist Elliott Smith auch nur hauchdünn an einem Oscar vorbeigeschrammt.

Für die Zugabe gibt's mit "Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt" noch eine Solonummer von Marcus Wiebusch, die textlich wie musikalisch zwar etwas aus dem Rahmen fällt, aber gerade deshalb als Rausschmeißer gut ins Bild passt. An ihr Album reichen Kettcar mit ihren Liveauftritten (noch) nicht heran, aber das haben wohl auch die wenigsten erwartet. Das Gefühl, dass hier eine Band auf intelligente und überraschend unsentimentale Weise das Lebensgefühl der Post-Everything-Generation um die 30 perfekt auf den Punkt bringt, darf man dagegen auch nach dem Konzert in Bochum haben.

Surfempfehlung:
www.kettcar.net

Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
 

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