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27.04.2003
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Niedriger Blutzoll

Handsome Family
Souls Off Fire

Düsseldorf, Zakk
27.04.2003

Handsome Family
Zunächst einmal durften die Souls Off Fire aus Düsseldorf beweisen, dass man auch in Deutschland spröde, ein wenig richtungslose und nicht sonderlich beeindruckenden Alt-Country mit Alternative-Ruppigkeit kombinieren kann. Schade eigentlich, denn bis auf ordentliche Songs hatte die Band eigentlich alle Zutaten, die zum erfolgreichen Abschluss hätten genügen sollen: Eine Sängerin, einen kompetenten Gitarristen, einen exzellenten Drummer und das Feeling für das richtige Tempo. Leider zerredete man den Vortrag mit endlosen und absolut unkomischen - eher peinlichen - Ansagen und Zwischenbemerkungen, sodass die Stimmung für die eher zerbrechlichen und fragilen Songgebilde nicht wirklich geebnet erschien. Und so war dann die Erleichterung recht groß, als die "Zwangspause" bis zum Handsome Family Auftritt dann endlich vorbei war.

Wenn man sich Brett und Rennie Sparks so anschaut, wie sie - sagen wir mal kontrovers - über ihre Musik diskutieren (ob vor oder hinter der Bühne), so könnte man auf die Idee kommen, Zeuge eines ewig währenden innerehelichen Zwistes beizuwohnen. Denn der Humor des schrulligen Paares, das zunächst aus Chicago und seit nunmehr zwei Jahren aus der Wüste im Neu-Mexikanischen Albuquerque sein Unwesen treibt, ist so staubtrocken, dass teilweise nicht einmal Kojoten diesen verstehen könnten. "Nachdem meine Großmutter gestorben war, hat sie mir diesen Song beigebracht", stellt Rennie z.B. während des Sets ein Sacred-Heart Traditional vor (das einzige Stück, welches sie solo singt). Ansagen wie diese - und die sich anschließenden Schein-Streitereien - machen indes wenigstens 50% des Sinngehaltes eines Handsome Family Konzertes aus. Dieses bestand zum Großteil aus Tracks des bisherigen Oeuvres. Cover-Versionen sind nicht mehr so das Ding des für die Tour um Bretts Bruder Darrell zum Trio aufgebauschten Alt-Country Duos. "Wir haben jetzt genug eigene Stücke", erklärte das Rennie, "außerdem denken wir nicht, dass wir die Stücke anderer Leute besser darbieten könnten, als diese selber." Eine Ausnahme gab es doch: Bei den Zugaben wünschte sich jemand Hank Williams "Lost Highway", woraufhin Brett seinen Bruder an die Gitarre bat, und das Stück quasi aus der Hüfte präsentierte. Die Musik der Handsome Family hat sich im Laufe der Jahre zu einem kohärenten Ganzen zusammengefunden. Experimentierte man Anfangs noch mit Rock- und Punk Elementen, so genügen heutzutage ein simpler Country-Beat, Bretts relaxt-lakonischer Baritongesang und Rennies apokalyptische Texte, um den Zuhörer in den Bann zu ziehen. Ist das eigentlich nicht schwierig für den guten Brett, immer die Texte seiner Gattin zu singen? "Absolut nicht", meint dieser dazu, "wenn du ein guter Musiker sein willst, dann musst du jedermanns Texte singen können." "Und es ist ja nicht so, dass ich mit meinen Texten meine Persönlichkeit preisgeben", ergänzt Rennie. Das wäre ja auch schlimm, denn in den Texten wimmelt es ja geradezu von eingebildeten und wirklichen, psychologischen und psychopathischen Naturkatastrophen. "Das nächste Stück handelt von einem Parkplatz", meint Rennie, "bei uns werden viele Parkplätze gebaut, denn in den USA gehst du auf einen Parkplatz, wenn du alleine sein möchtest." "Im Irak bauen wir auch gerade viele Parkplätze für die Irakis", überlegt Brett, "auch wenn die das gar nicht wollen." Es folgen die "Klassiker" der Handsome Family, wie "Cathedrals" oder "When That Helicopter Comes". "Als ich klein war, dachte ich immer, Helikopter seien Engel", erklärt Rennie dieses Stück. "Und das nächste handelt von der Nacht, in der Brett mich fragte, ob ich ihn Heiraten würde. Es geht also um Blut und Erbrochenes." Es folgte ein neues Stück namens "Bottomless Hole". Da muss man einfach durch. Aber gerade die schizophrene Stimmung, die von Rennies Texten erzeugt wird, kontrastiert recht gut mit den einfachen, am Folk orientierten Songstrukturen des Brett Sparks - auch und vor allen Dingen live. "Unsere neue Scheibe wird aber nicht so düster, wie die letzten", meinte Brett noch vor dem Konzert, "der Blutzoll ist nicht so hoch." Die Stimmungslage der Handsome Family berechnet sich also am Blutzoll der Songs. Was ein Glück, dass das Paar einen Weg gefunden hat, sich in einem relativ gewaltlosen Medium auszudrücken!

Handsome Family
Der musikalische Vortrag schrammelt dabei manchmal nur knapp am parodistischen vorbei: Manches Stück wertere Brett z.B. durch betont expressives - oder gar kein - Gitarrenspiel auf, pfiff dazu ganze Strophen, machte Faxen mit der Setlist ("Was machst du denn da?" "Ich überlege gerade, mich hier hinzulegen"), während Rennie betont relaxt dazu Bass oder Melodica spielt. Lediglich Bruder Darrell schien seinen Job als vielseitiger Drummer und exzellenter Harmoniesänger ernstzunehmen. "Das nächste Stück handelt von einem See, zu dem man nur geht, wenn man schläft", kündigte Rennie ein weiteres neues Stück an, "und gleich kommt dann meine Zwillingsschwester und verkauft CDs". Nicht mal das kann also die Handsome Family ernst nehmen.

Surfempfehlung:
www.handsomefamily.com

Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
 

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