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07.11.2003
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Gruppenkuscheln mit Hausmusik

Hausmusik Festival 2003

München, Pathos Transporttheater
07.11.2003 / 08.11.2003

Hausmusik Festival 2003
Das Münchner Hausmusik-Label hat mal wieder ins Pathos Transporttheater geladen, um dem geneigten Besucher ausgewählte Acts aus seinem Rooster näher zu bringen. Zwei Tage, acht Bands, ein angenehmer, nicht zu großer Veranstaltungsort. Daniel Bürkner alias Squares On Both Sides eröffnet die Werkschau mit seinen melancholischen Gitarrensongs, die er mit gesampleten Fundstücken, O-Tönen und Geräuschen aus digitalen und analogen Welten, angereichert hat. Als neustes und wohl auch jüngstes Mitglied der Labelfamilie hat er es etwas schwer, sich mit seinem Begleiter am Bass gegen das Stimmengewirr im leicht 400 Leute fassenden Venue durchzusetzen, kann aber doch Sympathiepunkte gewinnen. Was auffällt, ist, dass trotz der fast klassischen Singer / Songwriter-Besetzung die Lieder selbst meist zurücktreten hinter ziemlich atmosphärischen Klang-Konstruktionen, die vielleicht etwas mehr Melodie und Formenreichtum vertrügen.

Dann baut Carlo Fashion, den man auch als Schlagzeuger der Münchner Legende FSK kennt, drei abgewrackte Analog-Synthesizer am Bühnenrand auf, einzelne Tasten werden mit verschiedenen Werkzeugen beschwert und dieses Tryptichon bildet den ästhetischen Mittel- und musikalischen Orgelpunkt seiner Darbietung. Extra für die Veranstaltung hat er ein dreisätziges Werk für Bläser und Klang-Installation komponiert, das er nun mit etwas fahrigen Handbewegungen dirigiert. Den fünf beteiligten Musikern hat er am Nachmittag die Noten gegeben und die spielen dann auch relativ beherzt vom Blatt. Sofort denkt man an Minimal Music, Steve Reich und Philip Glass fallen einem ein, aber Carl Oesterheld protestiert. "Das ist zu einfach, ich zitiere hier Bruckner, Stravinsky und Kraftwerk." Auch wenn das vielleicht nicht alle mitbekommen haben, erweist sich das Publikum als angetan und ein Lob an das Label, dass die auch "so was" machen, als angebracht.

Dann dürfen die alt gedienten Elektroniker von Iso 86, die das Genre mit einer sehr Lounge-kompatiblen Variante mit vielen eingängigen Kontrabass Linien und allerlei Instrumentarium zu beleben suchen, ans Steuer und hier fühlte sich schließlich das gesamte Auditorium sichtlich angesprochen. Getanzt wird ob der räumlichen Enge zwar nicht aber die vielen nickenden Köpfe und wippenden Schuhe signalisieren offene Zustimmung.

Weit weniger konsensfähig sind dann die aus Neuseeland stammenden Mannen von Cakekitchen. Was die Flying-V Gitarre samt der für den antizipierten Kolateralschaden am Bühenboden ausgelegten Gitarrensaiten von Frontman Graeme Jefferies versprechen, wird nur in Ansätzen eingehalten. Neben einigen härteren und treibenden Nummern werden vor allem Balladen zu Gehör gebracht, die dank Jeffries sonorer Stimme trotz der eher ruhigeren Töne ziemlich raumgreifende Qualitäten an den Tag legen. Die ausladenden Streicherarrangements, die auf Tonträger zu hören sind, werden live von einem einsamen Cellisten dargestellt. Der hätte aber auch zu Hause bleiben könne, da sein wenig essenzielles Tun schlicht im Rest untergeht. Egal, ein gelungener Abend allemal, der Lust auf mehr macht.

Den zweiten Teil des Hausmusik Festivals durften die Hamburger Gäste Mountaineer vom befreundeten Sommerweg Label am Anfang ihrer zweiwöchigen Tour eröffnen. Angeführt von Fink-Drummer Henning Wandhoff wurden eine knappe Stunde ziemlich entzückende Beiträge zum etwas aus der Mode gekommenen Country und Folk Diskurs vom Debüt-Album "Sunny Day" vorgestellt. Die Songs erinnern wegen der, trotz relativ kleinen Besetzung orchestral wirkenden Arrangements an die frühen Lambchop aber auch an die Walkabouts, bevor sie sich von ihren ländlichen Wurzeln lösten, um sich in reiner Melancholie zu ergehen. Wohl gemerkt erinnern, denn das Material ist in seinem Eklektizismus doch eigenständig. An Melodiegitarre und Pedal-Steel sitzt ein begnadeter Virtuose, der seine Sache mit jeder menge Zurückhaltung verdammt gut macht und man merkt der Formation jede Menge einende Zuversicht an, die fast über die Tatsache hinwegtäuschen kann, dass es sich hier ursprünglich um ein einsames Homerecording Projekt handelt.

Wer all das auf die Beine gestellt hat, darf natürlich auch selbst auf die Bühne und so gibt sich die vom Labelchef Wolfgang Petters angeführte Mitarbeiter-Formation Phone die Ehre, um ihre Vorstellung vom Gitarrenrock zu präsentieren. Immer Druck erzeugend wird klar gemacht, dass man einfach das tun, was einem Spaß macht, man den größten gemeinsamen Nenner gefunden hat. Als unambitioniert und gelassen bezeichnen Phone ihren Ansatz und für den ersten öffentlichen Auftritt wird's auch eine recht runde Sache.

Der ein oder andere im Publikum war an diesem Abend sicher wohl auch gekommen, um sich die wirklich tollen Sodastream aus Australien anzuhören, um die sich Hausmusik hierzulande als Vertrieb kümmert und die an diesem Abend den Auftakt ihrer Deutschlandtournee begehen. Die hatten aber anscheinend nicht ausgeschlafen und waren sozusagen etwas unsicher auf den Beinen, vor allem mit sich selbst und kaum mit dem Publikum beschäftigt. Was zunächst viel versprechend schien, nämlich die tollen Songs des Chamber-Pop Duos in der kleinen Besetzung zu hören, entpuppt sich als halbe Enttäuschung. Das Material gewinnt in der abgespeckten Version nicht wirklich und sicher wäre ein ruhigeres Ambiente dem musikalischen gelingen zuträglicher gewesen, schön ist's dennoch.

Bis dahin hat sich das Hausmusik-Festival als ziemlich ausgewogene und interessante Veranstaltung entpuppt, das altersmäßig durchaus gemischte Publikum und das Who is Who der alternativen Münchner Musikszene amüsiert sich auf's beste und die Reise hat sich sicher auch aus weit über den Landkreis hinausreichenden Gefilden gelohnt. Fehlt nur noch dem ganzen eine Krone aufzusetzen, was dann von den die Veranstaltung abschließenden Hellfire auch prompt erledigt wird.

Lustige 60s Pop Orgeln treffen auf Punk und Wave, alles stets in einer minimalisitschen Formsprache arrangiert. Bei aller retro-hipness unterziehen Hellfire dabei den Inide-Rock Breeders'scher Prägung einer Frischzellenkur und so ist die Formation dann doch auch und vor allem in der musikalischen Gegenwart zu verorten. Das zeigt sich auch im Selbstverständnis, das Hellfire live kommunizieren. Gerade die Tatsache, keine echte Mädchenband zu sein, ist für die Gruppe entscheidendes Statement im Rollen- und Genderdiskurs und so unterscheidet sie sich deutlich von den Riot Grrrls der 90er. In einer emanzipierten Diktion und Attitüde, die sie sich vielleicht bei Peaches abgekuckt haben, brüllen sie dem begeisterten Publikum ihre politische Botschaft entgegen: "KUSCHELN, KUSCHELN, ICH WILL WIEDER KUSCHELN! GRUPPENKUSCHELN, AHHH!!!!"

Surfempfehlung:
www.hausmusik.com

Text: -Dirk Ducar-
Foto: -Dirk Ducar-
 

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