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29.01.2004
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Schattentanz

A Perfect Circle
Melissa Auf der Maur

Köln, Live Music Hall
29.01.2004

A Perfect Circle
Man hätte sich aber auch denken können, dass die Live Music Hall eigentlich zu klein war für ein Konzert aus dem Tool-Dunstkreis! Denn das muss man wissen: Tool-Freunde sind eine ganz eigene Spezies. Das sind junge, gut frisierte Menschen, die fanatisch und treu alles sammeln, was in irgendeiner Form mit der geliebten Band zu tun hat - die also tatsächlich noch richtige Fans aus Fleisch und Blut sind. Da wurden also zum Beispiel in der gut sortierten Schlange vor der Kasse der ausverkauften Halle ebenso die obskursten Tool-Bootlegs diskutiert, wie auch die unsittlichen eBay-Angebote von über 100,- Euro für die heißbegehrten Karten des Events. Und dabei spielten nicht mal Tool selbst, sondern "nur" A Perfect Circle, dem Projekt von Maynard James Keenan und Billy Howerdel. Insofern wunderte es also auch nicht sonderlich, dass sich die für diesen Zustand schlechtestmöglich geeignete Halle schon kurz vor Beginn der Show in eine zum Platzen zugepackte Sauna verwandelt hatte.

Die gewiss nicht kleine Bühne war dermaßen zugepackt mit den beeindruckenden Equipment von A Perfect Circle, dass für den Support Act, Melissa Auf der Maur, nur noch ein schmaler Streifen am Rande frei geblieben war. Das hatte dann zur Folge, dass die 5-köpfige Band sich über die ganze Breite der Bühne verteilen musste und man so gar nicht miteinander kommunizieren konnte. Was aber im Endeffekt kaum etwas ausmachte, da die Band seit dem ersten Auftritt in Dortmund tatsächlich schon einen Gutteil "tighter" spielte. Melissas Scheibe war zum Zeitpunkt des Konzertes immer noch nicht erschienen, so dass die Gute sich wieder genötigt sah, sich auf eher ungelenke Art dem Publikum zu empfehlen. "Wir sind Auf der Maur, die Band", meinte sie da, "und nicht das Lied." Hm. Also da muss zweifelsohne noch dran gearbeitet werden - so eine richtig zündende Alleinunterhalterin ist die ehemalige Hole- und Smashing Pumpkins Bassistin nach wie vor nicht. Apropos Smashing Pumpkins: Da James Iha (wie auch Twiggy Ramirez alias Jeordie White) auf Melissas Scheibe mitspiel(t)en, verwunderte es doch schon ein wenig, dass es nicht wenigstens für einen kleinen Gastauftritt bei der Kollegin reichte. Aber APC sind halt nun mal ein ganz besonders elitärer Club, wie sich im Nachhinein herausstellen sollte. Egal: Auf der Maur - die Band, nicht das Lied (das zum Intro wieder kurz angespielt wurde) legte ein beinhartes, solides Brett hin, das im Prinzip gar nicht so schlecht zum kalkuliert-komplexen Sound des Headliners passte. Denn hier wie dort wird im wesentlichen mit geschachtelten Gitarrensounds gearbeitet - während allerdings die von Melissa doch ein höheres Durchschnittstempo vorlegten. Was dem Insider noch auffallen durfte war, dass die Kanadierin offensichtlich bereits begonnen hatte, mit dem Material ihrer Debüt CD zu arbeiten. Einige Tracks, wie z.B. "Real A Lie" (das Stück, das Melissa von ihrer ersten Band, Tinker, die an diesem Abend auch noch durch Gitarrist Steve Durand repräsentiert wurde, herübergerettet hat) oder das eher melodische "Taste You" wurden im Tempo deutlich zurückgenommen und gerieten fast zu schleppenden Drones - was aber im Kontext ganz gut passte. Andere Tracks, wie auch die aktuelle Single "Followed The Waves" wurden relativ straight reproduziert - vielleicht eine Idee verspielter. D.h: Ausgerechnet bei diesem Track kollabierte der Bass-Verstärker und musste umständlich gerichtet werden. "Was sagte der Bassist auf der Party?", fragte dabei Keyboarder Andrew Rodriguez überbrückenderweise das Publikum, da seiner Herrin nichts Spontanes einfallen wollte. Antwort: "Es war gar kein Bassist auf der Party." Und das war schon der beste Witz des Abends! Nun ja. Als Fazit - und im Vergleich zum Showcase in Dortmund - darf festgehalten werden: Melissa Auf der Maur ist musikalisch auf dem richtigen Weg. Ein wenig mehr Variation bei der Präsentation der Stücke schadet ja nun wirklich nicht, Drummer Julien Blais war wieder der beste Mann am Platz, die Gesangsharmonien saßen sehr viel besser als in Dortmund und letztlich stimmt auch die innere Logik der Musik (was sich spätestens dann jedem erschließen wird, wenn er das Line Up der CD studieren kann). Aber: Die Selbstdarstellung von Auf der Maur ist sicherlich noch steigerungsfähig. Mit dem Thema "Selbstdarstellung" stehen allerdings auch APC auf dem Kriegsfuss - das aber aus einem ganz anderen Grund, wie sich im Folgenden herausstellen sollte...

In der Umbaupause wurde nochmal per Durchsage darauf hingewiesen, dass man bei A Perfect Circle nicht rauchen sollte (dazu wurde auch fast die gesamte Live Music Hall mit entsprechenden Hinweisen plakatiert) und es durfte auch nicht fotografiert werden - besonders Blitz-Licht in jeglicher Art war untersagt (s. dazu auch der eingescannte Fotopass in der Foto-Galerie). Sogar Foto-Handys wurden am Eingang eingesammelt. Warum das alles? Superstar-Allüren vielleicht? Denn APC ist ja sowas wie eine Supergroup: Keenan von Tool, James "Ex-Smashing Pumpkins" Iha an der Gitarre, Jeordie "Ex-Marilyn Manson" White am Bass, Drummer Josh Freese von den Vandals und natürlich Gitarrist Billy Howerdel, Initiator und Songschreiber von APC. Howerdel meinte zum Thema Blitz-Verbot vor dem Konzert gegenüber Gaesteliste.de, dass Sänger Keenan extrem lichtempfindliche Augen habe. Also schon irgendwie verständlich, doch auch etwas befremdlich - dieses Gefühl sollte sich auch in der ersten Viertelstunde des Gigs fortsetzen. "Vanishing" wurde noch ohne Sicht auf Keenan dargeboten, der sich erst beim zweiten Song ("Pet") auf der Bühne zeigte - und erstmal für Missstimmung sorgte. Der Licht-Mensch hatte seinen Job nicht richtig gemacht und sorgte für falsche Licht-Verhältnisse auf der Bühne, was Keenan mit einigen patzigen Kommentaren bedachte. Überhaupt hatte man das Gefühl, dass in der ersten Viertelstunde die Band keine große Lust auf dieses Konzert hatte, alle sahen recht grummelig aus und hinzu gesellten sich noch diverse Sound- und Licht-Probleme. Doch das sollte sich ändern und es wurden recht intensive und lockere 90 Minuten. Keenan thronte auf einem Podest im Bühnen-Hintergrund, meist dunkel gehalten und man konnte ihn eigentlich nur an seinen Händen und den Streifen auf seiner Hose erkennen (zum Schluss allerdings entledigte er sich seines Hemdes und man konnte ihn anhand des nackten Oberkörpers orten). Auf gleicher Höhe trommelte auf der rechten Seite Freese, auf der linken Seite zupfte James Iha (gut zu erkennen mit seinen erblondeten Haaren) die Gitarre, eine Ebene darunter verrichteten White und Howerdel ihre Arbeit. Sie arbeiteten sich durch einen guten Mix aus beiden Alben, zeigten ab und zu kleine Fehler, lieferten aber ansonsten eine gute Show. Wenn gerockt werden musste, dann wurde gerockt (Iha zeigte auf die für ihn typische Art selbst bei den dreckigsten Riffs keine besonders große Regung), die geschachtelten Gitarren-Sounds erfüllten die Halle und Keenan war stimmlich meist auf der Höhe. Highlights waren dabei u.a. "Weak And Powerless", "Rose", "Thomas", "The Noose". Lockere, fast schon Comedy-Einlagen hatte es auch gegeben - wahrscheinlich sehr zur Verwunderung der Anwensenden. Keenan rief des Öfteren zur Masturbation auf, oder man sollte sich wahlweise die Hosen ausziehen. James Iha durfte ein Stück solo vortragen (Keenan kommentierte dies mit: "Das war James Iha HipHop. Demnächst gibt es dazu auch einen Video-Clip inkl. Frauen mit großen Möpsen!"), ebenso White mit der lustigen Einlage "Fred's Got Slacks" (von Will Ferrells "Saturday Night Live"-Auftritt), das von Keenan zunächst unterbrochen wurde, dann per Publikums-Abstimmung weitergespielt wurde - Keenan wechselte danach blitzartig die Stimmung: Von heiter gelöst zu todernst und forderte Iha zu "The Nurse Who Loved Me" auf. Entweder bringt er jeden Abend die gleiche Ansage, oder er ist wirklich so lässig. "The Nurse" wurde live weiter aufgepeppt, was dem Stück einen weiteren Intensitäts-Schub verlieh. Sehr schön gelöst. So wie überhaupt der ganze Abend, trotz der vermeintlichen Superstar-Allüren. (Kleiner Nachtrag: Keenan ließ in der Mitte des Gigs verlauten, dass sie gerne weitere Shows in Deutschland gespielt hätten, aber das ginge ja nicht, weil durch Bootlegs und MP3-Downloads die Verkaufszahlen zurückgegangen seien, und dadurch hätten die Promoter (von sowohl Plattenfirma als auch Tour-Booker) die Hose voll gehabt und sicherheitshalber nur einen Gig in Deutschland gebucht. Keenan macht es sich hier aber einfach zu leicht - schließlich gibt es genügend Bands, die weit weniger Tonträger verkaufen und trotzdem ausgedehnte Tourneen durch Deutschland absolvieren.)

Text: -Ullrich Maurer / David Bluhm-



A Perfect Circle
NACHGEHAKT BEI: A PERFECT CIRCLE

Billy Howerdel, Initiator und Hauptsongschreiber von A Perfect Circle, nahm sich vor dem Konzert einen kurzen Moment Zeit, um mit dem Gaesteliste.de-Korrespondenten ein paar Worte über z.B. die aktuelle Tour, die Chemie innerhalb der Band und zum Publikum, und über die Zukunft zu wechseln.

GL: Zunächst die Frage, die sich wohl viele APC-Fans gestellt haben - warum nur eine Show in Deutschland?

Billy: "Wir wollten mehr Shows in Deutschland spielen, aber wir haben sie nicht bekommen! Entweder die Plattenfirma oder der lokale Tour-Booker hatte kein Vertrauen darin, dass die Leute kommen würden! Das ist sehr frustrierend für uns, denn eigentlich hatte ich gedacht, dass Deutschland ein sehr guter Markt für uns wäre. Das hatten wir ja schon bemerkt, als wir neulich mit den Deftones hier unterwegs waren. Wir haben zwar nicht unbedingt das gleiche Publikum, aber es war gut für uns, diese Tour gemacht zu haben. Auf der jetzigen Tour haben wir ein etwas kleineres Bühnen-Setup als auf unserer Amerika-Tour, es hätte vor allem heute Abend nicht reingepasst, denn dieser Gig heute ist so ziemlich der 'kleinste' der gesamten Tournee."

GL: Die APC-Songs sind im allgemeinen recht komplex angelegt - hatte es denn schonmal die Situation gegeben, dass man einen bestimmten Song live einfach nicht richtig hinbekommen hatte, dass es einfach nicht funktionieren wollte?

Billy: "Nein, bisher hat das alles bestens geklappt - obwohl, wir hatten anfangs etwas Schwierigkeiten mit dem Stück 'The Noose', das bedingt etwas mehr Finesse als die übrigen. Aber wir haben es inzwischen im Griff und spielen es sehr gerne. Es fehlen noch zwei Songs in unserem bisherigen Live-Set, dann haben wir sämtliche Stücke von beiden Alben live gespielt - im Sommer wird es wohl soweit sein, dass wir alles gespielt haben."

GL: Inwieweit spielt denn der Perfektionismus auf der Bühne eine Rolle?

Billy: "Hm, darauf konzentrieren wir uns eigentlich mehr bei den Proben. Während der Tour ist das alles viel lockerer, ich mache dauernd irgendwelche Fehler, die anderen natürlich auch, aber das ist okay. Ich glaube, wir könnten einen absolut perfekten Gig spielen, ohne einen Fehler, aber dabei würde der Spaß auf der Strecke bleiben. Man muss ja nicht immer eine absolute Präzision vorlegen. Eine kleine Variation jeden Abend ist sehr gesund..."

GL: Es gibt immer mal wieder negative Äußerungen von Fans, dass sich die Band nicht unbedingt für ihr Publikum interessiert - alleine schon das Rauch-Verbot in der Halle gefällt vielen Leuten nicht, und noch dazu das absolute Blitz-Licht-Verbot...

Billy: "Also, zuerst muss ich wirklich betonen, dass wir uns sehr für unsere Fans interessieren! Diese Einschränkungen können vielleicht auf den ersten Blick etwas anderes aussagen, vor allem wenn man sieht, dass Maynard im Bühnen-Hintergrund bleibt und selten nach vorne in die Menge schaut - aber das hat alles damit zu tun, dass seine Augen sehr, sehr lichtempfindlich sind und es für ihn zum Problem wird, wenn er z.B. einem Blitz-Licht ausgesetzt wird..."

GL: Vom Image her wird der Band auch gerne mal ein Hang zur Düsternis und zum Mysterium nachgesagt - viele Leute denken wahrscheinlich, dass ihr nicht mal lachen könnt...

Billy: "Das komplette Gegenteil ist der Fall! Wir haben eine großartige Zeit zusammen, es ist alles sehr organisch und wir haben viel Spaß, besonders auf der Bühne. Vielleicht kommt dieses Image eher von der Musik an sich, denn die ist ja durchaus etwas 'dunkler'. Wir sind alle sehr lockere Menschen, und dieses Dunkle in der Musik kommt aus mir selbst, aber das ist eben nur ein Teil von mir - da gibt es viele andere Seiten, die überhaupt nicht dunkel sind."

GL: Hatte es denn schonmal die Situation gegeben, wo man sich eine "richtige" Band wünscht? Wenn Maynard wieder mit Tool unterwegs ist, dann ist für dich bzw. APC erstmal Pause angesagt...

Billy: "Sicherlich würde mir das gefallen, aber die Art, wie APC entstanden ist, lässt es eben nicht zu. Manchmal ist es frustrierend, aber es ist keine Überraschung - das war ja alles genauso geplant. Ich habe aber jetzt schon einige neue Songs für mich - und nicht für APC - geschrieben, bei denen ich entweder selbst singen werde oder mir jemanden als Sänger einlade - nach dieser Tour wird sich das alles entscheiden, und ich werde voraussichtlich nächstes Jahr mit einem anderen Projekt starten. Dieses Projekt ist dann für die Zeit zwischen den Touren / Aufnahmen mit APC. Musikalisch wird es weniger 'dunkel' zugehen, die Songs sind optimistischer und 'heller'."

GL: Gute Neuigkeiten also. Kommen wir nun zur Abschluss-Frage: Wen würde Billy Howerdel denn gerne auf seiner Gästeliste haben und warum?

Billy: "Hm, ich denke, ich würde gerne meinen Vater auf der Gästeliste sehen. Er ist leider vor einigen Jahren gestorben, und er hat mich mit APC einmal gesehen - da haben wir damals im Madison Square Garden in New York als Support für Nine Inch Nails gespielt. Das war natürlich eine Riesen-Sache für uns und vor allem für mich, und daher würde ich ihn gerne wieder einmal auf einem unserer Konzerte sehen..."

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Text: -David Bluhm-
Fotos: -Ullrich Maurer-
 

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