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06.04.2004
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Herz auf dem Ärmel

Julian Dawson

Köln, Yard Club
06.04.2004

Julian Dawson
"Wenn der Julian nicht so ein netter Kerl wäre, würde ich ja gar nicht zu jedem seiner Konzerte gehen", meinte jemand im Publikum in einer beiläufigen Unterhaltung. Das aber ist es ja gerade, was den Künstler Julian Dawson auszeichnet: Er ist eben ein netter Kerl. Er ist auch ein sympathischer Performer, ein guter Instrumentalist und Songwriter - und wird häufig unterbewertet, weil seine Songs ziemlich unspektakulär erscheinen. Bei Julian gibt's aber lediglich keinen doppelten Boden. Es gibt auch keine "Stage Persona", keinen Act, keine versteckten Botschaften, keinen politischen Überbau: What you see is what you get. Julian trägt sein Herz auf dem Ärmel. Da steht schlicht ein Mensch auf der Bühne und singt uns seine Lieder vor. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.

Schon seit einiger Zeit muss auch Julian Dawson sehen, wie er finanziell über die Runden kommt. Die lukrativen Major-Deals mit üppigen Budgets sind (wie fast für jeden) passé - und damit auch Touren mit großem Aufwand. Letztlich kommt dies Julians Selbstverständnis aber eher sogar entgegen. Dieses Mal hatte er sich - nach längerem diesbezüglichen Zögern - einen Gitarristen als Unterstützung mitgenommen. Richard Kennedy stammt aus Neuseeland, durfte den Anheizer spielen und erwies sich als außerordentlicher Glücksfall. Nicht nur, dass der hyperaktive Linkshänder ein begnadeter, virtuoser Instrumentalist ist, sondern obendrein stellte er sich auch als ordentlicher Songwriter, und seelenvoller, intelligenter Interpret vor. Hinzu kam, dass sich "Jonboy Walton", wie Julian Richard aufgrund seines Working-Class-Outfits bezeichnete, als idealer Partner für Julians eher simplen No-Nonsense-Approach empfahl. Ein wenig "Sophistication" wertete nämlich manch ansonsten eher unscheinbaren Song auf. Richard, dem - musikalisch gesehen - kein Weg zu weit erschien und der jeden Song mit kleinen Verzierungen, Intros, Outros und Schlenkern versah, war eine echte Bereicherung für Stücke wie "If He Wanted Us to Fly" (Swing), "Today Is Valentine's Day" (Rock) oder "New Columbus" (Pop) - wobei die in Klammern gesetzten Genres jeweils die Richtung bezeichnen, die Richard den Stücken durch sein Spiel verlieh. Nicht nur das: Auch die Wahl der Coverversionen war plötzlich origineller. Favorisiert Julian selber ja meistens eher sentimentale Pop-Songs, die seinem eigenen Stil nahe kommen, gab es auf einmal - von Richard gesungen - Jimi Hendrix ("Wind Cries Mary") oder Steely Dan ("Pearl Of The Quarter" - mit Julian an der Mundharmonika) zu hören. Es war aber natürlich letztlich doch ein Julian Dawson-Abend und es standen - obwohl jemand zu Beginn des zweiten Sets die Setliste geklaut hatte - noch viele Julian-Favorites vom Schlage "Fragile As China", oder "Cars & Showbiz Weddings" (Boris Becker gewidmet) im Mittelpunkt. Die Tracks des neuen Albums, "Bedroom Suite", zogen sich dabei natürlich wie ein roter Faden durch den Abend. Im letzten Drittel zog Julian dann schließlich noch einen Überraschungsgast aus dem Hut - nämlich seinen alten Kumpel und Plainsong-Kollegen Iain Matthews, mit dem er dann u.a. "Fast Cars & Rented Beds" vortrug. Dieses Stück zu Ehren von Gram Parsons hatte Julian mit Iain zusammen geschrieben. Als Richard Kennedy dann wieder einmal seine Gitarre stimmen musste (er hat einen unglaublich harten Anschlag), freute sich der Gitarren-lose Iain, dass er hier und heute nur ein wenig Shaker zu spielen brauchte, weil man den ja nicht zu stimmen brauche. "Iain ist auch als Eggman bekannt", scherzte Julian (wobei ein Egg in diesem Fall auch ein Percussion Instrument ist) - und lüftete somit quasi eines der letzten verbliebenen Beatles-Rätsel. Da die Stimmung bei dieser Show besonders gut zu sein schien, führte dies (wie so oft) dazu, dass der Harmoniegesang mit Iain - auch bei Plainsong-Tracks wie "Under The Volcano" - eigentlich besser und intensiver rüberkam, als noch auf der letzten Plainsong-Tour. So ist das manchmal eben.

Zum Kernstück der Show geriet dann aber übrigens die Cover-Version "The Lord Loves A Rolling Stone". Diesen Track hatte Julians alter Held Dan Penn (in den 60ern zusammen mit Spooner Oldham verantwortlich für manchen Soul-Klassiker) geschrieben und Julian hatte ihn für seine "Bedroom"-CD ausgegraben. Bereits im Interview erzählte er uns, wie sehr ihm dieses (eigentlich vollkommen unspektakuläre) Stück am Herzen läge. Bei der Show im Yard Club nun geriet das Stück - mit der gefühlvollen Begleitung von Richard Kennedy, der es tatsächlich schaffte, dem ganzen einen subtilen Soul-Kick zu verleihen, zum Musterbeispiel der einfühlsamen Interpretation eines klassischen Songs. Julian Dawson - das wurde hier noch einmal klar - ist kein Mann der großen Töne, sondern jemand, der zwischen den Zeilen liest und auf Nuancen Wert legt. Er trägt eben tatsächlich sein Herz auf dem Ärmel. Letztlich war das dann also sicherlich einer der besseren Julian Dawson-Konzertabende - und mit Richard Kennedy konnte man auch noch eine richtige Entdeckung verbuchen. Lediglich eines tat der Sache dann einen kleinen Abbruch: Dass nämlich vor der Show und in der Pause ungehindert eine Sarah Connor-CD zweimal durchlaufen konnte.

Surfempfehlung:
www.juliandawson.com

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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