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Konzert-Bericht
 
Südamerikanischer Blümchenrock

Tom Liwa
Unter anderem Max

Dortmund, Subrosa
30.07.2010
Tom Liwa
Alles neu bei Tom Liwa! "Neues Album, neue Adresse, neue Lebenssituation" hieß es in der Konzertankündigung des Subrosa. Im ersten Halbjahr des Jahres schwelgte Duisburgs begnadetster Barde gewissermaßen in Erinnerungen und präsentierte bei seinen Konzerten seine "Greatest Hits". Inzwischen hat er - trotz oder gerade ob seines zuletzt eher turbulenten Privatlebens - knapp ein Dutzend neue Songs zusammen, mit denen er einen weiteren seiner berühmt-berüchtigten kreativen U-Turns vollzieht und sich ungewohnten Einflüssen widmet. Betont wortlastig und musikalisch (zumindest beim ersten Hören) deutlich sperriger als die Lieder seiner letzten beiden Platten fallen die neuen Songs aus - nicht zuletzt deshalb, weil Liwa die angloamerikanischen Inspirationen fast völlig ausblendet und dafür den Bogen von Caetano Veloso zur finnischen Mythologie spannt.
Unter anderem Max
Den Abend in Dortmund begann er (im kleidsamen Blümchenrock!) nach einem äußerst introspektiven Support-Set von Unter anderem Max, der einmal mehr seine Vorliebe für große deutsche Dichter unter Beweis stellte und dieses Mal Joseph von Eichendorff coverte, mit einer Getränkebestellung: 1 Ananassaft, 1 Cappuccino, 1 Absinth, 1 Wasser ohne Kohlensäure wollte er haben und musste dann erst einmal warten, bis er das erste Lied spielen konnte, da die für ihn angeworfene Cappuccino-Maschine einen Höllenlärm veranstaltete! Unter greller, aber so gewünschter "Nazi-Verhör-Beleuchtung" bewies gleich der erste Song, wie ernst es Liwa mit der stilistischen Kehrtwende ist. Textlich wie musikalisch wies die vom finnischen Nationalepos "Kalevala" inspirierte Nummer "Väinämöinen" nämlich keinerlei Verbindungen zu seinen Songs der letzten Jahre auf. Etwas weniger überraschend, aber genauso ein "statement of intent" dann die feine Coverversion von Caetano Velosos "Maria Bethania" - gewidmet den Opfern der Loveparade-Katastrophe in Liwas Heimatstadt.

Die neuen Songs, die Liwa selbst als "Gratwanderung" bezeichnet, an dieser Stelle detailliert zu beschreiben, ist praktisch unmöglich: Zu viele überraschende Informationen prasselten bei Stücken wie "Jil", "Maria" oder dem besonders düsteren "Das Erwachen der Flut" auf den Hörer ein. Kontrastiert wurden die neuen Lieder mit einigen wenigen Ausflügen in die Vergangenheit, wobei es zumeist unerwartete alte Stücke waren, die Liwa auswählte: "Es gibt keine Dichter hier" zum Beispiel, aus dem jahrelang praktisch vollkommen ausgeklammerten ersten deutschsprachigen Flowerpornoes-Album "Mamas Pfirsiche", das ebenfalls jahrelang nicht gespielte "Musical Cats" oder "Ein Lügner würde dasselbe sagen". Während sich Liwa bei diesen Songs noch halbwegs ans Original hielt, spielte er gegen Ende seines Auftritts "Eh egal" und "Für die linke Spur zu langsam" so wie seine neuen Stücke: mit ungewohnter Rhythmik, neuer Phrasierung und in entschleunigtem Tempo. Zusätzlich streute er auch noch einige interessante Fremdkompositionen ein, getreu dem Motto: "Wenn meine eigenen Songs mich zu langweilen beginnen, kann ich immer noch Coverversionen spielen." Neben dem bereits erwähnten Veloso-Cover standen auch noch "Wish You Were Here" von Pink Floyd, "When You Awake" von The Band und eine wirklich beeindruckende Version von "100,000 Fireflies" von The Magnetic Fields auf dem Programm. Obwohl Liwa - abgesehen von einigen Schlagabtauschen mit einer liebenswerten Nervensäge im Publikum - an diesem Abend nicht viel redete, erfuhren wir immerhin, dass der Magnetic Fields-Songs ein Hit sei, auf den sich früher die ganze Familie Liwa habe einigen können. Die wohl treffendste Coverversion war ob der musikalischen Färbung vieler neuer Songs allerdings "Samba Pa Ti". Außerdem war der Song an diesem Abend unfreiwillig komisch, denn der just erwähnte Zuschauer nutzte die Chance, Liwa ein Gespräch aufzudrängen - während dieser das berühmte Santana-Instrumental spielte! "Hoffentlich hat das jemand für YouTube aufgenommen", meinte Liwa anschließend trocken.

Tom Liwa
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er zu den neuen Songs im Allgemeinen und seiner neuen Adresse und den neuen Lebensumständen im Speziellen praktisch kein Wort gesagt, zum abschließenden "Geisterstraße", dem ob der ungewohnten Metrik kompliziertesten, aber vielleicht auch besten neuen Stück, verriet er immerhin, dass Geisterstraße 123 seine neue Adresse sei, bevor er bei der Zugabe sogar noch "Da war ich auch schon" spielte, geschrieben von Alexandra Gilles Videla, "die Mutter dreier meiner vier Kinder", wie Liwa sie verstörenderweise nannte, als gälte es, das Thema "neue Lebenssituation" mit einem Nebensatz auch noch abzuhaken. Das passte allerdings irgendwie zu diesem Abend: Leicht verdaulich war es sicher nicht, was Liwa in Dortmund auf die Bühne brachte, die Neugier darauf, wie die neuen Songs mit Bandbegleitung auf Platte klingen werden und Liwa seinen Weg weitergehen wird, wurde aber auf alle Fälle geweckt!
Surfempfehlung:
www.tomliwa.de
www.myspace.com/tomliwa
www.myspace.com/unteranderemmax
Text: -Simon Mahler-
Fotos: -Simon Mahler-


 
 

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