Dear Reader eröffnen den Abend und freuen sich sehr, gemeinsam mit den Hamburger Jungs auf TV Noir-Tour zu sein. In Herrenmagazin haben sie durch die Tour neue Freunde gewonnen, so Sängerin Cherilyn MacNeil. So bekommt die zweiköpfige Band bei ihrem ersten Lied auch gleich Unterstützung von Herrenmagazin-Bassist Paul Konopacka am Schlagzeug und Deniz als Background-Sänger. Gemeinsam mit Cherilyns E-Piano und, der Violine von Sam aus Kanada, dem zweiten Mitglied von Dear Reader und dessen fast schon klassischer Tenorstimme entstehen so schöne Harmonien.
Nach den drei Liedern von Dear Reader kommt auch der Rest von Herrenmagazin, der bisher auf dem Sofa herumlümmelte, nach vorne auf die Bühne. "Spitzenauftakt - erstmal stimmen", kommentiert Deniz, als sowohl Gitarrist Thorben Leske als auch er selbst gleich zu Beginn ihre Instrumente auf Vordermann bringen müssen. Danach starten Herrenmagazin ihr Set mit "Krieg". Schlagzeuger Rasmus Engler steht dabei ungewohnterweise hinterm Xylophon, während Paul das Schlagzeug bedient - die Herren haben sich für diese besondere Tour was einfallen lassen. Weiter geht's mit "Alle sind so", wobei Rasmus jetzt sogar an den Bass wechselt. Im Vergleich zu Dear Reader fällt auf, dass die reduzierten Versionen der Lieder bei Herrenmagazin deutlich spannender ausfallen, da der Kontrast zum üblichen Setup einfach größer ist. Das ist neu und zeigt interessante Facetten der Stücke, in denen in dieser Form deutlich mehr Raum für Deniz' Wahnsinnsstimme ist. "Das Gute an TV Noir ist ja, dass man sich gegenseitig ausleihen kann", stellt dieser fest, den Schellenkranz in der Hand. "Herrenmagazin profitiert dabei mehr", tiefstapelt er, worauf Thorben hämisch meint: "Wobei deine Rassel auch total toll ist." Als letztes Stück der ersten Runde Herrenmagazin folgt "In den dunkelsten Stunden" mit Sam an der Geige.
Nach dem zweiten Wechsel erzählt Cherilyn eine fast schon unglaubliche, aber witzige Geschichte: Ihr Urgroßvater habe Mahatma Ghandi gekannt, weil beide zur gleichen Zeit Anwalt gewesen sein. Im Lied "Man Of The Book" wird erzählt, wie beide Männer sich einmal ein Bett geteilt haben, weil Ghandi keins abbekam und ihr Urgroßvater versucht hat, Ghandi zum Christentum zu bekehren.
Nach erneutem Wechsel spielen Herrenmagazin "Lichter der Stadt" von ihrem ersten Album "Atzelgift". Rasmus sitzt dabei ein bisschen arbeitslos auf dem Sofa rum. Danach erklärt Deniz, dass Herrenmagazin ja mehr so Gute Laune-Musik machen. Mehr davon wird es im März 2013 geben, wenn das dritte Album erscheint. Auch Dear Reader veröffentlichen dann ihre dritte Platte - Deniz findet das toll, im Publikum zeigt sich auf seine Anküdigung jedoch keinerlei Reaktion - "ich find's offensichtlich viel krasser als ihr", so Deniz. Das fünfte Stück der Herren ist ein neues von eben jenem kommenden Album. Es trägt den Titel "Clinch". Prompt verspielt sich Thorben dabei, was zu einem Band-übergreifenden Lachkrampf führt. Nach kurzer Beruhigungspause geht's weiter. Der zuletzt etwas unterbeschäftigte Rasmus muss danach mal was sagen und kommt nach vorn an den Bühnenrand: "Ich sehe überhaupt kein iPhone, das andauernd Fotos macht. Das ist wunderbar!", fasst er die grauenhafte Situation auf vielen Konzerten heutzutage treffend zusammen. Darauf spielen Herrenmagazin "Gespenster" gemeinsam mit Cherilyn am Piano und Sam an der Geige. Passend zum Titel setzen sie dabei einen bedrohlichen Echoeffekt und eine unheilvoll stampfende Bassdrum ein.
Um 21:00 Uhr ist dann erst mal eine Pause von 15 Minuten angesagt - ein bisschen wie im Theater. "Wenn euch die Musik nicht gefällt, könnt ihr auch T-Shirts kaufen", weist Deniz auf den Merchandise-Stand hin. Dort trifft man treue Fans, die bereits alles von Herrenmagazin besitzen. Lustigerweise überdröhnt der Bass bei der an sich entspannten Pausenmusik alles. Während der Sets ist der Sound glücklicherweise aber hervorragend - das hat man im Uebel & Gefährlich auch nicht immer. Es ist gut, dass Herrenmagazin eine echte Rockband mit verzerrten Gitarre und allem drum und dran sind. Die Band aber einmal in diesem fast schon festlichen Rahmen zu sehen, ist schon etwas sehr Besonderes. Für gewöhnlich ist die Atmosphäre bei Herrenmagazin-Konzerten mit Schnaps und Pfeffi geschwängert, heute ist sie fast schon andächtig. Und Herrenmagazin können sich auch mal benehmen - wenn Dear Reader spielen, sitzen sie ganz gesittet auf dem Sofa, während Paul eine Weißweinschorle (!) schlürft.
Nach der Pause kommen drei Lieder von Dear Reader, dieses Mal ganz ohne Unterstützung von Herrenmagazin. In einem davon übernimmt Sam die fiktive Rolle von Cherilyns Freund, streitet ein eventuelles Verhältnis in der Realität jedoch auffällig schnell ab. Anschließend nutzt Thorben die Gelegenheit, seine Eltern im Publikum zu grüßen, die angeblich seit 1997 zum ersten Mal zu Besuch sind. Damals hätten sie ihn von einem Konzert abgeholt. "Hast du Bier getrunken?!", sei die einzige Frage gewesen, die sein Vater ihm gestellt habe - kennen wir ja schließlich alle. Danach kommt das fantastische "Lnbrg", dieses mal aber in einer Version mit einem stampfenden County-Beat. Rasmus sitzt dabei endlich auch mal am Schlagzeug, während Paul wie gewohnt Bass spielt. Cherilyn ist nach dem Stück ganz begeistert vom Publikum: "Die haben einen Chor hier in der ersten Reihe!" Dort sitzt auch der vermutlich größte Herrenmagazin-Fan. Er trägt ein selbstgemachtes T-Shirt mit der Aufschrift "Herren-Shirt". "Kann man wahrscheinlich in seinem Online-Shop kaufen", witztelt Thorben, bevor die Band ein weiteres neues Lied anstimmt.
Dear Reader unterstützen "Movember". Auch Cherilyn trägt in diese Rahmen Schnurrbart, so Sam - daher seien die beiden auch kein Paar. Cherilyn sagt: "This is you turn to entertain the people." Daraufhin versucht Sam sich in gebrochenem Deutsch an einer Ansage und macht darauf gleich mal einen etwa dreiminütigen Monolog - "this is going so well" kommentiert er scherzhaft seine Fremdsprachenkenntnisse und seinen plötzlichen Redeschwall. Als nächstes versuchen Dear Reader sich zu zweit an einem für vier Stimmen geschriebenen Chorstück. Hier zeigt sich die Nähe zum Kammer-Pop der südafrikanischen Band. Ausnahmsweise unterstützt Deniz sie dabei an den Drums, während Paul den Schellenkranz bedient. Warum nicht wenigstens Deniz als weitere Stimme miteinbezogen wird, wird nicht erklärt. Das kampfliedartige Lied kriegt tosenden Applaus. Deniz erzählt kurz, wie das Stück bei den gemeinsamen Proben der beiden Bands ankam: "Das müsst ihr singen!" war die geschlossene Reaktion der Herren. Tiefstaplend: "Jetzt kommen wir wieder...", bevor die Band "Aufrechter Gang" anstimmt. Als zehntes Stück spielt Deniz alleine noch einen neuen Song. Die anderen hätten ihn dazu ermutigt, nur um ihn scheitern zu sehen. 13 Mal hat er das Stück auf der Tour bereits gespielt - acht Mal davon seien gnadenlos schiefgegangen. "Zehn Mal", korrigiert Gitarrist Thornen. Schön, so ein harmonisches Bandgefüge. Als Deniz das Stück aber fehlerfrei und absolut tadellos (und schön) zu Ende bringt, schließt er direkt mit dem letztern Akkord ab: "100 Euro, vielen Dank!" und hat damit offensichtlich eine Wette gegen Thorben gewonnen.
Letztes Stück des offiziellen Sets von Herrenmagazin und des gesamten Konzerts ist "Keine Angst". Seitdem eine Freundin von Deniz namens Sophie einmal bemerkt hat, dass die erste Zeile des Lieds wie "Natolles geht nach Hause" klingt und Natolles ja auch eine Person - ein Grieche zum Beispiel - sein könne, kriegt Deniz das nicht mehr auf dem Kopf und kann beim Singen vor Lachen kaum an sich halten. Leider ist das Konzert danach schon um kurz nach 22:00 Uhr vorbei. Herrenmagazin haben aber einen "neuen Trend aus Berlin mitgebracht, der heißt Zugabenblock. Das machen da alle in Berlin." Die erste Zugabe ist ein Song von Dear Reader. In diesem Fall spielt Sam das Piano, während Cherilyn mit ihrer Akustikgitarre singt. Im Refrain wechselt Sam schnell zur Geige. Deniz unterstützt wieder als Background-Sänger, während Paul vorsichtig am Schlagzeug begleitet. Als zweite Zugabe gibt es "Geht nicht Nacht" von Herrenmagazin in voller Besetzung, also mit den vollständigen Herren, Cherilyn am Piano und Sam an der Geige. Dafür gibt es zum wiederholten Mal überwältigenden Applaus.