Was hat sich dieses kleine Juwel unter den Festivals in den letzten 15 Jahren herausgeputzt! 1999 noch als bessere Jugendzentrumsparty gestartet, gibt es hier mittlerweile Burn-in- und sogar Nachbereitungs-Events - heuer findet die Post-PPE-Party übrigens am 02.11.13 im grenznahen Baarlo statt. Und es gibt gleich mehrere exklusive Gelegenheiten für Publikum und Presse, vorab unveröffentlichtes Material zu hören. So beispielsweise von der ProgMetal-Formation
Thoughts Factory, die sich bereits 2011 um Keyboarder Sven Schornstein gegründet hat und deren Debüt "Lost" beim Pre-Listening keineswegs verloren ging, sondern von einem fachkundigen, gewogenen Publikum gewürdigt wurde. Auch wir waren von der Virtuosität der Truppe, nicht zuletzt von Markus Wittmanns Gitarren- und Bernd Schönegges Bass-Beiträgen, ebenso beeindruckt wie von der trotz der Wiedergabe auf einer relativ simplen Anlage professionell wirkenden Produktion. Auch Marcus Beckers meist recht getragener Gesang ist tadellos, wirkt aber immer dann am überzeugendsten, wenn er auf Chris Schlindweins Gast-Growls stößt ("Voices From Heaven") oder schon mal in Dream Theater-Manier Gas gibt ("No Way Out"). Die lyrischen Cello-Parts von Dario Albrecht fügen eine weitere, hochwillkommene Ebene hinzu. Für so etwas sollte sich doch eigentlich ein Plattenvertrag auftun lassen...
Solchermaßen perfekt eingestimmt, gab es alsbald im Hauptaustragungsort, dem Jugendzentrum Sjiwa in Baarlo mit Dimaeon die erste positive Überraschung. Zu den zahlreichen guten Traditionen des niederländischen PPE gehört auch, dass jeder der Haupt-Tage von einer einheimischen Combo eröffnet werden soll - mit dem erzsympathischen Quintett aus Leeuwarden tat man dabei einen echten Glückgriff. Sänger Ferdinand Wanders sieht wie eine Mischung aus verwildertem Theologiestudent und Riff Raff aus, aber wenn er growlt, gibt es kein Halten mehr. Die Komplexität von Songs wie "The Ruins Of Mankind" wiesen die Band als ProgDeather und als exzellente Samstags-Anheizer aus.
Next in line waren die Griechen Verbal Delirium. Nikos Nikolopoulos spielt live neben Mellotron(-Samples) auch Querflöte und Saxophon - ungewohnte, aber sehr willkommene Klangfarben auf diesem Prog-Festival. Nicht alle Zuschauer mochten sich zu dieser noch relativ frühen Stunde auf die überwiegend ruhigen, teils Shoegaz-igen Soundscapes von bis zu drei Keyboardern einlassen, aber ein interessantes Delirium ergaben diese mutigen Experimente allemal.
Die Finnen Oddland hatten wir dieses Jahr ja bereits auf dem Headway Festival erleben können. Nachdem die ursprünglich vorgesehenen Boil sich dieser Ehre durch Auflösung entzogen hatten, hatten die Veranstalter auf "user-generated line-up" gesetzt und alle Ticketkäufer demokratisch von einer Shortlist wählen lassen. Das relativ heftige, aber etwas melodienarme Set der vom Grunge her kommenden Wunschband kam im Plenum offensichtlich noch besser als bei uns an.
Nach der "Abendessen"-Pause fiel Hacride die Aufgabe zu, die PPE-Community aus der Verdauungsbeschaulichkeit aufzuschrecken. Dazu schien der zur Abwechslung mal vor Aufstellern statt Projektionen stattfindende Progressive Deathcore der Franzosen ausgezeichnet geeignet, auch wenn dies eigentlich eher ungewöhnliche Klänge für das PPE sind. Dieser wie der Auftritt von The Ocean am nächsten Tag waren wohl hauptsächlich der Kooperation zwischen den (nicht anwesenden) Machern des Kölner Euroblast-Festivals und der PPE-Mannschaft um Impressario René Janssen geschuldet. In jedem Falle fetzten Tracks wie "Synesthesia" oder "Act Of God" (vom starken "Lazarus"-Album) erheblich, auch wenn der eine oder andere regelmäßige PPE-Besucher Stücken wie "Edification Of The Fall" zuviel Brutalität und zu wenig Progressivität konstatierte.
Das Kontrastprogramm wartete schon: Haken scheinen derzeit nahezu Everybody's Darling in der Szene und haben auf das schon sehr erfolgreiche "Visions" dieses Jahr mit "The Mountain" noch einmal aufsatteln können. Besondere Aufmerksamkeit erhielten sie zudem, da dies die letzte Tour mit dem scheidenden Bassisten Tom Maclean war. Tatsächlich geriet der Auftritt zum Triumphzug - wohl selten ist eine Band von der herzlichen, aber auch kritischen PPE-Gemeinde derartig abgefeiert worden. "Atlas", "Memoriam" und "Flood", waren Highlights der Show. Der Humor der besonders professionell agierenden Briten zeigte sich u.a. in der schwer anzüglichen Zeichnung, die auf ihrer Setlist den angenehm nach Gentle-Giant klingenden "Cock(roach King)" illustrierte... Mit "Visions", dem Titelstück des Zweitlings endete ein Auftritt, der durch Präsenz und Nachdruck die latente Süßlichkeit mancher Passage auf den Studioalben völlig vergessen machte.