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Konzert-Bericht
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Stimmungsaufhellende Männergruppe
Chicago
Bonn, Kunst!Rasen 06.07.2014
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Chicago wird vom Billboard Magazine unter die 100 größten Acts aller Zeiten gezählt. Als sie die diesjährige Open Air-Saison auf dem Bonner Kunst!Rasen eröffnen, wirkt das Ganze teilweise wie das musikalisch prächtig untermalte Treffen einer Männergruppe: auf (mit neun Prachtexemplaren) wie auch vor der Bühne. Klar ist es weniger überraschend, wenn mehr Herren als Damen der Schöpfung zum Konzert einer Band erscheinen, die sich bereits in den Sechzigern gründete. Doch dass es gerade bei den ausgesprochenen Schmusebacken wie "If You Leave Me Now" die ganz alten Herren sind, die völlig enthemmt aufspringen und dabei noch so textsicher wie lauthals mitsingen, das hätte man so nicht erwartet.
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Dieser sich stetig wiederholende Effekt zeigt aber auch die starke positive Wirkung der gebotenen Therapie, die aus reichlicher Verabreichung von Pop zwischen Tränendrüsenballade und knalligem Discofunk besteht, welche mit sparsam eingesetzten Dosen Jazzrock kontrastierten, bei denen die Horn Section als Markenzeichen brilliert. Dabei kommt das soeben veröffentlichte "Now (Chicago XXXVI)" verdientermaßen nur mit zwei Songs zum Zuge. Nach dem idealen Einstieg mit "Introduction" und "Questions 67 & 68"bekommt der Titelsong eine Live-Premiere, jedoch sogleich gefolgt vom Publikumsliebling, besagtem "If You Leave Me Now". Währenddessen kann man sich an der fleischfarbenen Stratocaster von Kim Howland erbauen, an der unerschütterlichen Gutdraufigkeit von Nick Lane (für James Panko an der Posaune), den Faxen von Schwarzenegger-Lookalike Ray Herrmann (Saxophon, Querflöte), dem Neal Morse-artigen Pathos von Lou Pardini (key, voc), vor allem aber an der in hohen Lagen angenehm heiseren Stimme von Bassist/Sänger Jason Scheff, der dem Kanon mehr Soul statt Schmalz - jedenfalls im Vergleich zu Peter Cetera - verleiht und sogar "Will You Still Love Me" solo am "Klavier" ohne Peinlichkeit übersteht. Auffallend gediegen auch der druckvolle, aber nie zu laute, stets sehr transparent bleibende Sound überall auf dem Gelände. Für "Wake Up Sunshine" erhält Scheff wieder Unterstützung vom Percussionisten Walfredo Reyes Jr. (u.a. Santana) und Keith Howland.
Ab "Look Away", bei dem das Publikum erneut unaufgefordert mitsingt, gehört die Bühne für einen latent kitschigen Balladenblock Lou Pardini. Der Song, den Lee Loughnane (Trompete, Flügelhorn) singt, entpuppt sich als eine Art Bilitis-Soundtrack meets Joe Cocker. Auch "Hard Habit To Break" oder "You're The Inspiration" (Männer im Publikum schwenken mit leuchtenden Augen Wunderkerzen) gehen irgendwann vorüber. Doch zwischendurch gibt es ja auch noch Perlen wie das großartige "Does Anybody Really Know What Time It Is?". Und gibt es das unnütze, aber so charmant wie geschickt von Robert Lamm mitgeteilte Wissen, dass nur der Verzehr von Unmengen von "Gummi Bears" (vgl. Haribo) der Band das Durchhalten ihrer Longtracks ermögliche.
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Zeit für die Männergruppen-Hymne per se: "I'm A Man" und Zeit für ein phantastisches Duell von Walfredo mit Schlagzeuger Tris Imboden. Für „Saturday In The Park“ springen viele der 1.500 Zuschauer wieder von ihren Stühlen und schunkeln sich nach deutlich über zwei Stunden „Hard To Say I'm Sorry“ und der Klimax "25 Or 6 To 4" entgegen.
Perfektes Timing, auch was das Wetter angeht: Mit den letzten Tönen der Zugabe bricht das angedrohte Gewitter über Bonn los, mit Blitz, Platzregen und einem Sturm, der die Blätter von den Bäumen fegt und die Männergruppe schließlich zerstreut. Zerzaust, aber glücklich, ja gut therapiert sehen die meisten aus!
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Surfempfehlung:
www.chicagotheband.com
twitter.com/chicagotheband soundcloud.com/chicago_the_band open.spotify.com/artist/3iDD7bnsjL9J4fO298r0L0 www.youtube.com/user/chicagotheband1 plus.google.com/u/0/109035014572685307753/about myspace.com/chicagotheband de.wikipedia.org/wiki/Chicago_(Band) www.youtube.com/watch?v=bztvuMg-HlI
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Text: -Klaus Reckert- Foto: -Klaus Reckert-
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