Das Festival eröffnet The Midnight Union Band aus dem irischen Kilkenny, die schon zu früher Stunde um 15.00 Uhr für Begeisterung im Publikum sorgt - und das sicher nicht nur, weil auch eine Reihe Abgesandte vom Kilkenny Roots Festival vor Ort sind. Schließlich sind Frontmann Shane Joyce und die Seinen sehr geschickt darin, alle erdenklichen Americana-Spielarten mit einem Gespür für einen guten Groove zusammenzubringen, und obwohl sie sich dabei altbekannter Mittel bedienen, wird das Set des Quintetts nie langweilig. Weil am Ende ihres Programms bereits klar ist, dass Daniel Romano es nicht mehr ins Zentrum Altenberg schaffen wird, darf sogar noch eine ungeplante Zugabe her.
Steve Scullion ist ein gemütlich wirkender Vollbartträger aus Nordirland, aber auch der Singer/Songwriter Malojian, der auf seinem aktuellen Album "Southlands" Folk, Country-Rock und den zeitlosen Songwriter-Pop der 70er verbindet und damit auch in Oberhausen punkten kann. Anfangs noch allein mit der Akustikgitarre und Mundharmonika auf der Bühne, erinnert er mit seinen eigentlich unspektakulär wirkenden, aber dennoch eingängigen Songs ein wenig an Elliott Smith, vor allem, weil er für die letzten Nummern John Bleks Backingband The Rats auf die Bühne bittet. Da kann man gut verstehen, warum sogar der große Steve Albini zugestimmt hat, eine Platte für Scullion zu produzieren. Mit "Lean On Me" gibt es auch schon einen verheißungsvollen Vorgeschmack auf das kommende Werk und am Ende noch ein feines Neil-Young-Cover mit "Out On The Weekend" - schließlich kommt der nächste Act aus Kanada.
Nach dem eher schüchtern wirkenden Scullion bringen Leeroy Stagger nicht nur mehr Selbstbewusstsein, sondern auch in voller Bandbesetzung wesentlich mehr Lautstärke auf die Bühne. Die mitreißende Americana-Variante der Kanadier ist vom Punk beseelt, das beweisen nicht nur die tätowierten Arme der Musiker. Da gibt es einen Song namens "Joe Strummer", ausführliche Tiraden gegen US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump und natürlich auch arschcoole Sprüche wie: "Bitte kauft unsere CDs, wir brauchen Geld für unsere Kinder - und für unsere Drogen! Kleiner Scherz, wir haben gar keine Kinder!" Richtig kanadisch wird es dann am Ende, als bei der Zugabe das einst von Leonard Cohen populär gemachte "Passin' Through" auf dem Programm steht.
Nordamerika würde man auch als Heimat der Wynntown Marshals vermuten, denn ihre Musik klingt, so schrieb ein Kollege aus den Staaten bereits einmal treffend, wie "eine Liebeserklärung an Uncle Tupelo, Whiskeytown und den frühen Neil Young". Tatsächlich kommt das Quintett, das einst durch die Fürsprache des Gastgebers beim deutschen Blue Rose-Label gelandet war, allerdings aus dem schottischen Edinburgh und verbindet nicht nur wegen des tollen Harmoniegesangs bei vielen Nummern auf Platte wie auf der Bühne eine unverhohlene Liebe zu den großen britischen Pop-Bands der 60er mit Reminiszenzen an den US-Folk- und Country-Rock zwischen Crosby, Stills & Nash und den Eagles. Hätten Teenage Fanclub nicht zuerst die Beatles und Big Star und dann erst Neil Young entdeckt - sie würden vermutlich so klingen wie die Wynntown Marshals. Dass sie Rock und Pop gleichermaßen lieben, unterstreichen die Schotten ganz am Ende ihres Sets: Erst schwebt beim phongewaltigen Finale mit "Tide" der Geist von Neil Youngs Crazy Horse durch den Raum, die Zugabe ist dann aber eine feine Version der Bangles/Prince-Nummer "Manic Monday". Auch für Scherze bleibt noch genug Zeit: Dass im Publikum jede Menge Iren, Schotten und Kanadier sind und sich trotzdem niemand danebenbenimmt, das geht den Wynntown Marshals einfach nicht in den Kopf...