Bei unserer ersten Begegnung mit Sophie Chassée vor gerade einmal vier Jahren reichten der vom Niederrhein stammenden Musikerin zwei Akustikgitarren, um durch den Abend zu kommen. Auf der Bühne des für einen intimen Singer/Songwriter-Abend wie gemachten BürgerBahnhofs Vohwinkel verraten zwei Akustikgitarren, eine nicht zu übersehende doppelhalsige Harp Guitar, eine Stromgitarre, eine Loopstation und das Fehlen des sonst obligatorischen Stuhls in der Bühnenmitte bereits vor Konzertbeginn, dass dieser Auftritt eine andere Art von Dynamik haben wird. Tatsächlich darf man sich schnell einbilden, dass nicht nur die einschneidenden Erfahrungen im Privaten, die viele der Songs auf "Attachment Theory" inspiriert haben, deutliche Spuren hinterlassen haben, sondern auch die Tatsache, dass sie als Bassistin von AnnenMayKantereit in den letzten Jahren reichlich Arena- und Stadionluft schnuppern konnte und so für ganz andere Möglichkeiten der Präsentation auch ihrer eigenen Songs sensibilisiert wurde.

In Wuppertal verweisen zwar Songs wie "Haunting Shadow" oder "The Timekeeper" weiter auf Sophies Liebe zu Modern-Fingerstyle-Heroen wie Andy McKee, gleichzeitig ist aber auch unüberhörbar, dass sie sich inzwischen mehr den je mit John Mayer identifiziert, der sein Tun ja mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit aus der Nische heraus auf die ganz große Pop-Bühne bugsiert hat und Sophie vor einigen Jahren zu einem ihrer eingängigsten Songs, "City Lights", inspiriert hatte, der natürlich auch im BürgerBahnhof nicht fehlen darf. Vielleicht auch deshalb fühlt es sich ganz natürlich an, dass sie für "Someone" jetzt zur Stromgitarre greift und damit ungeahnten Drive in eine Nummer bringt, die zuvor unter den vielen Highlights im Set oft etwas untergegangen war. Bei "Friendzone" ganz am Ende bringt sie sogar beides zusammen und spielt ein E-Gitarrensolo über ihre geloopte Akustikgitarre!

Auch wenn Sophies neues Selbstverständnis und ihr gewachsenes Selbstbewusstsein auch in ihren inzwischen deutlich angriffslustigeren Ansagen zum Ausdruck kommt und inzwischen auch die unausweichlichen Mitmachparts - ein Highlight: die kommende Ohrwurm-Single "Stars" - zum guten Ton gehören, bedeuten die Veränderungen nicht, dass sie ihre Konzerte nun blindlings auf Pop und Kommerz trimmt. Nach der Pause unterstreicht sie mit dem emotionalen, ihrer verstorbenen Großmutter gewidmeten Instrumental "Last Journey Of The Wren" und zwei Songs auf der imposanten Harp Guitar, dass auch ihre virtuosen Fähigkeiten als Gitarristin dazu beitragen, die Bandbreite organisch auszuweiten.

Deshalb passt es perfekt ins Bild, dass sie sich als Cover-Version für die Zugabe ihres knapp zweistündigen Auftritts Tracy Chapmans "Fast Car" (inklusive Schlenker zu "Talkin' About A Revolution") ausgesucht hat, als wollte sie sagen: Seht her: Künstlerischer Anspruch und das Streben nach einer breiteren Öffentlichkeit müssen keine unüberbrückbaren Gegensätze sein. Aber dass Sophie weiß, wie es geht, ist ja schon länger bekannt.