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Konzert-Bericht
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Der Ruf des Südens
Bywater Call
Hannover-Isernhagen, Blues Garage 11.10.2024
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Begonnen haben die Sängerin Meghan Parnell und der Gitarrist Dave Barnes mit Cover-Songs, die sie in kanadischen Clubs und auf Hochzeiten darboten. 2017 gründeten sie in Toronto ihre siebenköpfige Band Bywater Call. Bywater ist ein Vorort von New Orleans: Straßen mit kleinen bunten Häusern, die Veranda vor dem Eingang, nette Restaurants und zahlreiche Musik-Clubs. Parnell und Barnes fühlen sich dort immer wieder hingezogen. Der Ruf des Südens spiegelt sich in ihrer Musik, einer mitunter fast rauschhaften Melange aus Southern Rock, Soul, Blues und Funk in der Tradition von Bands wie Little Feat oder der aktuell in diesem Genre-Mix sehr erfolgreichen Tedeschi Trucks Band. Mit der Blues Garage heißt sie ein Club willkommen, der mit seinem Americana-Flair und den liebevoll drapierten Devotionalien aus der Rockgeschichte wie für Bywater Call geschaffen zu sein scheint.
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Dort bieten sie in zwei Sets ein zweistündiges Konzert, das in der ersten Hälfte vor allem rockt, in der zweiten aber die ganze Bandbreite der Gruppe vorführt. Da blasen Julian Nalli und Stephen Dyte in das Tenorsaxofon bzw. in die Trompete, als seien sie die Memphis Horns aus alten Stax-Tagen, Meghan Parnell mit viel Soul in der Stimme lässt an Otis Redding denken. Dann eine Ballade, deren Liebesschmerz Dave Barnes mit dem Heulen seiner Gitarre noch mehr Dringlichkeit verleiht. "As If" beginnt Barnes mit einem brachialen Led Zeppelin-Riff. Eine Band, die Bywater Call offensichtlich schätzt, geht doch "Holler" in "Kashmir" über. Parnells Stimme, die locker den Wall of Sound der siebenköpfigen Band übertönt, kommt a cappella im Outro von dem Aretha Franklin-Cover "I Never Loved A Man (The Way I Love You)" besonders gut zum Ausdruck. Angeraut, leicht heiser, mitunter knapp vor dem Kippen und gerade deshalb mit so viel Gefühl gesegnet. "Colours" beginnt sie gar unverstärkt, zunächst nur von der Gitarre begleitet. Gelungen auch "Love the One You’re With", das sie ähnlich blues-rockig bringen wie Crosby, Stills, Nash & Young auf ihrer 1974-Tour, nur stimmlich deutlich ansprechender.
Und dann überzeugen Bywater Call, wenn sie ihre funkige Seite präsentieren. John Kervin, der sein Keyboard auch mal wie ein Honky-Tonk-Piano in einem Saloon klimpert, schafft mit Fender-Rhodes-Klängen viel Südstaaten-Flair, Dyte unterstützt Drummer Bruce McCarthy durch Schläge auf einen Percussion-Ring und die Bläser-Stöße akzentuieren den Sound. Mit "Turn It Around" wird der Funk durch Soul und Americana à la The Band angereichert, Parnell phrasiert nahe am Jazz; das Ganze Gebräu köchelt schließlich munter als Rhythm ’n’ Blues-Melange vor sich hin und bietet Mike Meusel Raum für ein grooviges Bass-Solo, bevor sich Instrument für Instrument wieder dazugesellen und den Topf fast zum Überkochen bringen. Gesteigert noch durch die Zugabe "The Way I Am", wenn Barnes Slapping-Akkorde schlägt, "Na na na"-Gesänge durch den Saal branden und die Bläser den J. B. Horns, der legendären Bläser-Sektion des Funk- und Soul-Altmeisters James Brown, in nichts nachstehen. Musikalisches Chili con Carne.
Nach drei gemeinsamen Alben in nahezu unveränderter Besetzung - nur der Keyboarder wechselte beim aktuellen Album "Shepherd" - sind Bywater Call, die bereits zum dritten Mal in der Blues Garage zu Gast sind, wunderbar eingespielt. Da greift ein Rädchen in das andere, und doch wirkt nichts, als werde ein Programm routiniert abgerissen. Auch wenn auf den CD-Covern steht "All songs written by Bywater Call", so entwickeln Meghan Parnell und vor allem Dave Barnes, der sogar ein Jazz-Diplom besitzt, in der Regel die Songideen, die sie dann mit ihren Mitstreitern weiterentwickeln und ausgestalten. Natürlich verdient man mit einer so großen Band auf Tour in einem wenig chartstauglichen Genre sicher keine Reichtümer, doch die Band kann von der Musik leben. Der Preis ist ein fleißiges Touren, was für Parnell und Barnes weniger problematisch ist, sind sie doch verheiratet.
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Auf der Bühne steht Parnell im Mittelpunkt, nicht nur wegen ihrer silbernen Glitzerstiefeln und den Tattoos, sondern vor allem durch Präsenz und Ausstrahlung. Gestenreich untermalt sie die Lyrics, animiert das Publikum zum Nachsingen, Mitklatschen und Tanzen, greift zum Schellenkranz, zieht sich aber auch mal zurück und überlässt ihren Mitstreitern das Feld: McCarthy für ein versiertes, aber unspektakuläres Schlagzeug-Solo oder ihrem Ehemann, der vor allem an der Slidegitarre Lavaströme über die Rampe fließen lässt. Mit einer ausgedehnten Fassung von "Everybody Knows", dem Auftakt ihres "Shepherd"-Albums, bringen sie in dem letzten Song vor dem Finale noch einmal eine Energie auf die Bühne, die an die wiedervereinigten Black Crowes erinnert. Die Fans in der Blues Garage hätten sicher nichts dagegen, wenn Bywater Call nach ihrer aktuellen Tour "All Over the World" ein viertes Mal im Club gastieren würden. Einstweilen müssen die zahlreich erworbenen LPs und CDs genügen, die von Parnell und Barnes signiert wurden. Ein wenig Small Talk gab’s obendrauf. Oder man folgt dem "Bywater Call" und reist nach New Orleans, spaziert an den bunten Häuschen entlang und schaut sich ein paar Konzerte an.
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Surfempfehlung:
www.bywatercall.com
www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/rockpalast/sendung-bywater-call-crossroads-2023-clip-bywater-call-crossroads-festival-2023-100.html www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/rockpalast/sendung-bywater-call-crossroads-2023-clip-bywater-call-im-interview-crossroads-festival-2023-100.html www.facebook.com/bywatercall www.instagram.com/bywatercall www.classicrock.net/bywater-call-ein-total-warmes-feeling/ www.youtube.com/watch?v=oOcZu1B_a94 www.youtube.com/watch?v=x2LqLl47xJ4
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Text: -Martin Jedicke- Foto: -Martin Jedicke-
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