Die Zeiten haben sich geändert: Michael Amott (zuvor: Carnage) hat 1993 die ehedem stilbildende schwedische Band Carcass verlassen und die Spiritual Beggars gegründet, die spätestens seit ihrem '98er Album "Mantra III" tierisch abräumen; das Luxor heisst schon lange Prime Club; und am 23.10. war letzterer Begegnungsort bis auf den letzten Steh- und Mosh-Platz gequetscht angefüllt mit langmähnigen Kuttenträgern.
Nach den Darbietungen der wenig einfühlsam zu diesem Job berufenen Vorgruppe Coach, die mit ihrem Britpop-verwandt klingenden Belanglosigkeiten für dieses Publikum nun wirklich nur als halbstündige Hürde zwischen sich und dem sehnsüchtig erwarteten Schwedenstahl empfunden werden mussten und einer wieder dreissigminütigen Umbaupause (der Großteil der Zeit ging drauf, weil ein Ventilator nicht ventilieren wollte, dafür hat man doch Verständnis) hiess es dann aber doch Bühne frei für die Beggars. Absoluter Blickfang ist Sänger Spice, ein berserkerhaft agierender Alptraum-Rübezahl, dem jemand einen Rickenbacker-Bass umgehängt hat. Er dirigierte die wild stagedivende Meute und erinnerte so mehr als einmal an Lemmy von Motörhead. Von Gitarristen und Band-Gründer Mike Amott war wegen seiner wild bangenden Matte zwar meist nicht viel zu sehen, aber umso mehr zu hören. Sehr sympathisch und überzeugend an Hammondorgel und tollen Backing Vocals: Per Wilberg. Den saubersten Sound hatte noch Schlagzeugtier Ludwig Witt. Aber auch das nur in Relation zu einem kleinen Club ständig so sehr clippenden Klanggerüst, dass mein rechtes Ohr sich beim zweiten Stück dem ungleichen Kampf durch Wegklappen entzog. Hier wäre weniger wirklich mal mehr gewesen...
Das Material mischte sich zu etwa gleichen Teilen aus Stücken von den gleichermassen begeisternden Alben "Mantra III" (komplett ausgerastet ist der Saal, als zum Ende hin das ständig geforderte "Euphoria" angestimmt wurde) und von dem plötzlich sehr viel melodischer - süchtigmachend melodischer - daherkommenden 2000er Silberling "Ad Astra" (Wonderful World, Per Aspera ad Astra, Left Brain Ambassadors, das reichlich frauenfeindliche Angel of Betrayal, ...). Wer die Stücke von CD gut kannte, dem fiel auf, dass die wunderschönen Gitarrenbögen von beispielsweise "Save Your Soul" vom aktuellen Album im gebotenen Matschsound einfach untergingen. Kein Wunder also, dass bei diesem Tourkonzept die magische Ballade "Mantra" gar nicht erst angestimmt wurde.
Aber da wird sich auf Tour sicher noch einiges einspielen. Fazit: Diese schwerarbeitende Band ist die 30 Deutschen Frischmäuse wirklich wert - BE THERE!