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Konzert-Bericht
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Von der Sonne verwöhnt
Immergut Festival
Neustrelitz, Bürgerseeweg 27.05.2005/ 28.05.2005
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Irgendwie hatte man immer Angst um dieses intimste, niedlichste Festival der Open Air-Saison. Kann es ewig so schön bleiben? Seit es vor fünf Jahren das erste Mal im schönen MeckPomm an den Start ging, bot es feinsten Indie-Pop aus heimischen Landen abseits des Mainstreams. Alle Underground-Größen von Tocotronic bis zu den Sportfreunden gaben sich hier bereits die Klinke in die Hand und wenn die Macher nicht freundliche Nerds, sondern Geschäftsleute wären, hätten sie das Festival schon längst in eine kommerzielle Goldgrube verwandelt, damit aber gleichzeitig seinen Zauber zerstört. Doch zum Glück war auch 2005 alles beim alten. Man behielt die intime Größe bei, was zudem den Vorteil hatte, dass die Karten bereits ausverkauft waren, bevor die Headliner feststanden. Und als die vermeintlich ganz großen Namen nicht bestätigt wurden, konnte man so manche Karte bei eBay spottbillig kaufen. Wer Headliner einzig nach Verkaufszahlen bemisst, war vielleicht ein wenig enttäuscht vom Line-Up, der Liebhaber ausgewählt guter Popmusik fand sie jedoch auch dieses Jahr wieder: Die Headliner des Herzens!
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Den Anfang machten an diesem sonnig-warmen Freitag die belgischen Elektro-Plukkerer Styrofoam. Die Labelkollegen von Lali Puna oder Ms. John Soda schienen wie gemacht für diesen Eröffnungsslot auf der Hauptbühne. Die bereits zahlreich anwesenden Zuhörer waren jedenfalls von den stark Notwist-beeinflussten Stücken der Belgier durchweg begeistert und so gab es für diese frühe Zeit ungewöhnlich viel Beifall. Weiter ging es im Zelt mit den Kölner Senkrechtstartern von Timid Tiger. Neues Signing von L'Age D'Or und eine tolle Livekapelle, dieser Ruf war ihnen vorausgeeilt. Mit ihrem schmissigen Cartoon-Pop gelang es ihnen schnell das hitzegeschädigte Publikum zum Tanzen und Mitwippen zu bringen. Fein! Auf der Hauptbühne folgte nun bereits eine der sozusagen "nachnominierten" Bands und gleich ein doch recht großer Name: Last Days Of April aus Schweden. Doch um es vorwegzunehmen: Es war der schwächste Act des Festivals. Wie ihre Landsleute von Fireside vor zwei Jahren merkte man den Schweden ihre Lustlosigkeit bei jedem Ton an. Schade, denn eigentlich sind LDOA eine klasse Band. Dafür rockten im Zelt die Amerikaner von Koufax gehörig und gutgelaunt, was das Publikum mit großer Begeisterung honorierte. Auf der großen Bühne kam nun eine Band, die der eine oder andere vielleicht auf diesem Festival vor zwei Jahren kennen und lieben gelernt hatte. The Robocop Kraus aus Nürnberg hatten 2003 im Zelt einen der vielleicht beeindruckendsten Auftritte ever hingelegt und man hatte ein wenig Sorge, ob das auch auf der großen Bühne funktionieren würde. Es funktionierte. Sänger Thomas Lang sprang in gewohnter Manier herum, es gab alte Hits und einige Stücke der demnächst erscheinenden neuen Platte "They Think They Are The Robocop Kraus" zu hören. Erste Crowdsurfer wurden gesichtet. Und als ob dieser Auftritt nicht schon ein kleiner Höhepunkt gewesen wäre, folgte mit Tobias Kuhn alias Monta im Zelt ein Songwriter, dessen Stimme und Intensität man sich kaum entziehen kann. Schauen Sie sich diesen Mann live an. Besonders eindrucksvoll war wieder die gänsehauterregende Coverversion von Blacks "Wonderful Life". Auf der Hauptbühne galt es nun für die Älteren der eigenen Jugend zu gedenken. Nada Surf, die Heroen des US-Indierocks, hatten sich angesagt und bewiesen eindrücklich, wie klassischer College-Rock klingen muss. Leicht hatte es diese Band nie! Mit dem Hit "Popular" und dem dazugehörigen Album "High / Low" abgefeiert, setzte sie die Plattenfirma pünktlich zum zweiten Album vor die Tür. Dabei war "The Proximity Effect" nicht nur Weiterentwicklung, sondern auch das bis dato beste Album der Band. Das Immergut-Publikum jedenfalls wusste die Qualitäten dieser Jungs zu schätzen und klatschte brav, auch oder gerade weil die Band "Popular" nicht spielte. So oder so, ein großartiges, energetisches Set! Da tat es richtig gut, dass die Girls In Hawaii aus Belgien es im Zelt nicht so schnell angingen. Hier war Luftholen und Genießen angesagt. Der Headliner diese Tages stand nun auf der großen Bühne: Moneybrother. Durchaus ein Künstler, der ähnlich Adam Green im Vorjahr, das Publikum zu spalten vermag. Für die einen ein überschätzter Kuttner-Hype, andere sind vollends begeistert. Die Wahrheit lag an diesem Abend irgendwo dazwischen. Musikalisch lagen die Songs des Schweden im souligen Rock verwurzelt, eine Prise Style Council und Dexy's Midnight Runners und eben eine Bühnenshow die auch Herr Green nicht besser hinbekommen hätte. Und ansonsten - wie sagte doch die nette Frau neben mir: Das Auge hört ja auch mit! Nach so einer schlüssigen Erklärung popmusikalischer Phänomene sei es dem Rezensenten verziehen, dass er sich diesen schönen Gedanken nochmal im kleineren Kreis erklären ließ und sich die Puppetmastaz nicht mehr angucken konnte. Man(n) hat sicherlich nichts verpasst!
Am Samstag startete das Immergut traditionsgemäß mit dem Immergutzocken-Fußballturnier oder dem alternativen Baden in einem der wunderbaren Seen in der Nähe des Festivalgeländes. Letzteres war, angesichts der Hitze, sicher die angenehmere Variante. Mit Florian Horwath und Angelika Express hatten zwei sehr gegensätzliche Acts die Aufgabe, auf den heutigen Tag einzustimmen. Ersterer hat gerade mit "We Are All Gold" eine wunderbare, ruhige Debütplatte herausgebracht, die in ihrer Zerbrechlichkeit manchmal ein wenig an Maximilian Hecker erinnert und auch live funktionierte das vor den noch nicht so zahlreichen Zuschauern ganz großartig. Ein ganzes Stück voller war es dann, als die "Kölschen Hives" alias Angelika Express die Hauptbühne betraten und gehörig rockten. Da gab es ziemlich jeden Hit, von "Ich bin kein Amerikaner" bis zum beschaulichen "Teenage Fanclub Girl". Da war man froh, dass im Zelt mit den postrockigen Tönen von Seidenmatt wieder etwas Entspannung angesagt war. Auf der Hauptbühne wurde dann wieder ein oder zwei Gänge hochgeschaltet. Die junge Band Madsen aus dem Wendland, deren Single "Die Perfektion" im Radio und Musikfernsehen bereits rauf und runter läuft, schickte sich an, jugendliche Teenage-Angst zu verbreiten und das gelang eindrucksvoll. Nicht dass man das alles nicht schon zigmal gehört hätte, aber so wütend und gleichzeitig melodieverliebt hatten sich Tocotronic auf "Digital ist besser" auch mal angehört und warum sollten Madsen an dieses Erfolgsrezept nicht anknüpfen dürfen! Mächtig Schwung hatten im Zelt auch die Berliner von Kate Mosh, deren klassischer Indie-Rock zwar ein wenig old-fashioned wirkte, aber doch irgendwie cool klingt. Vielleicht liegts an der Stimme, die manchmal sehr nach Robert Smith klang. Aber so ist's bei Hot Hot Heat ja auch! Auf der großen Bühne konnte man sich dann bei einer ganz, ganz großartigen Band wieder ausruhen, endlich mal ne Bratwurst essen und einfach nur daliegen und den ruhigen, knarzenden Klängen von The Album Leaf lauschen. Entspannter geht's nicht. Im Zelt folgte einer der Höhepunkte des Festivals, zumindest für die über dreißigjährigen Festivalbesucher. Die Boxhamsters, die kleine niedliche Punkrocklegende aus Gießen, die mit "Demut & Elite" auf L'Age D'Or ein wunderbares Album veröffentlicht hatten, erfreuten eine pogende und tanzende Masse mit alten Hits von "Klostein" bis "Große Augen". In punkto Spielfreude und Begeisterung konnten sich da einige Nachwuchsrocker etwas abschneiden. Als Zugabe gab's dann noch "Ðiên Biên Phú" vom letzten Longplayer, dann war Schluss. Zu mehr hätte die Puste ohnehin nicht gereicht! Wie schön, dass bei Kante auf der Hauptbühne dann wieder angenehmes Relaxen angesagt war. Toller Auftritt übrigens.
Doch der Höhepunkt des diesjährigen Festivals waren nicht die auf der Hauptbühne folgenden Maximo Park, sondern die Band, die zunächst im Zelt spielte: Ms. John Soda. Zugegeben, eine solche Einschätzung ist höchst subjektiv, aber was die Truppe um Couch-Keyboarderin Stefanie Böhm und Notwist-Member Micha Acher hier bot, war phänomenal. Wer schon vom letztjährigen Lali Puna-Gig begeistert war, musste zugeben, dass bei Ms. John Soda Rock und Elektro die energetischste und spannendste Symbiose eingehen. Man darf sich aufs neue Album im Herbst freuen. Wahnsinn! Um es gleich vorweg zu nehmen: Auch der Gig von Maximo Park war mehr als durchschnittlich. Was die englischen Newcomer aus Newcastle hier boten, rechtfertigt jeden Pressehype. Klasse Songs, ein toller Sänger und mit "A Certain Trigger" ein Debütalbum voller Hits. Was will man mehr? All jenen, die vorher nach Headlinern geschrien hatten und im Immergut-Gästebuch rummaulten, sei gesagt: Es gab sie wieder mal, die Bands, die besonders hervorstachen und was sonst sollten gute Headliner sein? Ach ja, da war noch was? Richtig, Deichkind im Zelt! Ein wenig zu albern, um an dieser Stelle Worte zu verlieren. Bei Interesse vielleicht mal bei Kollegen einschlägiger HipHop-Magazine nachlesen. Melody Club leider wegen Deichkindvermeidung verpasst. Aber nächstes Jahr wird es wieder ein Immergut geben, wieder wird man es nicht jedem Recht machen können und trotzdem werden wieder alle da sei - also rechtzeitig Karte kaufen!
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Surfempfehlung:
www.immergutrocken.de
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Text: -Carsten Wilhelm- Foto: -Carsten Wilhelm-
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