Zunächst eröffnet Liz Durrett den Abend. Alleine, an der Gitarre und ziemlich großartig. Ihre Songs sind sehr fokussiert, getragen, einfach. Ein paar simple, teils gebrochene, teils geschlagene Akkorde, viel mehr Instrumentierung gibt es auch auf ihrer aktuellen Platte "Husk" nicht zu hören. Das Extraordinäre an Liz Durrett ist ihre wundervolle, ätherische Stimme, die derart hervorragend zur Geltung kommt. Ein wenig fühlt man sich an Julie Doiron und Chan Marshall erinnert. An zweitgenannte Insbesondere wegen der außergewöhnlichen, etwas abwegigen Coverversionen - an diesem Abend Lou Reeds "Perfect Day".
Nicht nur ausnehmend hübsch war ihr Vortrag, sondern auch die perfekte Einstimmung auf die zweite Etappe des Konzertabends. Denn wie bereits angedeutet, sollte auch hier nicht die Beherrschung der Instrumente entscheidend sein. Liz verschanzte sich hinter einem großen Notenständer und erledigte ihren Job mit stoischer Zurückhaltung. Tina bediente mit hoher Aufmerksamkeit und minimalen Mitteln ein minimalistisches Drumset. Zusammen mit Vics reduziertem Gitarrenspiel wurde so eine solide Kulisse geschaffen, die seinem Gesang sehr viel Raum ließ. Vor ihr entwickelte Vic Chesnutt in epischen Interpretationen erstaunliche Spannungsbögen, die er auch über die volle Distanz zu halten vermochte. Besonders ergreifend, wenn Liz ihre entzückenden Backingvocals beisteuerte.
Wie beim kryptischen "Guilty By Association", das schon von Joe Henry und Madonna gecovert wurde. Zu dem Song gibt es dann auch eine launige Ansage, die Entstehungsgeschichte. Nach einem gemeinsamen Auftritt saß Chesnutt mit Bob Mould im Backstage-Bereich eines Clubs, als ein ziemlich ansehnlicher weiblicher Fan den Raum stürmte und in einem hysterischen Lamento Vic folgende, inspirierende Mitteilung machte: "I love you! You know Michael Stipe and I love Michael Stipe. I want to touch you! I want to touch someone who touched Michael Stipe. I want to have his baby!"
Die erste Hälfte des Konzertes war den beiden letzten Platten gewidmet, dann kamen auch die frühen und sehr frühen Songs aufs Tapet. Zur großen Begeisterung des Publikums, denn viele haben Chesnutts Karriere wohl von Anfang an verfolgt. Der Altersdurchschnitt lag so um die 40 Jahre. Die Generation, die für die Musikindustrie als Käuferschicht immer wichtiger wird, konnte sich dann auch über die Zugabe "Actual Quote From An Actual Fan" amüsieren. Hier berichtet Chesnutt von einem angetrunkenen jungen Autogrammjäger, der erzählt, dass er sich alles was er von Chesnutt finden konnte aus dem Netz gezogen hat. Er würde eigentlich gerne eine CD oder ein T-Shirt kaufen und Vic eine Widmung draufschreiben zulassen, aber das Bier hier sei eh schon so teuer. Eine eine Eintrittskarte, auf der er unterschreiben könnte, habe er auch nicht, da der befreundete Türsteher ihn umsonst rein gelassen hat. So bittet er den konstatierten Künster im Refrain: "Can you sign my iPod?"