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Konzert-Bericht
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Punkrock ist nicht tot
Art Brut
iDou/ Ben Lee
Berlin, Roter Salon/ Münster, Gleis 22 15.09.2005/ 17.09.2005
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Die Hype-Maschinerie der britischen Musikpresse läuft auf Hochtouren und man muss schon arg aufpassen, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Da werden uns Namen wie The Subways, The Rakes, Nine Black Alps, Hard-Fi oder die Editors um die Ohren geschlagen und letzlich bleibt das ganze Geschmacksache. Großartigen Geschmack beweisen jedenfalls Art Brut aus Bournemouth, die spätestens nach diesem Auftritt jedes Hype-Geschrei rechtfertigen. Dass die Band der Stunde ihren Popkomm-Showcase ausgerechnet im doch recht kleinen Roten Salon absolvieren sollte, verwunderte doch sehr. "Ausverkauft" stand bereits Stunden vor dem Auftritt in großen Lettern am Eingang der Volksbühne und man war froh, auf der Gästeliste zu stehen oder rechtzeitig eine Karte ergattert zu haben.
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Den Anfang machten an diesem Abend iDou aus London. Zwei Typen mit Gitarren und einem iPod-Shuffle. Wen das Ganze schon nach wenigen Takten stark an Carter USM erinnerte, der lag intuitiv richtig, denn hinter iDou verbergen sich ex-Carter USM-Gitarrist Les Carter und sein Kompagnon Richard Crocky. Ihre krachigen und witzigen Stücke kamen beim Berliner Publikum jedenfalls großartig an und an einer Zugabe kamen die Beiden nur vorbei, weil dem taktgebenden iPod der Saft ausging. Danach herrschte auf der Bühne geschäftiges Gitarrenstimmen, das Publikum bewegte sich nochmal Richtung Bar, um sich getränketechnisch auf ein schweißtreibendes Set vorzubereiten. Als Eddie Argos und seine Jungs plus Bassistin Freddie Feedback die Bühne entern, gab es für die ersten Reihen kein Halten mehr, obwohl noch kein Ton zu hören war. Sichtlich aufgedreht und gutgelaunt begann die Band ihr Set mit dem programmatischen "Formed A Band". Der Saal kochte bereits als Argos den Song "My Little Brother" ankündigte. Danach ging es eigentlich Schlag auf Schlag, Hit auf Hit. Eddie Argos fragt die Band: "Are you ready, Art Brut?" Und los gings. Trommler Mikey B drosch stehend auf seine Drums ein, Eddie Argos sprang ins Publikum und feierte Songs wie "Emily Kane" oder "Bad Weekend" wie ein Fest. Die Hitze im Roten Salon war inzwischen kaum noch erträglich und doch wollte diesen Auftritt niemand verpassen.
"Punkrock ist nicht tot", schrie Eddie Argos auf Deutsch ins Publikum und schaffte es tatsächlich, selbst dem letzten Zweifler das Gefühl zu geben, hier einer ganz außergewöhnlichen Band zur richtigen Zeit lauschen zu dürfen. Bleibt zu hoffen, dass sie diese Energie auch in größeren Hallen entfalten. Wir hingegen waren froh, diese Band in einem so intimen Rahmen hören zu dürfen. So und nicht anders muss Rock N Roll klingen. Danke, Eddie!
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Zwei Tage später in Münster ähnliche Szenen: Ein weiteres ausverkauftes Konzert, ein weiteres kurzes, heftiges Set. Natürlich nur eine gute halbe Stunde und damit kaum so lang wie der Support Act auf der Bühne zu stehen, ist schon arg kurz, aber den mehrmaligen Hinweis auf den neuen Gitarristen Jasper The Future, der an diesem Abend sein viertes Konzert mit Art Brut bestritt, hätte es dennoch kaum gebraucht. Schließlich spielten die Briten (fast) ihre komplette LP, und mehr hatte eigentlich niemand verlangt. Zur Auflockerung gab es noch den nur auf der Vinylversion zu findenden Song "These Animal Menswe@r" (muss man eine Band mit solchen Songtiteln nicht einfach lieben?) und das Mantra-artige "Art Brut - Top Of The Pops" als Zugabe. Auch wenn die Band es mit der Feierei am Tag zuvor in Hamburg etwas übertrieben hatte - auch an diesem Abend ließen sich die Herren und die Dame nach dem Schlachtruf "Are you ready, Art Brut?" nicht lange bitten und brannten ein weiteres Mal ein Rock N Roll-Feuerwerk ab - mit Songs wie "Bang Bang Rock & Roll" oder "Moving To L.A." natürlich auch ein Leichtes. Bei letzterem Song war es an diesem Abend übrigens das "German weather", nicht das englische, das Sänger Eddie in die Ferne schweifen ließ. Apropos Deutsch: Für Frau Feedback war der Auftritt fast eine "Hometown Show" - das Studium hatte sie nach Münster verschlagen.
Den Support in Münster besorgte davor kein Geringerer als Ben Lee, dessen "Band" an diesem Abend aus der wie er aus Australien stammenden Alleskönnerin Lara "Stix" Meyerratken bestand. Die saß früher bei der Kultband Sneeze aus Sydney am Schlagzeug, war später Aushilfskeyboarderin bei Nada Surf und hatte zuletzt auch bei Eric Bachmanns Crooked Finger die, ähm, Finger mit im Spiel. Zu zweit - Ben an der Akustikgitarre, sie an Tamburin und / oder Spielzeugklavier - bewiesen sie locker und humorvoll, dass für Ben der Zug Richtung Popstarkarriere zwar wohl inzwischen abgefahren ist, seine Songs trotz des etwas enttäuschenden neuen Albums "Awake Is The New Sleep" über jeden Zweifel erhaben sind. Zumal sich Ben größte Mühe gab, ein möglichst breites Spektrum abzudecken. Von seiner alten Hymne "I Wish I Was Him" (seiner als 14-Jähriger mit der Band Noise Addict verfassten Hommage an Evan Dando, die später nicht nur Dando selbst, sondern auch Kathleen Hanna von Bikini Kill / Le Tigre coverten) über das frühe Solowerk "Cigarettes Will Kill You" bis hin zu neuen Stücken wie "Catch My Disease", bei dem Ben lässig die Namen austauschte. Statt Good Charlotte, Sleepy Jackson und Beyoncé wurden an diesem Abend Rammstein, Sarah Connor und Ben Lee "im Radio gespielt"! Die letzte Nummer war ihm dann so wichtig, dass er sich eine junge Dame auf die Bühne holte, um die Ansage übersetzen zu lassen. Die Botschaft: Wenn Ben ein eigenes Land hätte, wäre der Song die Nationalhymne. Leider beschloss er dann, das Stück unplugged und ohne Mikro auf der DJ-Kanzel zum Besten zu geben - unhörbar für die meisten im Gleis. Ein feiner Auftritt war's dennoch allemal!
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Surfempfehlung:
www.artbrut.org.uk
www.ben-lee.com
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Text: -Carsten Wilhelm (B) / Carsten Wohlfeld (MS)- Foto: -Pressefreigabe-
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