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Hoch die Tassen!

Wir sind Fucking Independent Festival 2005

Köln, Blue Shell / Stereo Wonderland
01.10.2005/ 02.10.2005

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Wir sind Fucking Independent 2005
Ganz so, als gäbe es keine Krise in der Branche, haben es die Macher des Fucking Independent Festivals geschafft, eine feste Größe links der Mitte im Kölner Konzertkalender zu etablieren. War die Sache anfangs nur eine - sicherlich von vielen belächelte - romantische Idee und eine Trotzreaktion auf das Abwandern der Popkomm, ist WSFI mittlerweile zu einer beeindruckenden Plattform und einem Sammelbecken für Talente jenseits des Mainstreams geworden. Als gemeinsamer Nenner zählt dabei eigentlich nur das "fucking independent" auf der Flagge - musikalisch ist dann alles drin. Mittlerweile ist das Festival breiter und internationaler angelegt denn je. Neben der wie üblich sorgsam ausgesuchten Schnittmenge aus deutschen, amerikanischen und englischen Acts (sowohl etabliert wie nachwachsend), stießen dieses Mal zum Beispiel Bands aus Dänemark und den Niederlanden hinzu, um das bunte Bild abzurunden.
Aus Anlass des immerhin fünfjährigen Jubiläums der großen Sause begann dieses Mal alles bereits zwei Tage vor den eigentlichen Konzerten mit einer Party zum Einstimmen im legendären Rose Club. Party ist ja sowieso ein wichtiger Bestandteil beim WSFI, denn die Konzertabende klingen in beiden Clubs mit DJ-Sets aus. Was im Vergleich zu den vorangegangenen WSFIs auffiel, war die entspannte Atmosphäre, in der alles ablief. Der Zeitplan war nach vorne gerückt worden, so dass genügend Luft nach hinten raus blieb und es gab nur noch eine Kasse, was die Sache organisatorisch vereinfachte. Des Weiteren waren professionelle Soundtechniker zugange, die die Technik unauffällig aus dem Hintergrund steuerten. Zwar war es prinzipiell wieder so, dass die "größeren" Acts im Blue Shell aufspielten und die "kleineren" im Stereo Wonderland - was jedoch nichts über die Qualität aussagte. Der erste Abend bot erste Höhepunkte mit DM Bob und Country Jem, John Wayne Shot Me und Major Matt Mason (der am zweiten Tag gleich nochmal als Hälfte von Schwervon auftrat), jedoch war es der zweite Teil, der dieses Mal die absoluten Knaller bot. Nachdem im letzten Jahr Jeffrey Lewis die Fahne des Antifolk erfolgreich im Blue Shell gehisst hatte, war es jetzt die Göttin des Genres selber, Kimya Dawson, die für Furore sorgte. Hier gab es gleich auch die bemerkenswerteste Situation zu verzeichnen: Kimya bat die Zuschauer, sich hinzusetzen und diese taten das auch brav. So hatte man das Blue Shell wahrlich noch nicht gesehen. Es folgte dann eine gute Stunde High-Speed-Wortkaskaden und überschnelles Fingerpicking, was Kimya mit geschlossenen Augen und unterstützt von dem am Boden sitzenden Co-Sänger Matt absolvierte. Tracks ihres aktuellen Albums, "Hidden Vagenda", neues Material eines vermutlich im März erscheinenden Albums sowie Songs über ihren Bruder bildeten dabei das Rückgrat der Setlist (die so klein geschrieben war, dass sie sie selbst nicht mehr lesen konnte). Interessant hierbei, dass gerade diese Ikone der Coolness bei ihrem Auftritt so gar nicht cool, sondern hochgradig nervös war. Das machte die Sache aber sehr schön menschlich.

Vorher überraschten im Wonderland The Stupids, die kurzfristig eingesprungene Kölner Lokalmatadoren von Clayton Farlow - mit ausgezeichnetem neuem Programm (und endlich einer regulären CD) irgendwo zwischen Manic Street Preachers, Art-Rock und vollkommen eigener Note sowie die Nylonstrumpf-tragenden The Killbright Grocerys aus England mit krudem 2-Riff-Fun-Punk. Und wenn da mal nicht die halber Kölner Szene unter den Gesichtssocken steckte! (Oder waren das alles Zwillings-Clones?) Für viele die eigentliche Überraschung des Abends war aber mit Sicherheit der Auftritt der Broken Beats. Das dänisch-deutsche Quintett um Mastermind Kim Munk überzeugte auf der ganzen Linie mit einer Live-Präsentation, wie man sie heutzutage gar nicht mehr so oft zu sehen bekommt: Hier war jemand, der von einem inneren Feuer getrieben wurde und seine zum Teil charmante Weltsicht mit Witz und Verstand in atemberaubende Gitarrenpop-Songs zu verpacken weiß, die live noch mal mindestens drei Stufen enthusiastischer dargebracht wurden als auf den ohnehin schon alles andere als uninspirierten Tonträgern. Munk verstand sich dabei obendrein auch als spaßiger Entertainer, der seine Songs mit irrem Sprachmix aus Englisch und Pidgin-Deutsch radebrechend kommentierte und so manches Schmunzeln auslöste. Dabei wurde er von seiner wahrlich virtuosen Musikantentruppe unterstützt, der wirklich kein Tempiwechsel zu plötzlich, kein Solo zu impulsiv und keine Songstruktur zu komplex sein konnte. Dass obendrein alle fünf Protagonisten des Harmoniegesanges mächtig waren, schadete ebensowenig wie die Tatsache, dass sich sowohl Munk wie auch seine Bassistin gesangstechnisch geradezu gehen ließen und mit Falsetto, Kopfstimme und bloßem Gejaule die Songs vor sich hertrieben. Obendrein können die Broken Beats auch noch abrocken (und -swingen). Wenn das mal nicht die Zukunft des Rock'n'Roll gewesen war!

Ebenfalls cool und überzeugend war der Auftritt von Schwervon, die mal zeigten, wo's langgeht, wenn ein Gitarren-Drums-Duo paritätisch agiert und nicht von einem Jack White dominiert wird. Das war die schmutzige, kleine Unterseite des Schrammelrock, so wie sie dem rechten Independentler lieb ist. Und das, obwohl Major Matt Mason an dem Tag 16 x Stuhlgang und Nan Turner sich bereits übergeben hatte. Kimya Dawson stand derweil die ganze Zeit vor der Bühne und begutachtete ihre Freunde aus New York wohlwollend. Das "Restprogramm" - Potato Fritz und High Quality Girls (natürlich keine Girls sondern zwei spröde Herren) aus Hamburg, Mobile aus Berlin, die Riot Grrrls von Tittisee aus Köln und Pit Er Pat aus den USA boten dann solide Alternative-Kost mit Gitarren. Überhaupt war der Elektronik-Anteil dieses Mal vergleichsweise gering: Außer der Synthie-Beatbox der High Quality Girls wurde die Kirche im Dorf belassen. Und abschließend darf gesagt werden, dass sich die WSFI-Macher mit diesem Programm wohl selbst übertroffen hatten - was natürlich darauf hoffen lässt, dass die Sache in diesem Stil auch weitergeht. Irgendwer muss ja die Szene am Leben erhalten...

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Surfempfehlung:
www.fuckingindependent.de
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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