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Konzert-Bericht
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What Would the Community Think?
Kimya Dawson
Jason Anderson/ Tiger Saw
München, Kafe Kult 23.11.2005
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Das sympathische Kuschelkollektiv namens Tiger Saw hat uns erst kürzlich mit einem "Sing" betitelten Album voller entspannter Mitsing-Nummern begeistert und so waren wir schon etwas erstaunt, als wir im Vorfeld des Konzertes nicht mehr als drei Personen auf dem abgewetzten Sofa im Backstage des Kafe Kult antrafen: Kimya Dawson, Jason Anderson und Tiger Saw-Frontman Dylan Mentrano. Das finanzielle Risiko war einfach zu groß, erklärt der schmächtige Anfang-20er und so seien Jason und er alleine losgezogen. Kimya hat sich dann an die beiden rangehängt und hier sei man nun.
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Ein bedauerlicher Umstand, denn so richtig überzeugen konnten uns die skelettierten Versionen der eigentlich tollen Songs nicht. Und wirklich wohl fühlte sich der schüttere Brillenträger allem Anschein nach auch nicht, als er mit seiner Gitarre vor der Bühne des alternativsten der alternativen Clubs der Stadt Position bezog. Vier, fünf Songs, höflicher Applaus – das war's. Als dann wenig später Jason Anderson ans Ruder ging, schien Dylan regelrecht erleichtert. Jason käme aus der gleichen Kleinstadt in Massachusetts und wäre auch auf dem Tiger Saw-Album zu hören. Da gäbe es nicht viel zu tun, außer Radtouren und Wanderungen zu unternehmen und natürlich Musik zu machen. Und ja, "My Friend Kyle", von dem Jason eben singt, ist Kyle Field aka Little Wings. Wieder ein Kreis, der sich schließt.
Ganz anders als Dylan Mentrano gab sich Jason Anderson dann alles andere als schüchtern, baute sich vor der Bühne auf, jeder sollte einen Schritt näher kommen, ja und noch einen und jetzt würde gleich getanzt. Vorher müssen die Konzertbesucher aber noch auf die gemeinsame Mission eingeschworen werden. Dieser Freitag Abend soll zum unvergesslichen Party-Ereignis werden, nicht mehr und nicht weniger. Dabei agiert Anderson wie ein waschechter Wanderprediger, stößt jeden einzelnen auf seine Eigenverantwortlichkeit in Sachen Feierglück, stellt rhetorische Fragen, auf die alle anwesenden mit "No!" oder "Yeah!" zu antworten haben, scheint erregt, wütend gar und geht mit gutem Beispiel voran: Das beste was er hat, will er geben, alles mit uns teilen und dann geht's los. Ziemlich witzige Indie-Rock Nummern, mit eingängigen Melodien und jeder Menge Mitsinggelegenheiten kommen zum Vortrag und das findet begeisterten Anklang. Allerdings schleicht sich auch der Verdacht ein, dass es sich mit Jasons Songs bezüglich der Qualitäten von Live-Vortrag und Konservengenuss genau umgekehrt verhält wie bei Tiger Saw. Sein Publikum hat er jedenfalls im Griff.
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Als Kimya Dawson schließlich die Bühne betritt, muss sie das Publikum erstmal runterbremsen. Eine neue Parole wird ausgegeben. Alle sollen sitzen, also auf dem Boden. Eilfertig lassen sich die ersten fünf Zuschauerreihen zu Boden gleiten und dann machen (fast) alle mit. Gar keine so schlechte Idee, denn Kimya singt fast alles, was sie bisher veröffentlicht hat. Dabei begleitet sie sich auf einer minimalistisch gespielten Westerngitarre und es zeigt sich, dass Songs, die schon auf den Alben eher spartanisch instrumentiert sind, ganz in solo auch sehr gut funktionieren. Man rückt zusammen, sitzt stumm, singt ein bisschen mit. Offenbar haben fast nur echte Fans die weite Reise nach Oberföhring auf sich genommen und so tauscht man sich später an der Bar aus. Von der Fahrt zum Nürnberger Antifolk-Fest erzählt da einer und wie man dort fast alle im Publikum kannte. Von den Moldy Peaches Anfängen in New York '99 und wie wir damals gemeinsam im Side Walk Cafe aufgetreten sind etc. Als das Konzert zu Ende ist, ist der letzte Bus natürlich längst futsch. Aber kaum haben wir den fröstelnden Daumen in die verschneite Novembernacht hinausgestreckt, halten Lali Puna und bringen uns in die Stadt – Glück, das zur allgemein versöhnlichen Grundstimmung des Abends passt. Und was denkt die Community? Schön, dass es so was noch gibt – oder wieder...
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Surfempfehlung:
www.kimyadawson.com
www.tigersaw.com www.indiepages.com/wolfcolonel/
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Text: -Dirk Ducar- Foto: -Ullrich Maurer-
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