Wien, B72, 04.01.2006
In Wien hatte Stringfellow mit Ausnahme eines Akustikauftrittes mit Jon Auer im Jahre 2000 bisher noch nie gespielt, und demnach war nicht zu erwarten, dass die Veranstaltung im B72 vor allzu vielen Zuschauern würde stattfinden. Als wir allerdings am Laden ankamen, drängelten sich bereits gut 50 Menschen um die Bar, am Ende des Abends wurden 140 zahlende Besucher gezählt, was bedeutete, dass die Show so gut wie ausverkauft war.
Einen Support Act zum Aufwärmen hätte es deshalb eigentlich gar nicht gebraucht, trotzdem kam das Set der Ein Mann-Band Landscape Izuma sehr gut an. Melancholischer Indierock mit Akustikgitarre, Stimme und Laptop, bisweilen ein wenig an Death Cab For Cutie erinnernd und erfreulicherweise auch häufig in Sigur-Rós'schen Sphären wandelnd. Eine erste Veröffentlichung auf Siluh Records, dem Label von Robert Stadlober und Bernhard Kern, steht übrigens für 2006 an. Anders als in Liechtenstein begann Stringfellow danach dann auch gleich an der Gitarre mit "Any Love" und "You Drew". Doch auch wenn schon früh erkennbar war, dass er das partykompatible Coverversionen-Festival aus Vaduz nicht wiederholen würde, war gleich zu Beginn klar, dass wir hier einen Auftritt des Amerikaners auf höchstem Niveau präsentiert bekommen würden. Vielleicht ja auch, weil er den ganzen Abend nur Wasser trank? (Stringfellow: "You have great tap water here" - Publikum: "Cheers" - Stringfellow: "Tears? Your tap water is made out of tears?")
Jedenfalls spielte er höchst konzentriert vor einem Publikum, das sichtlich angetan war, die Highlights aus seinen drei Soloalben, leitete "When U Find Someone" mit einem Monolog ein, der gefühlte 20 Minuten dauerte (Stringfellow: "By the way, I get paid by the hour"!), brachte das ansonsten selten gespielte "Uniforms" und versuchte sich irgendwann sogar an der lange vergessenen Posies B-Seite "Spite And Malice", die "ich seit 1941 nicht mehr gespielt habe".
Bis dahin schien es, als könnte ihn nichts aus der Ruhe bringen. Als dann aber bei "One Morning" auf der Empore des B72 ein ohrenbetäubendes Stühlerücken begann ("Pick it up you lazy assholes", war sein augenzwinkernder Kommentar dazu), brach er den Song gleich dreimal ab, nur um dann irgendwann zu erklären, er hätte nun vergessen, wie die Nummer weiterging. Stattdessen setzte er sich ans Klavier und spielte "Too Much Heaven" von den Bee Gees und brachte es dabei fertig, in einen geradezu klischeehaften Liebeslied-Text das Wort "Bluttest" einzubauen. Nach rund 75 Minuten, inzwischen hatte er rund ein Dutzend Menschen aus dem Publikum auf der Bühne um sich geschart, meinte er dann, er habe Migräne und müsse nach Hause. Das war natürlich mit dem Wiener Publikum nicht zu machen, und es folgte eine rund einstündige Zugabe.
Für die holte er sich einfach einen Fremden aus dem Publikum, um mit dem jungen Mann am Piano "Yesterday" von den Beatles zu spielen (wobei man zu Stringfellows Ehrenrettung sagen sollte, dass die lahme Songauswahl auf den Piano Man zurückzuführen war), sang mit seinem Gast "Something Stupid" im Duett und brachte eine endlose Improvisationsnummer namens "She's Not A Vegan, So Fuck Her" über eine junge Dame, die er als Hauptschuldige am Stühlerücken bei "One Morning" ausgemacht hatte, und driftete zwischendurch sogar in "Girlfriend In A Coma" von den Smiths ab. Doch gerade als das Konzert etwas ZU chaotisch zu werden drohte, brachte Stringfellow - nun wieder alleine auf der Bühne - die größte Überraschung des gesamten Abends: Eine perfekte Pianoversion von Madonnas "Live To Tell". Sein eigenes Meisterwerk "This One's On You" noch als letzte Nummer, und dann war der Weg frei für rekordverdächtige 31 verkaufte Exemplare von "Soft Commands". Zu Recht.
Innsbruck, Weekender Club @ Nu.topia, 05.01.2006
Dass Stringfellow in Innsbruck vor weniger Publikum als in Wien spielen würde, war von vorne herein klar, aber wie selbstverständlich, charmant, witzig und deshalb letzten Endes auf angenehm Weise höchst professionell er das Publikum im Weekender Club einfing, war schon beachtlich. Als er auf die Bühne kam, hielt sich der Großteil der vielleicht 30 Zuschauer nämlich an der Bar am anderen Ende des ziemlich großen Clubs auf.
Also kam Stringfellow seinem Publikum im wahrsten Sinne des Wortes entgegen, eröffnete das Konzert ohne Mikro mitten im Raum stehend mit "One Morning" und hatte in Nullkommanichts eine Traube von Menschen um sich herum. Die begleitete ihn dann praktisch auch mit auf die Bühne, als er zum Piano wechselte, was nach einer wunderbaren Version von "Reveal Love" dann zum nächsten humoristischen Moment führte. Als nämlich der erste Zuschauer mit den Worten "Ken, ich möchte dich lieber von vorne sehen" seinen Logenplatz hinter dem Keyboard wieder verließ, konterte Stringfellow trocken: "Das hat mein letztes Date auch gesagt".
Die Setlist hatte übrigens weder mit der aus Liechtenstein noch der aus Wien viel gemein. Mit dem ausgezeichneten "What Is Strong" brachte er - seinen Worten nach zum ersten Mal überhaupt - eine auf seiner Afrikatournee vor einigen Jahren entstandene Nummer als besonderes Schmankerl, und mit "Let Me Do" und "Je Vous En Prie" spielte er zwei seiner besten Love / Lustsongs, vermutlich angepeitscht von seiner ersten Red Bull-Erfahrung vor der Show: Das Zeug sei besser als Koks und Speed zusammen, ließ er uns wissen... Als ihm dann die Privatgespräche einiger Menschen im Publikum zu laut wurden und sie aufgrund einer Sprachbarriere nicht zum Aufhören bewegt werden konnte, verzog sich Stringfellow samt Mikro kurzerhand zur - inzwischen verwaisten - Bar und spielte kurzerhand dort weiter.
Irgendwann wurde ihm dann bewusst, dass die meisten Songs doch eher Downer-Nummern gewesen waren, also präsentierte er uns einige fröhlichere Stücke, und was hätte er dazu besser aussuchen können als "God Only Knows" und "Wouldn't It Be Nice" von den Beach Boys? Keine Frage, allerspätestens danach war das Publikum hellauf begeistert, nur ein junger Mann, volltrunken, rasierter Schädel, Tattoos mitten im Gesicht, mochte mit Stringfellows Darbietung nicht so recht warm werden. Doch anstatt den krakelenden Idioten, der kurz davor war, "When U Find Someone" völlig zu zerstören, aus dem Saal werfen zu lassen, fragte er ihn kurzerhand, was er denn stattdessen lieber hören möchte. Die Antwort war eindeutig: Irgendwas von Nirvana! Also ließ sich Stringfellow nicht lange bitten und spielte - am Klavier - "Smells Like Teen Spirit", bevor er das reguläre Set mit dem Rest von "When U Find Someone" beendete.
Aber auch die Zugabe war hörenswert. Zum Beispiel die "kommentierte" Version von "Sparrow", dessen oft kryptische Textzeilen er jeweils erklärte - und das mitten im Song. Das großartige "Lover's Hymn" war dann seine letzte eigene Nummer des Abends, bevor er Vinh alias Landscape Izuma, der auch in Innsbruck ein feines Support Set gespielt hatte, zurück auf die Bühne bat, um mit ihm "Moon River" zu singen. Könnte man einen Abend stilvoller beschließen? Vermutlich nicht. Und wenn man bedenkt, dass dies eigentlich nur die "Aufwärmübung" für die nächstes Wochenende startende - von Gaesteliste.de präsentierte - Tournee der Posies war... Ganz großes Kino!