Warum sich eine Band wie Virginia Jetzt!, die bei ihrer letzten großen Tour vor zwei Jahren hier und da durchaus in der Lage war, 1000er Hallen zu füllen, nach den Zeiten zurücksehnt, in denen sie durch genau diese Jugendzentren tingeln musste, bleibt fraglich. Ist es Nostalgie? Die Suche nach neuen Herausforderungen? Die Rückkehr zu den Wurzeln? Oder wollen sie eine neue Zielgruppe erreichen? Aber wie heißt es doch so treffend in einem ihrer Lieder: Du musst dahin, wo's wehtut. Und genau deswegen führt ihre diesjährige - von Gaesteliste.de präsentierte - Tour nicht nach München, Bremen oder Dresden, sondern nach Ebersberg, Worpswede oder Nünchritz. Oder eben, wie an diesem Abend, nach Moers am Niederrhein.
Sollte es Ziel des Besuchs in Moers gewesen sein, die örtliche Kleinstadtjugend als neue Fans zu gewinnen, so ist dieses Unternehmen schon vor Beginn des Konzerts gescheitert. Zwar finden sich vor dem Gemäuer die üblichen Gestalten ein, um zu rauchen, zu trinken, oder einfach abzuhängen. Aber nur einer von ihnen investiert die 5 Euro an der Abendkasse, um sich tatsächlich Virginia Jetzt! anzusehen, und erntet dafür Gelächter von der Clique.
Ein Blick in das Jugendzentrum zeigt, dass man es den Fans, die erschienen waren, auch leichter hätte machen können: Viele Gesichter sind von Konzerten in Essen, Düsseldorf oder Köln bekannt, und aus eben diesen Ballungsgebieten scheint ein großer Teil der Konzertbesucher angereist zu sein. Auf Nachfrage der Band outen sich immerhin ganze acht Leute im Saal als Moerser. Der Rest der Besucher hätte bestimmt nichts gegen ein Konzert in einem Ort mit besserem Anschluss an den öffentlichen Personennahverkehr einzuwenden gehabt.
Aber trotz alledem ist die Juze-Tour eine Aktion die Anerkennung verdient. Schließlich hätte man auch mit einer neuen Platte im Gepäck und mit gewaltiger Promomaschine im Hintergrund durch die Hallen der Republik touren können. Stattdessen gibt es aber erst einmal eine Vorab-EP zu kaufen - und, fast kommt es einem heimlich vor - Konzerte in Orten, die sonst wenig Beachtung in der Konzertlandschaft finden. Beim Betreten des winzigen Konzertraums der Moerser Volksschule mögen bei manch einem wehmütige Gefühle aufgestiegen sein. Es erscheint auf den ersten Blick fast wie früher, so, als hätte es Auftritte bei Stefan Raab und von Young Miss präsentierte Touren nie gegeben.
Die Band betritt die Bühne zu einem dramatischen Intro. Im Hintergrund: Ein riesiges Banner. Bassist Mathias trägt ein Beatles-T-Shirt. Understatement und Größenwahn in einem. Vielleicht ist es das, was diese Band so liebenswert macht. Eines wird schnell deutlich: Zurückentwickelt haben sich Virginia Jetzt!, die man in den letzten eineinhalb Jahren nur sehr vereinzelt live erleben durfte, auf keinen Fall. Die Zeiten, in denen mangelnde musikalische Fähigkeiten durch eine Vielzahl von Ansagen charmant verdeckt wurden, sind endgültig vorbei.
Die heute im kleinen Rahmen präsentierten neuen Stücke würden sicherlich genauso gut in der Rockarena funktionieren - vielleicht sogar noch besser. Sie machen die Hälfte des Sets aus. Dabei gibt es beschwingte Piano-Power-Pop-Hymnen ("Singen und Singen") und gitarrenlastigere Lieder wie "Bitte bleib nicht wenn du gehst" zu hören - die gewohnte Mischung also. Vieles scheint aber bei großen Vorbildern, von Abba bis Style Council entliehen zu sein. Die Richtung ist klar vorgegeben: Es geht nach oben. Zum Glück hat die Band nicht vergessen, dass dabei vor allem ein Faktor entscheidend ist: Die Fans. Dass diese wiederum die Band nicht vergessen haben, zeigen an diesem Abend vor allem die älteren Lieder. Einige Rituale, die auf vorhergehenden Touren immer wieder einstudiert wurden, funktionieren hier von alleine, beispielsweise das "Buh" bei "Ein ganzer Sommer", oder die nie wieder aufhören sollende Mitsingerei am Ende von "Mein sein".