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Konzert-Bericht
 
Die Königin der Pinguine

Emilié Simon
No Jazz

Köln, Kulturkirche
03.11.2006

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Emilié Simon
So richtig bekannt geworden ist Emilié Simon bei uns erst mit dem Soundtrack zu dem Dokumentarfilm "Der Marsch der Pinguine", zu dem sie die komplette Musik komponierte. Dass die quirlige kleine Französin darüber hinaus auch zwei hochinteressante CDs mit einer recht eigenständigen Mischung elektronisch verfremdeter Avantgarde-Pop-Musik veröffentlich hat, wissen nur Spezialisten. Oder Franzosen. Die ja bei den Konzerten des Francophonic Festivals, in dessen Rahmen Emilié in Köln auftrat, ja eh jeweils ca. 80% des Publikums ausmachen. Dabei ist gerade ihr letztes Werk, "Végétale", ein regelrechter Meilenstein in Sachen konzeptionell ausgetüftelter, aber höchst amüsanter, kurzweiliger und spannender Kunst-Musik mit Pop-Appeal. Mittels zahlreicher diffuser elektronisch verfremdeten Sounds, ein wenig Gitarre, kunstvoll aufgetürmten Gesangsarrangements und zuweilen aparten Streicherarrangements schuf Emilié hier eine leicht spinnerte, verträumte Klangwelt, in der ihre verspielten Popsongs und ihre mädchenhaft-unschuldige Gesangsstimme zwar nicht gerade wie Fremdkörper, aber doch vielleicht Wesen von einem anderen Stern wirken. Dass man das nicht 1:1 live umsetzen kann, war schon irgendwie klar und deswegen war es spannend, was Emilié aus diesen klanglichen Wunderwelten so machen würde.
Den ersten Teil des Abends durften jedoch zunächst No Jazz bestreiten. No Jazz ist ein Quintett mit einem leicht irreführenden Namen. Denn obwohl ihre großteils instrumental ausgelegte Musik durchaus Elemente aus Weltmusik, Drum'n'Bass und Elektronik enthält, sind die - großteils mitreißenden, rhythmisch sehr dominanten Tracks - mit langen Improvisationspassagen für Trompete und Saxophon doch schon sehr, sehr jazzorientiert. Abgerundet wird die Sache durch Rap-Einlagen des britischen DJ Speeder Mike (Mikael Chekli), Samples von E-Wizard Philippe Balatier und gelegentliche Ausflüge des Drummers Pascal "Bilbo" Reva an die Gitarre und das Mikro. Die eh schon recht lebhafte Show wurde weiter dadurch aufgewertet, dass die Sache von zwei Kameras mitgefilmt wurde, deren Bilder dann - z.T. psychedelisch verfremdet - auf eine Leinwand hinter der Bühne (ungefähr dort, wo früher der Altar der Kirche gewesen sein musste) projiziert wurde. Wie gesagt: Auf der Bühne passierte eine Menge - sei es das Speeder Mike von der Kanzel predigte oder alle Beteiligten wie die Derwische hin und hersprangen - und insgesamt war das eine recht kurzweilige aber auch verkürzte Angelegenheit. Weil ja an diesem Abend eben zwei Konzerte stattfanden.

Als praktizierende Toningenieurin (und Tochter eines solchen) versteht Emilié Simon natürlich so einiges von der Manipulation von Klängen. Dennoch hätte den unbedarften Beobachter kaum etwas auf das vorbereiten können, was sich beim Konzert in der Kölner Kulturkirche entwickelte. Zunächst einmal muss wieder darauf hingewiesen werden, dass ausgerechnet die Franzosen uns immer wieder vormachen, wie man das eingefahrene Rock'n'Roll-Gefüge auch live aufbrechen kann. Ein guter Ansatz scheint schon mal zu sein, wenn man den traditionellen Drummer zu Hause lässt - so wie Emilié. Was sich hier rhythmisch abspielte, war zwar atemberaubend, hatte aber mit der Arbeit eines üblichen Schlagwerkers nur am Rande zu tun. Auch wenn die Gemüse-Sounds (wie der Name von Emiliés letztem Album nahe legt) nicht sehr dominant waren: Immerhin gabs einen halben Kürbis in einer Wasserwanne, der als Drum-Ersatz herhalten musste. Daneben spielte ihr Rhytmusbeauftragter vorzugsweise auf einem Holzkasten oder einer einsamen Basstrommel - wenn er nicht gerade irgendwelche Samples triggerte oder den die Bühne dominierenden Flügel selbst als Percussion-Instrument missbrauchte. Im hinteren Teil der Bühne befand sich des weiteren ein Podest mit einem Computerspezialisten, der allerlei ungewöhnliche Apparaturen und Soundmaschinen bediente: Eine umgedrehte Gitarre auf einem Ständer montiert, einen Touch-Screen mit frei kombinierbaren Samples, eine Art Laser-Theremin sowie ein Rhythmus-Roboter, den Emilié selbst mittels einer Art elektronischen Armbandes steuerte. Das mag sich zunächst abenteuerlich und technokratisch anhören - war es aber letztlich keineswegs. Denn die Elektronik verkam nie zum Selbstzweck, sondern diente lediglich dazu, Emiliés eigenartige Phantasien zu verwirklichen und zu illustrieren. Letztlich konnte man sich als Zuhörer sowieso nie ganz sicher sein, was man gerade hörte - und das machte die Sache spannend.

Streicher gab es zwar leider keine, das wurde aber an anderer Stelle wettgemacht: Emilié selbst gab sich nämlich alles andere als "elektronisch". Sie spielte Blockflöte, Gitarre und Piano (letzteres findet z.B. auf CD kaum statt) - und das durchaus konventionell. Im Gegensatz zu den Arrangements auf den CDs rockten viele der Tracks geradezu - auch wenn sie sich als Leadgitarristin gar nicht mal so wohl in ihrer Haut zu fühlen schien. Dass es beim Konzert - anders als auf "Végétal" - keinen Bass gab, spielte dabei bemerkenswerterweise keine Rolle: Er fehlte schlicht nicht. Zugegebenermaßen konzentrierte sich Emilié auch oft auf die Up-Tempo-Nummern wie z.B. "Dame De Lotus", die auf Konserve eher immer so eine Art Beigabe darstellen. Daneben war zu beobachten, dass der Trend zu mehr englischssprachigen Texten, der schon auf der "Pinguin"-CD und "Végétal" zu beobachten war, sich auch im Live-Ambiente fortsetzte. "Song Of The Storm" als letzter Titel vor der Zugabe war dabei z.B. ein Höhepunkt und ein richtig schöner Rausschmeißer. Als Performerin erwies sich Emilié als Meisterin für das Verschieben der Perspektive. So spielte sie ihre Cover-Version von Iggys "I Wanna Be Your Dog" zunächst als Ballade (!), bevor es dann so richtig losging. "Flowers" von ihrer Debüt-CD gabs als jazzige Piano-Ballade und ihre Version von Nirvanas "Come As You Are" spielte sie nicht - wie gewöhnlich - auf dem Piano, sondern kurzerhand als Zugabe auf der Kirchenorgel. Einfach deswegen, weil diese zur Verfügung stand (aufgrund dieser Eingebung verzögerte sich der Einlass, weil die Sache in letzter Sekunde ausprobiert wurde). Mit Denkweisen wie diesen ist es tatsächlich also möglich, noch Neues zu erfinden. Was am Ende blieb, war ein begeistertes Publikum und eine Emilié, die recht glücklich über diese Rezeption gewesen zu sein schien und sich nach der Show noch angeregt mit den vielen französischen Fans unterhielt. Für Emilié Simon, so scheint es, gibt es einfach keine Unmöglichkeiten.

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Surfempfehlung:
emiliesimon.artistes.universalmusic.fr
www.nojazz.net
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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