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Familiensache

The Book Of Daniel
Boy Omega

Köln, Kulturbunker Mülheim/ Bochum, Bastion
07.12.2006/ 08.12.2006
Book Of Daniel
Draußen kündigen heftige Stürme den Weltuntergang an. Wer an diesem Abend den Weg in die Bochumer Bastion, etwas abseits der Innenstadt gefunden hat, ist bestimmt nicht zufällig vorbeigekommen. Der Kampf durch das ungemütliche Wetter wird allerdings belohnt: Die Bastion wirkt von innen eher wie ein gemütliches Wohnzimmer, auf dessen Tischen sogar Kekse für die Gäste bereitstehen. Der Club ist für Freunde der etwas anspruchsvolleren Popmusik schon länger ein Begriff, denn hier wird häufiger Künstlern aus Skandinavien die Möglichkeit geboten, ihre Musik hierzulande live zu präsentieren. Auch heute haben sich so einige Liebhaber schwedischer Acts eingefunden, um einen ganz besonderen Leckerbissen zu genießen: Die Brüder Gustafsson, ebenso bekannt unter ihren Pseudonymen Boy Omega und The Book Of Daniel, machen auf ihrer gemeinsamen Tour auch halt in Bochum.
Boy Omega
Der jüngere Bruder Martin Gustafsson macht den Anfang. Seine Band Boy Omega ist für diese Tour ausnahmsweise zum Ein Mann-Projekt geschrumpft. Er erzählt, dass dies für ihn zunächst ungewohnt war. Mittlerweile scheint er seine Rolle aber sichtlich zu genießen. Auch die Zuhörer hängen fast an seinen Lippen, zumindest ist es für Ein Mann-Singer / Songwriter-Verhältnisse außergewöhnlich ruhig. Während der ersten Hälfte seines Sets begleitet sich Martin selbst mit der Gitarre. Als er ein noch unbetiteltes neues Lied, das erst am Abend vor der Abreise zur Deutschlandtour entstanden ist, spielt, soll mitten im Stück ein iPod, auf dem zusätzliche Klänge zur Unterstützung gespeichert sind, einsetzen. Der Überraschungseffekt geht leider daneben, da Martin fälschlicherweise davon ausgeht, die Zuhörer würden den iPod nicht hören, und ihn daher gleich wieder stoppt. Nachdem dieses Missverständnis allerdings schnell behoben worden ist, folgen noch einige iPod-begleitete Lieder, die insgesamt etwas schneller und mitreißender sind als die zuerst gespielten Stücke. In der Familie Gustafsson scheint es einen musikalischen Austausch zu geben, den man heute sogar wortwörtlich nehmen kann. So covert Martin ein Lied seines Bruders Daniel, das dieser nicht besonders mag und für das er keine Verwendung hat.

Auch wenn der Solo-Auftritt von Boy Omega seinen Reiz hat, spielt Daniel Gustafsson zum Glück mit einer Band. Die Reduzierung seiner auf dem Album "Songs For The Locust King" pompös arrangierten Lieder auf nur sehr wenige Instrumente hätte diesen bestimmt eher geschadet. So aber wird Daniel, der, in Anzug mit Fliege und Hut bekleidet, eher auf eine große Inszenierung aus ist, von einer nicht gerade kleinen Band unterstützt. Neben Gitarrist, Bassist, Schlagzeuger, Keyboarder und Saxophonist müssen auf der nicht sehr großen Bühne der Bastion auch gleich zwei Backgroundsängerinnen Platz finden. Es wirkt vielleicht etwas dekadent, gleich zwei meist gelangweilt guckende Damen für diesen Zweck mit auf Tour zu nehmen, aber ohne ihre Ba-bas und ihre Unterstützung der Refrains hätte sicherlich etwas gefehlt. Zwischen der Darbietung der auch live großartigen Lieder machen sich diverse Bandmitglieder, allen voran der Bassist, hauptsächlich Sorgen darum, dass sie auf der überfüllten Bühne nicht mit genug "Stage Beer" versorgt werden. Bühnenbier wird daraufhin zur besten Sache aller Zeiten erklärt und der Running Gag des Abends heimst dem Bassisten der Band einige Sympathiepunkte des Publikums ein. Für die Zugabe wird es dann noch einmal etwas leerer auf der Bühne, und Daniel kehrt noch einmal alleine hinter das Keyboard zurück, um den Opener seines Albums, "Early Morning Prayer", zum Besten zu geben.

Book Of Daniel
Der gelungene Auftritt in Bochum lässt sich vielleicht auch damit erklären, dass die Bedingungen tags zuvor in Köln ganz ähnlich waren: Dort gewährte der Kulturbunker Zuflucht vor dem trüben Wetter, eine sympathische Location im Mülheimer Nirgendwo, in der seit geraumer Zeit ein spannendes Programm gemacht wird, das links von dem liegt, was gemeinhin auf Neudeutsch mit "leftfield music" bezeichnet wird. So bleiben leider einige Stühle im Saal unbesetzt, dabei gibt es auch hier ein feines Konzert: Hatte man beim Boy Omega-Bandauftritt im Stereo Wonderland vor wenigen Monaten noch bisweilen das Gefühl gehabt, Martin verstecke sich ein wenig hinter seiner Band, beweist er im Kulturbunker trotz vieler traurig stimmender / gestimmter Songs durchaus Humor, beispielsweise, als er sich erleichtert zeigt, mit dem Mann am Mischpult auf schwedisch kommunizieren zu können: Wenn das Publikum nicht wisse, worum es geht, klänge das viel professioneller, als auf Englisch oder Deutsch Anweisungen zu geben, was denn bitteschön leiser oder lauter zu sein habe. Oder, als er von einer Medizin erzählt, die sogar abgefallene Gliedmaßen wieder nachwachsen lassen würde, und sich der Zaubertrank als ein Fläschchen Jägermeister entpuppt! Auch in der Domstadt spielt Martin den von seinem Bruder abgelegten Book Of Daniel-Song und außerdem eine tolle Nummer der schwedischen Kultband The Bear Quartet - "I Have An Itch" heißt er wohl. Seine iPod-Experimente lockern zwar die Stimmung nach den düsteren Ein-Mann-Songs zu Beginn etwas auf, treffen aber nur bedingt den Geschmack eines Großteils des Publikums. Das zumindest scheinen die Gesichter vieler Zuschauer sagen zu wollen. Die meisten sind deshalb wohl froh, dass es songtechnisch geradezu unerwartet oft zum Erstling "I Name You Isolation" zurückgeht. Das unbestrittene Highlight an diesem Abend ist jedoch ein neuer Song: "Burn The Flag" aus dem aktuellen Minialbum "The Grey Rainbow".

Daniel erklärt den Kölnern dann gleich zu Beginn des Book Of Daniel-Auftritts, dass die Zuschauer an diesem Abend oft seufzen würden, weil die Band nämlich weder zusätzliche Gitarren noch Personal mitgebracht habe und er so auf der Bühne sein Instrument nach praktisch jedem Song umstimmen müsse. Damit hat er nicht zu viel "versprochen", und die langen Pausen zwischen den einzelnen Songs lassen doch mehrfach den Konzentrationsfaden reißen - bei Band und Auditorium. Es würde vermutlich durchaus Sinn ergeben, in Zukunft die beiden Background-Sängerinnen gegen zwei zusätzliche Gitarren einzutauschen. Zu allem Überfluss reißt dann auch noch dem rechts hinten versteckten Stromgitarristen mitten im Programm eine Saite, aber zumindest diese Pause überspielt Daniel gekonnt, indem er seine Piano Solo-Nummer kurzerhand vorzieht. Trotz der teils nicht gerade idealen Umstände ist es aber dennoch ein wirklich tolles Konzert, das in seinen besten Momenten an die Spielfreude von Belle And Sebastian und den ungestümen Übermut der Bright Eyes (vor ihrem großen Durchbruch) erinnert. Nett natürlich auch die kleinen familieninternen Spitzen - haben Book Of Daniel wirklich eine Textzeile, die lautet "Boy Omega is a thumbsucker"?

Anders als der Auftritt in Bochum endet die Show in Köln mit der energetischsten (und vielleicht auch besten) Nummer des Sets, das Fazit aber ist in beiden Städten gleich: Ein schöner Abend war's!

Surfempfehlung:
www.thebookofdaniel.se
www.myspace.com/thebookofdaniel
www.boyomega.se
www.myspace.com/boyomega
Text: -Carsten Wohlfeld (K) / Christina Ocklenburg (Bo)-
Fotos: -Stephanie Schorre-

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