Kurz nach halb acht schlurfte der Indierock-Gandalf und Adidas Endorser Mascis auf die Bühne des beinahe noch leeren Postbahnhof. Auch mit Akustikgitarre (und ohne Lou Barlow und Murph) ließ er es sich nicht nehmen, mit Songs wie "Repulsion", "Quest" oder "What Else Is New" wilde Fuzz-Attaken zu entfesseln, Trommelfelle zu strapazieren und Gitarrensaiten zu verschleißen. Letzteres nahm Mascis mit einer entrückten Gelassenheit, die ihresgleichen sucht. Es hätte auch jemand eine Handgranate auf die Bühne werfen können...
Sonic Youth betraten schließlich unter frenetischem Applaus die Bühne und lieferten mit "Teenage Riot" bereits als Opener einen Hit. Spätestens als Lee Renaldo und Thurston Moore im Feedback-Outro ihre Gitarren durch die Luft wirbelten und gegeneinander schlugen, war irgendwie allen klar, dass es noch ein sehr schöner Abend werden würde. Erwartungsgemäß wurde das aktuelle Meisterwerk "Rather Ripped" über das Set verteilt fast in Gänze zum Besten gegeben. Dass dabei z.B. das Vorgängeralbum "Sonic Nurse" völlig auf der Strecke blieb, störte wohl nur wenige, denn das Set glich ansonsten einem alternativen Best Of-Programm, das schlaglichtartig nahezu die gesamte Karriere der Band abdeckte. Lee Ranaldo lud mit "Skip Tracer" zu einem sehr willkommenen, aber kurzen Ausflug in "Washing Machine"-Gefilde, Thurston Moore sang "The World Looks Red" und "100%", Kim Gordon gab "Turquoise Boy" und zum Abschluss ein zähes "Jams Run Free", bei dem sie wie in Trance auf der Bühne hin und her schwankte. Und nachdem im Zugabenteil mit "Candle" ein weiterer grandioser "Daydream Nation"-Song die Massen erfreute und das alte "Shaking Hell" einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, sollte die Tour eigentlich vorbei sein. Doch die Band hatte die Rechnung ohne das für Berliner Verhältnisse überdurchschnittlich euphorische Publikum gemacht. Noch Minuten nachdem das Hallenlicht alles erleuchtete, aus den Boxen Neil Youngs "On The Beach" ertönte und die Roadies mit dem Aubbau begonnen hatten, wurde weiter gegröhlt. Wer zynisch annahm, dass sowas eh zu nichts führen würde, wurde eines Besseren belehrt, denn die Band kam tatsächlich unter Ohren betäubendem Beifall wieder, um mit "Kool Thing" einen definitiven Schlusspunkt zu setzen.