Von Ben Folds erwarteten danach die meisten wohl gar nicht wirklich viel, denn die Kunde, dass Mr. Folds unter einer Bronchitis litt (und deshalb sämtliche Interviews, darunter auch einen Termin mit Gaesteliste.de abgesagt hatte), war bereits über die einschlägigen Internetforen verbreitet worden. Doch dass die Hauptattraktion des Abends etwas angeschlagen war und sich - nach eigenem Bekunden - deshalb eine Extraportion Codein genehmigt hatte, erwies sich keinesfalls als Hindernis. Denn als gegen 21.15 Uhr Europes "The Final Countdown" als Introtape von Großem kündete, kam ein perfekt eingespieltes Trio auf die Bühne, das an anderer Stelle bereits treffend als "Melodielawine" beschrieben worden ist. Praktisch kopfüber stürzten sich die drei Herren ins Programm und hatten bereits eine ganze Reihe liebgewonnener Klassiker - darunter ein fulminantes "All You Can Eat" - aus dem Weg geräumt, als offensichtlich Folds' Medikation ("34 statt der sonst üblichen 20 Tropfen!") zu wirken begann und er sich doch tatsächlich darauf einließ, für die an diesem Tag die (amerikanische) Medienlandschaft bestimmende windeltragende Astronautin Lisa Marie Nowak spontan einen Song zu improvisieren. Das scheiterte zwar ein wenig an der ungünstig gewählten Tonart und Folds' Lachflash, trotzdem - das hatte schon was! Für einen Moment schien er danach - gespielt oder ernsthaft - die Kontrolle zu verlieren, aber als er die "compulsory pussy music" (so kann man Balladen auch bezeichnen) aus dem Weg geräumt hatte, ging's temperamentvoll weiter.
"Learn To Live With What You Are" fiel so nach einer Strophe einer spontan ins Programm gerutschten Boogie Woogie-Nummer zum Opfer, und auch sonst grasten Folds und seine beiden Mitstreiter alles von 50s Rock N Roll über HipHop bis Hardrock ab. Dabei holte er wirklich alles aus seinem Flügel heraus und machte zwischendurch noch Witze über den rechts vom Piano auf einer Klavierbank bereitgestellten Synthesizer ("1000 Dollar hat uns dieses Teil gekostet, nur für einen Ständer war leider kein Geld mehr da!"), den er offensichtlich mit Absicht voller Freude an den unpassendsten Stellen zum Einsatz brachte (ob sein Experiment, mit einer bestimmten Ton-Frequenz, "the brown note", die Darm-Region der Anwesenden anzuregen, vielleicht doch dazu geführt hat, dass sich jemand in die Hosen gemacht hat, ist nicht bekannt).
Aber wer könnte dem Künstler böse sein, der in Köln locker eine halbe Stunde länger auf der Bühne stand als bei den restlichen Konzerten seiner Europa-Tournee und dabei längst nicht überall gespielte Highlights wie "Annie Waits", "Last Polka" oder "One Down" (auf Zuruf aus dem Publikum bei seinem in Köln ungewöhnlich ausgiebigen Soloset) präsentierte? Das Cover von "Bitches Ain't Shit" mit ausführlicher Publikumsanimation mag vor zwei Jahren an gleicher Stelle überzeugender geklungen haben, ein humoristisches Highlight war zumindest das eingedeutschte Outro ("Fick meine Schlampe"), dafür gab es aber noch einen weiteren Song, der nicht aus Folds' Feder stammte, mit dem wohl nur die wenigsten gerechnet hatten: Da spielten die drei doch tatsächlich "Such Great Heights" von The Postal Service. Und auch wenn das Original natürlich nicht zu überbieten ist - diese Version war ganz ausgezeichnet!
Danach ging es dann ohne Atempause dem Ende entgegen: "Narcolepsy" rasant wie selten, "Zak & Sara" fast schon gehetzt, leider kein Platz mehr für das sensationelle "Not The Same", sondern nur "One Angry Dwarf" als Zugabe, das aber zum überschwänglichen Partysong mutierte und nach weit über zwei Stunden rund 1500 Fans freudetrunken nach Hause schickte. Und nicht nur die Fans waren bester Laune: Drummer Sam Smith und Bassist Jared Reynolds auf Deutsch vorzustellen, war ja schon lustig, danach aber noch ein "und ich bin Schatzimausi" dranzuhängen, zeugte von Folds' ausgezeichneter Stimmung - trotz oder gerade wegen der "Überdosis" Codein.