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Alles wird gut!

Orange Blossom Special 11 - 2. Teil

Beverungen, Glitterhouse-Villa
26.05.2007/ 27.05.2007

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Orange Blossom Special 11
"Nach Olli Schulz aufzutreten, ist für jeden schwer!", kündigte Reinhard die nächste Band an. Lampshade aus Dänemark sind aber OBS-Veteranen und die vermutlich einzige Band mit gleich zwei Rebekkamarias im Line-Up - und scheren sich nicht um solche Hindernisse. Zwar gibt es momentan kein neues Lampshade-Werk (Rebekkamaria #1 arbeitet gerade an ihrem Solo-Projekt "As In Rebekkamaria") - das bedeutete aber nicht, dass es nichts Neues gab. Lampshade sind nach wie vor eine Band, die sich ständig neu erfindet. Sei es musikalisch, stilistisch oder konzeptionell. Das funktionierte so, dass die Skandinavier zunächst weiß gekleidet die bekannten Tracks wie "Come Closer" vom aktuellen Album spielten, um dann in der Mitte des Sets die Bühne zu verlassen, nur um dann schwarz gekleidet neues Material vom Schlage etwa des gut gelaunten Up-Tempo-Punk-Songs "Family" vorzutragen. Sah es anfangs noch so aus, als würde es Lampshade nie gelingen, kurze, schnelle Stücke zu fabrizieren, so gibt es heutzutage gleich mehrere davon. "Wir sind einfach ein Haufen glücklicher Leute", fasste Johannes Dykbjaer Andersson das dann treffend zusammen.
Zwar sind Missouri genau genommen keine OBS-Veteranen, doch spielten einige der Musikanten (wie z.B. der ehemalige Fink-Bassist Andreas Voß) durchaus schon auf der Glitzerbühne im Garten. Auch hier gab es einen musikalischen Quantensprung zu erkennen: Begannen Missouri ja ehedem als dezidierte Schnarchnasenrocker, so gibt es heutzutage einen allgemeinen, souligen, swingenden Vorwärtstrend zu erkennen. Wobei man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass dies unter anderem daran liegt, dass Missouri lange Zeit über Leihmusikanten-Praktiken eng mit den bereits erwähnten Finken verbandelt waren, und deren allgemeine Vorliebe für Krautrock-Motorik übernommen haben (woran Fink dann zerbrochen sind, was aber eine andere Geschichte ist).

Der nächste Künstler, Andrew Bird, präsentierte sich als eine Art seltsamer Heiliger. Im Backstage-Bereich lief er ziemlich abwesend und -weisend herum und stimmte versonnen seine Geige. Auf der Bühne wirkte er dann auch irgendwie ziemlich egozentrisch. Nachdem er sich mit Nachdruck seiner Schuhe entledigt hatte, beschäftigte er sich auf Socken mehr mit seinem Sampler als mit dem Publikum, überraschte mit der Aussage, mal in einer Muppet-Show dabei gewesen zu sein und brachte allen die Flötentöne dabei. Hierzu muss man noch wissen, dass Bird sich seit einigen Jahren als Songwriter links der Mitte einen ganz eigenen Stil erarbeitet hat, bei dem der ständige Wechsel zwischen Geige, Gitarre und Glockenspiel genau so zum Konzept gehört, wie der Einsatz eines Samplers für Geige, Stimme und häufiges Pfeifen sowie des Weiteren der unübliche Dialog mit seinem Drummer & Multiinstrumentalisten Martin Dosh, der kongenial auf Birds Eskapaden reagierte. Dass das Publikum dabei ein wenig auf der Strecke blieb, war fast zwangsläufig so, denn Andrews Ansatz ist doch sehr technokratisch und introvertiert. Wobei die Sache durchaus auch ihren Reiz hat - besonders dann, wenn ihm die Samples so gelingen, wie er selber das gerne hätte (was bei einem Track vier Anläufe brauchte). Dennoch waren Birds Songs eher etwas für Spezialisten und polarisierten das Publikum. Jemand, dem der Auftritt von Bird egal gewesen wäre, fand sich hinterher jedenfalls nicht.

Was man vom Headliner Get Well Soon nicht gerade behaupten konnte. Get Well Soon ist das Projekt des Mannheimer Songwriters Konstantin Gropper - und man darf wohl sagen, dass dem Mann eine große musikalische Zukunft zu Füßen liegt. Mit einer siebenköpfigen Band im Nacken brannte Gropper ein songwriterisches Feuerwerk ab, was in der OBS-Historie seines Gleichen suchte und ausnahmslos neue Fans zurück ließ. Nicht nur, dass Get Well Soon mit "If That Hat Is Missing" einen "verfickten Hit" am Start hat, wie das Rembert auf seine gewohnt einfühlsame Art formulierte, auch der Rest des Materials - und die Tom Waits-Coverversion im Zugabenteil - konnten restlos überzeugen. Gropper hat sich ein Portrait des Märchenkönigs Ludwig auf seine Gitarre geklebt, und irgendwie haben seine Songs auch die Grandezza, die dem Thema angemessen erscheint - und zwar im Stile von "Visconti 72" - so ein Songtitel. Konstantins Gesangsstimme erinnert ein wenig an Rufus Wainwright und das, was sich musikalisch abspielte, an Arcade Fire (nur mit wesentlich besseren Songs). Insofern können sich Get Well Soon mühelos mit dem besten der kanadischen Szene messen. Kaum war der letzte Ton des Konzertes verklungen, setzte einer jener Wolkenbrüche ein, die ansonsten während der Shows zu beobachten waren. Nur konnte das da niemanden mehr jucken.

Am nächsten Mittag, zum Auftritt von Michael J. Sheehy (und seinen charmanten Musikerinnen), war dann auch wieder alles trocken. Es mag sich ja seltsam anhören, hat sich in der Geschichte des OBS aber schon oft bestätigt: Blues am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen. Besonders dann, wenn er von blassen Engländern mit ironischer Distanz dargeboten wird und so geniale Großtaten enthält wie eine verschleppte Coverversion von Iggys "The Passenger", die sich dann zur Multispeed-Polka entwickelt. "Kennt ihr Charlotte Church?", fragte Sheehy und outete damit seinen eigenartigen Humor, "das nächste Stück heißt jedenfalls 'Crawling Back To Church'." Das gefiel offensichtlich: "Die holen wir noch mal und dann sind sie Headliner", prophezeite Reinhard jedenfalls.

Das nächste Projekt, Dirt Music, ging auf eine Idee von OBS-Veteran Hugo Race zurück. Der wollte unbedingt mal ein Akustik-Projekt realisieren, obwohl er doch "nicht mal eine akustische Gitarre besitzt", wie Reinhard erklärte. Herausgekommen ist dann auch etwas ganz anderes: Chris Eckmann, Chris Brokaw und Hugo Race betrachteten das neue Gebilde scheinbar nämlich als Plattform, Dinge auszuprobieren, die leicht außerhalb ihres üblichen Tuns liegen. So waren Eckmanns Songs dann poppiger und folkiger, als gewohnt, Brokaws Stücke weniger verstiegen und kompliziert als seine Solo-Nummern und Hugos Blues klang natürlicher und weniger psychedelischer als gewohnt. Nur: Bei aller Hochachtung vor den drei Protagonisten: So richtig zusammengehen wollte das alles nicht - außer, wenn die Jungs, wie im Falle von Van Morrisons "TB-Sheets", alle zusammen am gleichen Strang zogen. Wenn dies bei den Aufnahmen zum Album nicht konsequenter verfolgt wird, dann dürfte die kommende CD wie ein Sampler klingen.

Vor dem Auftritt des Rocktrios Sport gab es dann ein letztes - und letztlich erfolgloses - Aufbäumen des Wettergottes, das aber dazu führte, dass die Jungs um Felix Müller (Kante) etwas weiter vom Bühnenrand rockten, als ihnen lieb war. Doch der Funke sprang dennoch über. Während die Oldtimer zur Mittagspause abwanderten, freuten sich insbesondere die jüngeren Fans über die erste, echte Prise Rock auf dem diesjährigen OBS. "Wir machen das jetzt so wie Andrew Bird und fangen jedes Stück drei Mal an", entschuldigte Felix einen Patzer. Doch das war übertrieben: Ein geradlinigeres Set hatte man auf dem OBS schon lange nicht mehr gesehen.

Boy Omega aus Schweden - ein kommender Glitterhouse Recording Artist - stand noch ganz unter dem Eindruck der gerade beendeten Tour mit Maria Taylor, bei der er sich nochmals nachdrücklich bedankte. Hatte er dort teilweise solo herumgefuhrwerkt, so brachte er hier seine Band (inkl. einer der zahllosen Geigerinnen, die dieses Mal eigenartigerweise das OBS bevölkerten) an den Start. Irgendwie, so schien es, kann sich Martin Henrik Gustafsson aber auch in diesem kunterbunten Setting nicht so recht zwischen Zeitlupensongs a la Savoy Grand und federleichtem Gitarrenpop entscheiden. Dass er beides betreibt, aber immer auch trennt, irritiert jedenfalls ein wenig - auch wenn Martin ein lustiger Typ ist.

Ben Weaver ist zumindest dem Namen nach ein alter Bekannter. Ansonsten ist der Mann vollkommen unberechenbar. Nicht nur, dass er jedes Mal mit anderer Besetzung auftaucht (dieses Mal mit Songwriterin Dawn Landes an Bass und Banjo), nein, er hat sich auch das Piano als neues Lieblings-Instrument auserkoren und eine ganze Tüte voller Fingerfreunde mitgebracht. (Das sind kleine Gummimonster, die er auf seinem Piano platzierte.) Nicht nur das: Weaver war gut gelaunt und strahlte nur so vor sich hin. Jeder, der ihn schon mal gesehen hat, wird dies zu goutieren wissen. Sein Set hatte jedenfalls kaum noch etwas mit dem Auftritt vor einigen Jahren zu tun, sondern bildete einen krönenden Abschluss der Songwriter-Saison beim diesjährigen OBS. Auch wenn er zur Zugabe zunächst mal ein Gedicht vortrug.

Was dann noch folgte, war Rock'n'Roll pur: Cracker hatten ihren Keyboarder Kenny Margolis zu Hause lassen müssen und entschieden sich deswegen zum Frontalangriff. Insbesondere Johnny Hickmann, der David Lowerys eher mürrische Minen bei diesem Konzert mühelos kompensierte, blühte förmlich auf, strahlte wie ein frischgezapftes Reder Schloßbräu und präsentierte sich als einer jener klassischen Gitarrenhelden, denen er ansonsten eher immer bescheiden huldigt. Mit dem Fuß auf dem Monitor (wovor Olli Schulz am Tag zuvor noch davor gewarnt hatte, weil das immer so prätentiös aussieht) spielte er im Sonnenuntergang, als gäbe es ein Preisgeld für die besten Rock-Posen zu gewinnen. Und Rock war das, was Cracker hier boten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger: Mitreißend, klassisch, gutgelaunt und perfekt.

Die Headliner des Abends waren 16 Horsepower - auch wenn sich die Musikanten um David Eugene Edwards und Pascal Humbert heutzutage Woven Hand nennen. Es gab indes angesichts der hier dargebotenen musikalischen Urgewalt keinen Zweifel mehr daran, dass die "alten" Geister wieder zurück waren und mit Vehemenz durch ihr Medium, den Prediger Edwards, ins Publikum strömten. Bassist Pascal Humbert bot dazu mit seinen Verrenkungen und wilden Gesten (besonders als einer der Verstärker Probleme bereitete) den optimalen Gegenpol. Dass der holländische Tourmanager mit seinem Perfektionismus die Sache ein wenig zu sehr in Richtung Superstar-Gehabe trieb, tat der Sache dabei keinen Abbruch: Das war mit Sicherheit der krönende Abschluss des Festivals und obendrein eine der besten Shows, die man aus dieser Richtung je gesehen hatte. Auch, wenn man sich als Zuschauer immer noch daran gewöhnen muss, nach dem Konzert gesegnet zu werden.

Letztlich muss an dieser Stelle noch einmal attestiert werden, dass dieses OBS - auch wenn es im Vorfeld aufgrund des eklektischen Line-Ups zum Teil eher skeptisch betrachtet worden war - musikalisch die bislang interessanteste Mischung aus alt und neu (bzw. jung) zu bieten hatte. Es gibt da eigentlich nur eine Konsequenz: Jungs, macht weiter so. (Und holt euch jemanden, der sich mit Keyboards auskennt...)


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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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