"Immergut hier zu sein, es ist immergut hier zu sein. hier kannst du Sterne sehen, hier kannst du baden gehen, Du kannst den ganzen Tag am Wasser oder in der Sonne stehen" (Virginia Jetzt!)
Kluge Köpfe, die von Virginia Jetzt!. Wie sie das so singen. Und Recht haben. Und noch dazu den Sampler zum wohl schönsten Festival Deutschlands (sagt zumindest der Sportpeter) einleiten. Damit uns die gute Laune auch jetzt nicht vergeht. Im letzten Jahr bin ich mit einem dicken fetten Grinsen nach Hause gefahren. Dieses Jahr starte ich mit demselben Richtung Mecklenburg-Vorpommern, weil ich ja weiß, daß wunderbar rocken in derart schöner Kulisse und derartiger Entspannung nur hier möglich ist. Klettern wir Freitag mittag grinsend aus dem Auto. Ein noch leeres Festivalgelände. Die letzten Aufbauten, bevor der Indiepophörersturm losbricht. Unser Pegel der Festivallust klettert vor lauter Vorfreude noch ein klein wenig mehr nach oben. Schnell bauen wir unser Zelt in einem der wenigen Schattenplätze auf, schnappen uns ein paar Kassetten und düsen zum See. Musikhörend ergötzen wir uns an der großzügig scheinenden Sonne. Uns freuend auf die kommenden zwei Tage.
Der Anblick von heute Mittag dann als längst Vergangener. 18 Uhr und unsere erneute Ankunft auf dem Gelände. Wochenendbehausungen, soweit unsere sonnenbebrillten Augen blicken. Deutsche Popkulturhörer schlendern zwischen rollenden Autos, Dixiklos und bereits auf Höchstouren laufenden Grills daher. Kurze Wartezeiten, um sich in ungekannter Schnelligkeit Bändchen an die noch sauberen Handgelenke binden zu lassen. Ein sich langsam füllendes Festivalgelände. Staub an den Füßen, Bier in der Hand, Grinsen im Gesicht. Ein paar wippende Köpfe als Porous im Zelt den musikalischen Start zum diesjährigen Immergut geben. Als die Friends of Dean Martinez den Auftakt auf der Hauptbühne geben, schlendere ich übers Gelände. Die Musik im Ohr, die Augen schweifend. Schaue mich um. Entdecke die vom Sportpeter beschriebenen schönen Festivalbesucher, stimme ihm innerlich zu und freue mich. Schon wieder. Das Grinsen scheint gar nicht mehr zu verschwinden. Tom Liwa singt anschließend im Zelt von Faultieren und anderen uns berührenden Dingen. Plötzlich ärgere ich mich, daß hier so viele große Menschen sind. Aus anerzogener Höflichkeit schubse ich sie nicht weg, sondern stehe still und starr und versuche etwas von den Texten aufzuschnappen - wenn ich schon nichts sehen kann. Das Zelt erscheint mir zu klein, Tom Liwa sitzt zu tief und mir bleibt nichts, als mir vorzunehmen ein Ticket für ein Solokonzert zu kaufen.
Schöne Musik am ganzen Abend verfestigt mein Grinsen. Vielleicht ist das Bier in meiner Hand auch ein bißchen schuld am Glückszustand. Das äußerst zufriedene und liebenswürdige Publikum ist auch sehr dankbar und rockt. Rockt bis der Staub in ihre Nasen krabbelt. Atmen als Schwierigkeit. Aber was macht das schon, wenn man tanzend und singend die Nacht begrüßt. Lachend. Mit Glitzern in den Augen. Von soviel schönen Dingen. Wenn die Sportfreunde Stiller gutgelaunt die Massen animieren. Fast schon nasse T-Shirts und Haare, weil man einfach nicht stillstehen mag. Nicht kann. Ein paar neue Stücke. Gute Laune. Höchstmotivierte Grinsebacken auf der Bühne. Ein mutiger Sportpeter und viele grapschende Hände beim stage diven. Die Nimmermüden unter den Besuchern gönnen sich zum Abschluß dieses ersten Festivaltages die Donots und Noise Pollution. Besser kann so ein Tag auch gar nicht aufhören. Schöne Träume garantiert.
Samstag vormittag und Fußball. Genuß des weiß-schwarzen Leders, um abends noch besser Musik machen zu können? Ein paar prominentere Mannschaften und gewillte Besucher. Ein Sportplatz irgendwo in Neustrelitz. Sonne und kurze Hosen. Diejenigen, die sofort baden, entspannen, beobachten, essen, plaudern wollen, fahren ans Wasser und verpassen sicherlich eine Menge Spaß. Ich bin jetzt noch ein wenig melancholisch deswegen.Ein Blick auf das heutige Line-up läßt meine Augen ungekannte Größe annehmen. Staunen, bei so wohlklingenden Namen von den heute auftretenden 12 Indiebands. Subterfuge, Delbo, The Electric Club, Tomte, Miles (um nur ganz kurz ein paar zu nennen) lassen meine Lippen jetzt noch ein leises bedächtiges "Hach" formen.
Das Hamburger Quartett Silber startet den zweiten Tag. Sehr schade, daß im Zelt nicht mehr Leute sind. Die Band um Julian Friedrich (Voc/Bass) animiert unsere Füße zur fröhlichen Bewegung. Träumereien, weil es einfach nur schön ist. Zauberhafter Pop, von einer Band die wir bisher nicht kannten. Uns aber unbedingt merken wollen. Saxophone konnte ich schon immer gut leiden.
Besonderes Aufhorchen bei Nova. Die CD muß ich haben. Das ist das erste, was ich denke, als Michi K. (voc/git), Michi D. (git/key/voc), Kris (drum/voc) und Markus (bass) anfangen zu spielen. Eine Band, die allein, wenn man sie ansieht, schon zum Wundern anregt. Wunderschöner tanzbarer Pop. Die Füsse bewegen sich von allein, der Körper fängt an den Takt der Musik nachzufühlen. Purer Genuß in dieser Kulisse. Sonne im Nacken, gutgelaunte Menschen überall. Ein charismatischer Frontmann, dem mit seiner Band zu wünschen wäre, daß er ein "Star" wird. So von wegen Cadillac. Zuversicht, das Starsein vielleicht manchmal ganz leicht geht. Tip!
Bei der 1994 gegründeten schwedischen Band Eskobar gerät man schon wieder ins Schwärmen. Ins Nachdenken über Wahrheiten, wenn Daniel (voc), Robert (drums) und Frederik (git) inmitten der untergehenden Sonne gefühlvoll von den Leiden des Lebens berichten, von Lieben und Verabschieden, vom Neubeginn. Hoffnungsvolle Musik, wie sie sagen. Auf den ersten Blick, ist sie das wohl nicht. Musik, die nicht für Parties gemacht ist, sondern eher für danach. Sagen sie. Egal für was. Faszinierend auf jeden Fall. Ihr Album "Til We're Dead" ist ein weiteres, was man unbedingt kaufen sollte. Wenn ihr das nicht schon längst getan habt. Abgelöst werden die Skandinavier von Virginia Jetzt!. Das fünfzigste Konzert der Berliner ist im Knaartz-Zelt. Ich stelle fest, daß ich zu langsam hergelaufen bin bzw. daß dieses Zelt schon wieder etwas klein ist. Stehe wieder so ungünstig, daß ich nichts sehen kann. Leicht aufgewirbelter Staub setzt sich überall fest. Schweiß hängt in der Luft. Gerade mißfällt mir das. Ein weiteres Ticket für ein Solokonzert muß gekauft werden. Weil es doch auch so schön ist, wenn sie Geschichten von geworfenen Schneebällen erzählen. Und weil ich auch mal was essen muß, gebe ich meinen eh doofen Platz her. Überladung aufgrund zuviel positiver Reize will ich schließlich auch nicht diagnostiziert bekommen. Gestärkt und mit erkämpften Platz in rockender Masse genieße ich Slut. Die Texte mittlerweile gut bekannt, singt das sympathische Publikum mit. Laut und falsch. Egal. Hauptsache es rockt. Das tut es und zwar ziemlich gut. Macht Spaß - aber was hat hier noch keinen gemacht? Keine Antwort. Readymade und wahrscheinlich ziemlich viel Bier. Ein angetrunkener Frontmann. Ein nicht minder angetrunkener Rocco Clein. Alles zusammen läßt das Publikum tanzen, springen, stage diven und sich freuen. Mit Elvis verabschieden sie sich. Wanken zum Ausgang. Können diesen erahnen. Wenn auch knapp.