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What's Up?

Coeur de Pirate
Ornette

Paris, La Cigale
06.10.2009

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Coeur de Pirate
Womit wollen wir beginnen? Coeur de Priate - das ist im Wesentlichen die Franko-Kanadiern Béatrice Martin, die mit ihrem selbst betitelten Debüt-Album sowohl in ihrer Heimat wie auch in Frankreich einen Überraschungshit landete - der bislang von der Plattenfirma hierzulande verschlafen wurde (obwohl die Scheibe sogar in den USA einigen Erfolg erzielt hat). In Frankreich ist Béatrice schon so eine Art Phänomen. Nachdem sie im Mai diesen Jahres einige Akustikkonzerte im Pariser Boule Noir spielte, war die Mundpropaganda so gut, dass sie bereits jetzt eine große Tournee mit Band nachschieben konnte, von der zumindest das Erföffnungskonzert im (direkt neben dem Boule gelegenen) prestigeträchtigen La Cigale seit Wochen ausverkauft war. Für nächstes Jahr ist bereits das Olympia gebucht - und man weiß ja gemeinhin, wie so etwas dann weitergeht...
Was aber zeichnet Coeur de Pirate eigentlich aus? Nun - irgendwo hat die zierliche Kanadierin geschafft, was eigentlich viele versuchen: Ein perfektes Album zwischen Chanson, Pop und Folk einzuspielen, das weder besonders klischeehaft, noch altmodisch, noch trendy noch aufgesetzt rüberkommt, sondern einfach nur auf den Punkt bringt, worum es bei dieser Musik geht. Da das Konzert bekanntermaßen ausverkauft war, standen die Leute schon eine Stunde vor dem Einlass quasi halb um den Montmarte (zu dessen Füßen das Cigale liegt) und warteten geduldig. Im Prinzip bestand das Publikum zum Großteil aus jungen Leuten, die in der (dem Namen entsprechend) von oben bis unten tätowierten Kanadierin ihr neues Idol sehen. Freilich kann man eine solche breite Zustimmung nicht alleine mit Teenies gewinnen, und so standen dann auch Leute aller Schichten, Altersklassen und Kategorien vor der Tür. Unter anderem auch die Musiker selbst - die durchaus Mühe hatten, eingelassen zu werden. Das La Cigale ist ein altes Theater, so dass den Zuschauern mehrere Ebenen zur Verfügung stehen - unter anderem bestuhlte Balkone und Galerien. Dennoch war der Laden am Ende bis auf den letzten Zentimeter gefüllt, als kurz vor neun die etwas obskure Ornette (im richtigen Leben Bettina Kee) den Abend eröffnete.
Mit einer riesigen Hornbrille, Trainingsjacke und Pailettenkleid vermittelte sie nicht unbedingt den Eindruck eines Popstars. Dafür überzeugte sie als Entertainerin. Mit ihren - solo auf einem Wurlitzer-Piano vorgetragenen - englischsprachigen Soul-Pop-Prog-Pop-Songs hatte sie das Publikum erstaunlich schnell auf ihrer Seite. So klatschten die Leute bereits beim dritten Stück mit - obwohl die Rhythmen der Songs so unegal waren, dass Ornette zuweilen selbst erklärend nachhelfen musste. Daneben gab es allerlei Schoten - so las sie aus der Zeitung vor, machte Polaroids vom Publikum, die sie dann wieder verteilte oder überraschte mit einer Banane als Percussion-Instrument. Angesichts dessen, dass ihre Songs selbst nun nicht so unbedingt der Reißer waren, durfte sie sich glücklich schätzen, auf ein so dankbares und pflegeleichtes Publikum getroffen zu sein.

Als dann nach einer kurzen Umbaupause die Musiker die Bühne betraten, gab es demzufolge kein Halten mehr. Von der ersten Sekunde des Openers "Long du large" an wurde Coeur de Pirate gefeiert, als gäbe es kein Morgen mehr. Erstmalig war Béatrice Martin mit Band unterwegs (darunter ein jazziger Drummer und drei Leute, die mit ihren Streichinstrumenten die Orchesterparts des Albums kompetent emulieren konnten) und insofern kamen die - auf der Scheibe eher zurückhaltend und folky (und teilweise gar mono) inszenierten - Songs mit einer ganz anderen Energie daher. Wie sehr die Leute das Phänomen Coeur de Pirate verinnerlicht hatten, war nicht nur alleine daran zu erkennen, dass die Stücke allesamt mitgeklatscht und mitgesungen wurden, sondern auch an dem lebhaften und amüsanten Dialog, der sich zwischen Künstlerin und Publikum entwickelte. Dabei machte Béatrice es den Leuten aber auch insofern einfach, als dass sie keine Probleme hatte, auch mal über sich selbst zu lachen und jeden Blödsinn mitzumachen. "What's up? What's up?", stachelte sie Leute immer wieder an. Als sie dann ihren Hit "Comme des enfants" anstimmte, konnte sie den Fans zeitweise den Gesang sogar ganz überlassen. Dass Paris mittlerweile zu ihrer zweiten Heimat geworden ist, machte sie auch dadurch deutlich, dass sie einen neuen, eigenen Song namens "Place de la République" vortrug, der sich eben auf jenen Platz im Herzen der Metropole bezieht.

Ansonsten ist die Sache insofern schnell erzählt: Béatrice spielte ihr Album Song für Song und füllte den Rest mit einigen Bonbons aus. "Ich habe da nämlich ein Problem", erklärte sie die Sache, "mein Album ist nur so um die dreißig Minuten lang - und mehr Programm habe ich eigentlich noch nicht." So gab es dann eine A-Cappella-Version von "Yesterday" - weil man ja auch mal überraschende Sachen machen müsse, wie sie meinte und eine sehr gelungene Coverversion von Rhiannas "Umbrella". Zum Abschluss zollte sie dann mit "Je suis venu te dire que je m’en vais" dem Altmeister Serge Gainsbourg Tribut. Müßig zu erwähnen, dass auch die Zugaben mitgesungen wurden. Als Performerin überzeugte Béatrice dabei mehr als etwas als Sängerin: So hatte sie durchaus Probleme, wenn sie mal nicht hinter dem Piano saß und sich etwa an den anderen Musikern orientieren musste. Insgesamt überzeugte sie aber als ausgebuffter, souveräner Profi, der mit viel Charme die Sache unter Kontrolle behielt. Diese war dann allerdings nicht so vollkommen, als dass sie sich am Ende der Show angesichts der Ovationen des Publikums nicht doch ein Tränchen der Rührung verdrücken musste. Nach diesem Konzert war klar, dass sich Coueur de Pirate - zumindest in Frankreich - wohl keine Sorgen um die Zukunft machen muss. Auch wenn ein dergestaltes Maß an Begeisterung, wie es das Publikum im La Cigale ausdrückte, hierzulande sicherlich nur schwerlich denkbar erscheint, sollte man das Thema - auch des leicht verständlichen, universellen Charakters wegen - bei uns vielleicht doch mal langsam veröffnungstechnisch aufgreifen.

Setlist: Le long du large / Fondu au noir / La vie est ailleurs / Ensemble / Berceuse / Intermission / Corbeau / Francis / Yesterday (Beatles cover) / Printemps / Pour un infidèle / Place de la République / La tienne (?) / Comme des enfants/ C’était salement romantique // Loin d’ici / Umbrella (Rihanna cover) // Je suis venu te dire que je m’en vais (Gainsbourg cover)

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Surfempfehlung:
www.myspace.com/coeurdepirate
de.wikipedia.org/wiki/Coeur_de_Pirate
www.myspace.com/ornettemusic
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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