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Das schwarze Chamäleon

Rufus Wainwright

Köln, Theater am Tanzbrunnen
02.06.2010

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Rufus Wainwright
Rufus Wainwright ist ja nun mal ein Mann, der sich gerne verkleidet. Meistens mit Ritterrüstungen, Lederhosen und anderen Operettenkostümen. Bei seiner Solo-Tour anlässlich des neuen Albums "All Days Are Nights: Songs For Lulu" kommt nun noch so etwas wie der Thin Black Duke hinzu. Die Show im Kölner Tanzbrunnen war aus diesem Grunde in zwei grundverschiedene Parts gegliedert: Im ersten Set spielte Rufus die neue Scheibe von vorne bis hinten in einem Rutsch und ohne Unterbrechung durch. Angetan in einen schwarzen Umhang mit einem ebensolchen Federkragen nahm er auf der ansonsten leeren Bühne hinter seinem Flügel Platz und spielte - unterstützt nur von sogenannten "Visuals" des Künstlerkollegen Douglas Gordon - sein Set wortlos und ohne irgendwelche Regungen vor sich hin. Da es sich hierbei wohl um den E-Musik-Teil des Abends handelte, verbat sich der Meister jegliche Beifallsbekundungen während dieses Teils des Abends. Die Sache wurde hierdurch ein wenig befremdlich. Denn - wie die zweite, lebendige Hälfte zeigte - leben die Aufführungen von Rufus im Prinzip ja erst durch die etwas linkische Kommunikation mit dem Publikum.
Dadurch, dass Rufus im ersten Teil - wie etwa in der klassischen Musik üblich - ganz auf Solches verzichtete, ja nicht ein Mal zur Seite schaute, und auch nur notdürftig beleuchtet wurde, entstand eine merkwürdige Distanz zwischen dem Nachtschattengewächs Rufus, dem Publikum - und dem Material. Ganz mal davon abgesehen, dass die Visuals lediglich aus einem sich in Zeitlupe öffnenden und schließenden, schwarz geschminkten Auge bestand, dass meist alleine, manchmal vervielfacht auf einem schwarzen und nur wenige Male auf einem weißen Untergrund zu sehen war und das den Zuschauer irritierenderweise minutenlang ohne zu blinzeln anstarrte. Eine einsame Motte, die sich während des Songs "The Dream" zum Licht hin bewegte, stellte die einzige - wenngleich unbeabsichtigte - dramaturgische Abwechslung dar. Irgendwo war das alles aber wohl auch wieder notwendig und konsequent. Denn neben der titelgebenden, an Alban Berg angelehnten Lulu, klassischen romantischen "Liedermachern" und den öfters zitierten Shakespeare geht es auf dem neuen Werk auch um den Tod von Rufus Mutter, Kate McGarrigle, die erst im Januar dieses Jahres verstarb - was auch die unmittelbare Nähe zu dem Material verdeutlicht, denn immerhin ist das noch kein halbes Jahr her. Und Rufus geht auf diese Sache ja durchaus wörtlich und namentlich ein. Ein kluger Kopf formulierte das zuletzt so, dass Rufus auf diesem Album nämlich seiner "inneren Lulu" huldige. Irgendwie kam dieser halb autistische Vortrag diesem Bild sehr nahe. Zumal Rufus im Vorfeld der Veröffentlichung auch die Formulierung verwendete, dass er das Klavier-Spielen als seinen Kokon betrachte, in den er sich zur Selbstfindung immer wieder zurückziehe.
Rein musikalisch gab es nichts zu meckern: Rufus spielte die neuen Songs im Prinzip wie auf der Scheibe, zeigte seine nuancierten Fähigkeiten als Pianist und ließ auch stimmlich nichts zu wünschen übrig. Es war da halt nur diese fehlende Emotionalität, die wie ein Fragezeichen im Raume stand und die man von diesem ansonsten doch sehr extrovertierten Künstler so gar nicht kannte. Nun ja: Nicht nur musikalisch ist Rufus offensichtlich ein Chamäleon. Nachdem Rufus wie er gekommen war mit feierlichem Trauerschritt die Bühne verließ, brach dann der Damm und das Publikum durfte endlich "nach Herzenslust Klatschen", wie es in der eigens publizierten Anleitung zur Darbietung geheißen hatte. Der zweite Teil - genauer: das zweite Konzert - des Abends (was die horrenden Eintrittspreise dann doch irgendwie relativierte) war dann das komplette Gegenteil des ersten. Freundlich winkend und grinsend betrat Rufus die mit elektrischen Teelichtern verzierte Bühne, die nun rot angestrahlt war, und spielte seine Lieblings-Piano-Lieder. Dazu erzählte er munter auch alle Köln-Geschichten, an die er sich erinnern konnte - alte (wie jene, von dem Zwischenfall in Bonn, als die ganze Wainwright-Sippe bei volltrunkenen Sangesdarbietungen von Anwohnern Wasser übergekippt bekommen hatte) wie neue: Am Vortag habe er Rheingold in der Kölner Oper gesehen. Das sei "fabulously" inszeniert gewesen - am schönsten sei es aber gewesen, danach am Rhein entlang zu gehen. Man sei doch am Rhein, oder? Die typisch kanadische Naivität in Bezug auf geographische Zusammenhänge macht natürlich auch vor Rufus nicht halt (seine Schwester ist da ein wenig belesener). Daneben erzählte er oft und gerne von seiner Familie, der er gleich mehrere Songs widmete: Seiner großen wie seine "Little Sister", seinem Vater und natürlich seiner Mutter, deren "Walking Song", über einen kurzen Moment der Glückseligkeit, den seine Eltern miteinander verlebten, er im letzten Teil der Show coverte. Dabei zeigte er auch seine Virtuosität als Pianist, denn das, was er da an gegenläufigen Glissandi hinzauberte, musste man erst mal nachvollziehen können. Ansonsten gab es Nummern aus seinem Repertoire, die ihm scheinbar so einfielen oder die zur gerade erzählten Story passten. "Pretty Things" etwa, "Oh What A World" oder den "Art Teacher", den er hier in einer geradezu ausgelassenen Version abfeierte. Auch seinen klangmalerischen Neigungen gab er im zweiten Teil gelegentlich nach - etwa als er die Zugfahrt nach Paris mit dem Chanson "Complainte de la butte" kombinierte, das er wieder seinen Schwestern widmete.

Am Ende gab's dann noch einen typischen Rufus: Mitten im Spiel hielt er plötzlich inne und meinte: "Entschuldigung, aber ich musste gerade so lachen...", spielte weiter, "...weil ich an den Eurovision Song Contest denken musste. Den hatte ich vorher noch nie gesehen...", spielte weiter, "...und ich habe mich noch nicht erholt. Das wird noch ein paar Monate dauern...", spielte weiter, "...herzlichen Glückwunsch...", spielte weiter, "...ich mochte die Griechen...", spielte weiter, "...weil die so herrlich schwul aussahen...". Das war dann der Rufus, wie man ihn kennt: Immer einen Scherz auf den Lippen - gerne auf Kosten anderer, oft aber auch auf Kosten seiner selbst. Insgesamt war dieses sicherlich eine Performance, wie man sie so häufig nicht erleben wird. Und da Rufus quasi zwei Konzerte in einem spielte, waren dann auch wieder die hohen Eintrittspreise erklärlich. Obwohl: Nicht wirklich. Dafür gab es dann immerhin CDs und signierte Poster für zehn Euro zu kaufen. Da machte es auch nichts, dass Rufus außer eines passabel klingenden "Eichhörnchen" kein Wort in Deutsch über die Lippen kam.

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Surfempfehlung:
www.rufuswainwright.com
de.wikipedia.org/wiki/Rufus_Wainwright
www.myspace.com/rufuswainwright
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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