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Konzert-Bericht
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Das kommt vom Küssen!
Herpes
Ikaria
Hamburg, Hafenklang 29.09.2010
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Ikaria und Herpes, zugegeben eine etwas merkwürdige Kombination. Atmosphärisch-elegischer Shoegaze-Post- bis Indierock trifft auf hibbeligen NDW-Dancepunk. Oder anders ausgedrückt: Ikaria haben es an diesem Abend im Hamburger Hafenklang nicht unbedingt leicht. Der Konzertraum ist zunächst erschreckend leer, später immerhin ganz ordentlich gefüllt. Bereits während des Sets der Vorband Ikaria ist es angenehm zum stehen und atmen, zum richtig tanzen dann aber doch wieder einen Tick zu leer. Vielleicht ist der (kleine) Hype um die Berliner Diskurs-Punks (sagt man das jetzt?) noch nicht ganz bis nach Hamburg durchgedrungen. Zu Unrecht, wie der Abend zeigen soll - soviel vorweg.
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Als Ikaria spielen, ist deutlich zu spüren, dass die Gäste, die gekommen sind, wegen Herpes hier sind. Mehr oder weniger schulterzuckend lässt man die Band gewähren - möglicherweise auch, weil man Ikaria zuletzt erst als Vorband beim großartigen Stars-Konzert im Hamburger Knust sehen konnte. Und auch da wusste das ebenfalls aus Berlin stammende Quartett nicht zu punkten. Die Leistung der Band auf den eher mäßigen Sound im Hafenklang zu schieben, fällt damit auch weg - der Knust ist schließlich für seine hervorragende Akustik bekannt. Denn dass Ikarias komplexe Songs auf klaren Klang angewiesen sind, steht außer Frage. In der Theorie könnte die Mischung aus epischen Shoegaze- und Postrock-Elementen und Interpolscher Post-Punk-Ästhetik tatsächlich funktionieren. Allerdings wissen Ikaria ihre Ideen live einfach nicht umzusetzen. Selbst das aktuelle Album, dessen Titel "Luxembourg" Sänger Hendrik Schäfer leider nicht müde wird, wie eine Zauberformel zu betonen, weiß einigermaßen zu gefallen. Nur leider haben Ikaria überhaupt keine Bühnenpräsenz. Zu bemüht die Selbstinszenierung, zu unentspannt die Bandmitglieder, zu wichtig die Eigenpromo ("Luxembourg"). Da kann auch Tonmann Thom Kastning (Fame of Kate Mosh und Future Fluxus) nicht mehr viel machen. So lässt sich die Zeit besser rumbringen, indem man am Merchandise-Stand zusammen mit den Mitgliedern von Herpes dabei zusieht, wie der SV Werder Bremen sich in der Champions League von Inter Mailand eine 0:4-Klatsche einfängt.
Da der Konzertabend erst um 22:00 Uhr mit der Vorband begann - und in Hamburg die öffentlichen Nahverkehrsmittel bekanntermaßen unter der Woche nicht bis in die Puppen fahren -, musste man fast schon Angst bekommen, erst um vier Uhr morgens mit dem Nachtbus nach Hause zu kommen. Als Herpes aber um 23:00 Uhr die Bühne betreten und ihre ersten drei Songs in geschätzten fünf Minuten runterdreschen, ist diese Sorge schnell verflogen. Hier geht was. Sänger Florian Pühs lässt es sich nicht nehmen, das bis hierhin noch etwas schüchterne Publikum eigenhändig an die Bühne heranzuschieben. Das ist übrigens wortwörtlich gemeint. In knapp nur 45 Minuten spielen Herpes ihr gesamtes Repertoire - kein Wunder: Auch ihr Album "Das kommt vom Küssen" dauert gerade mal 23 Minuten. Die durchschnittliche Songlänge beträgt wissenschaftlich genau ausgerecht 2:13 Minuten - das sollte einiges darüber aussagen, wie das Konzert ablief: Tempo, Tempo, Tempo. Herpes geben ordentlich Gas, auch wenn man es ihnen nicht ansieht. Schlagzeug, Gitarre, Bass und Synthesizer werden eher stoisch bedient - selten hat man Musiker dieses Genres mit weniger cooleren Indiemoves gesehen. Andererseits gibt dieses Bild einen schönen Kontrast zu Pühs ab, der auf der Bühne einzig und allein völlig ausrastet. Mit sich überschlagender Stimme und herrlich überzogener Gestik und Mimik, die bisweilen an Howlin' Pelle Almqvist erinnern, peitscht er die Band und die Songs nach vorne. Diese bewegen sich klanglich zwischen Bands wie DAF, frühen Fehlfarben und Devo, textlich zitiert man gerne Tocotronic und andere sogenannte Diskursbands. Das Publikum kommt angetrieben von Pühs ebenfalls in Wallung - zumindest die jungen Damen in den vorderen Reihen.
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Gegen Ende des Gigs reißt Pühs sich sogar die Klamotten vom Leib, um das Konzert schweißnass und halbnackt zu beenden. Ältere Konzertfotos belegen, dass er das öfter mal tut - keine Einwände von dieser Seite. Und dann ist der ganze Spaß um viertel vor zwölf auch schon wieder vorbei. Das ist zwar nicht ganz "Very Berlin", aber irgendwann muss ja auch mal Feierabend sein. Das weiß auch Pühs: Beim Stand von 0:3 für Inter Mailand freute auch er sich bereits auf den Off-Day am nächsten Tag: "Geil, morgen den ganzen Tag Fußball gucken". Verdient hat er es sich in jedem Fall nach diesem spektakulären Auftritt. Bitte bald wiederkommen.
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Surfempfehlung:
www.dasherpes.blogspot.com
www.myspace.com/herpesherpesherpes www.lastfm.de/music/Herpes www.youtube.com/watch?v=2XG2jAtXdVc www.ikariaband.net www.myspace.com/ikariamusic www.lastfm.de/music/Ikaria
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Text: -Felix Maliers- Foto: -Pressefreigabe-
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