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Angst vor dem D-Zug

Anna Calvi
Honig

Köln, Stadtgarten
03.04.2011

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Anna Calvi
Es war sicherlich schon mal eine gute Idee gewesen, das Konzert der neuen Indie-Ikone vom kleinen Studio 672 in den größeren Stadtgarten zu verlegen - und dennoch platzte die ausverkaufte Location aus allen Nähten. Offensichtlich hatten Veröffentlichungstermin und Tourbeginn weit genug auseinandergelegen, um den Hype auch in unseren Landen lostreten zu können. Immerhin: Der Erfolg gibt diesem Recht. Anna Calvi hat Star-Potential und spricht größere Publikumsschichten an, als dies aufgrund ihrer recht sperrigen Musik eigentlich möglich wäre - was wieder für die Selbstregulierungskräfte des Musikbusiness spricht.
Zunächst gab es aber erst ein Mal Kontrastprogramm. Stefan Honig ist im richtigen Leben Kindergärtner und ab jetzt Liedermacher (denn seine bisherige Band Benelovent, löst sich auf). Ohne Stefan etwas zu wollen: Genau so klang das dann auch. Herr Honig geht mit einer gewissen kindlichen Unbefangenheit an die Sache ran und schreibt einfache Songs in der Art, wie er sie bei anderen gehört hat - allerdings ohne dabei jenen X-Faktor zu besitzen, der andere daran teilhaben lässt. Honigs Songs sind nicht wirklich schlecht - bieten aber keinerlei herausragenden musikalischen Mehrwert. Bestenfalls ist das, was er auf akustischer und elektrischer Gitarre und Sampler da produzierte nett, schlechtestenfalls überraschungsfrei und langweilig. Sagen wir es mal so: Bei den meisten seiner Elaborate hätte schon ein dritter Akkord gereicht, diese interessanter zu gestalten. Das Argument, das ginge mit einem Sampler nicht so einfach, widerlegen Kollegen wie Joseph Arthur bei jedem ihrer Auftritte eindrucksvoll. Vielleicht hat Honig also die falschen Vorbilder?
Womit wir beim Stichwort wären: Anna Calvi wird gerne als die neue PJ Harvey bezeichnet. Stimmlich und in der Art, wie Anna mit der Indie-Ästhetik soundmäßig umspringt, gibt es da auch durchaus Parallelen - allerdings ist Anna Calvi ein ganz anderer Typ. Selbst mit 15 cm hohen Absätzen wirkt die blonde Chanteuse äußerst überschaubar und zerbrechlich. Und sie piepst bei den seltenen Ansagen eher als dass sie spricht. Umso erstaunlicher ist dann der Kontrast zwischen dieser Realperson und jener, die dann auf der Bühne über ihr Publikum hereinbricht. Wenn Anna den Mund aufmacht und mit oft und gerne dramatisch verknoteten Lippen losröhrt, muss man befürchten, dass da zumindest ein D-Zug herauskommen könnte. Tut es natürlich nicht wirklich - aber es ist schon verblüffend, woher so eine zierliche Person solch ein stimmliches Volumen herholt.

Klanglich war diese Show dann weniger extrem ausgelegt, als die vielbejubelte Debüt-CD - was zunächst mal erstaunlich war, aber im Folgenden sich dann dadurch erklärte, dass Anna sich den Arm verletzt hatte und deshalb selbst nur wenig Gitarre spielte. Der eingesprungene Aushilfsgitarrist machte seine Sache dann zwar recht ordentlich - aber mit deutlich weniger Herzblut und eben nicht so extrem, wie seine Chefin. Diese nämlich, geht mit der Gitarre auf recht organische Weise um - rührt darauf herum, würgt diese quasi und kümmert sich dabei weniger um den Rhythmus als vielmehr um die Emotionen - was natürlich ganz eigene Soundscapes zeitigt. Anna war des Weiteren mit ihren Begleitern Drummer Daniel Maiden-Wood und der Multiinstrumentalistin Mally Harpez angetreten, die neben Percussion und Harmonium auch noch ein Basspedal bediente. Diese Lösung war vielleicht nicht so glücklich, denn letzteres kam deutlich zu kurz, so dass viele der Stücke recht schroff und blechern daherpolterten.

Anna spielte die Tracks ihrer CD in ungefähr der Reihenfolge, in der sie auch auf dem Tonträger zu finden waren. Dabei endeten dann aber die Parallelen auch schon, denn jede einzelne Nummer diente lediglich als Basis für z.T. abenteuerliche Exkursionen in punkto Struktur, Arrangement und Vocal-Treatment. Anna heulte und jaulte sich durch ihre Nummern, dass es eine reine Freude war. Auch der Umstand, dass Anna auf ihrer CD schroffe und versöhnliche Töne geradezu brutal nebeneinanderstellte, egalisierte sich bei dieser Art von Treatment irgendwo. Es scheint, dass insbesondere die harten, spröden Passagen so versöhnlicher erschienen - ohne allerdings ihr Bedrohungspotential zu verlieren: Dass Anna gerne vom Teufel und vom Blackout singt, machte sie zu jeder Sekunde deutlich. Den Gesichtsausdruck, den sie bei den meisten ihrer Songs implementiert, bezeichnen Engländer gerne als "mean". Auch macht es Anna Spaß, mit der Dynamik zu hantieren. Bestes Beispiel für diese Art von Treatment, war der auf CD wie beim Konzert letzte Song, "Love Won't Be Leaving". Dieser geriet - zwischen Flüstern und Orkan - zu einer extremen Achterbahnfahrt, bei der Anna geschickt die Spannung aufbaute, so dass der letzte Refrain dann zu einer Art befreienden Erlösung geriet.

Als Dramaqueen macht Anna Calvi so schnell niemand etwas vor. Und dann war die Sache nach ca. 50 Minuten auch schon vorbei. Zwar ließ sich Anna dann noch zu einer zweiten Zugabe hinreißen, aber es war deutlich, dass da eben noch nicht mehr Material vorhanden ist, um die "normale" Konzertlänge zu erreichen. Anna beendete das Konzert mit einer ziemlich zerstörerischen Version des Edith Piaf Chansons "Jezebel" (Annas erste Veröffentlichung unter eigenem Namen und mit der Elvis-Nummer "Surrender" Bestandteil ihres Repertoires). Das lag zwar, oberflächlich betrachtet, nicht auf der Hand, machte aber schon Sinn, denn Edith Piaf war schließlich auch für ihre stimmliche Intensität bekannt - und hier kann Anna Calvi in ihrer Branche ganz klar mithalten.

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Surfempfehlung:
www.annacalvi.com
www.myspace.com/annacalvi
www.myspace.com/shonig
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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Mehr über Anna Calvi:
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Konzert-Bericht

Mehr über Honig:
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