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Haldern Pop Festival 2012 - 2. Teil

Rees-Haldern, Alter Reitplatz Schweckhorst
10.08.2012

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Wye Oak
Der zweite Festivaltag begann mit einem Auftritt der österreichischen Songwriters Effi in der Haldern Pop Bar und einer Studiosession von Willis Earl Beal im Tonstudio Keusgen. Erst dann wurde auf der Hauptbühne das 29. Haldern Pop mit einem Auftritt des Duos Wye Oak überhaupt offiziell eröffnet.
Wye Oak stammen wie Frank Zappa (was der Conferencier verriet) aus Baltimore und haben sich dem angesagten Gitarre/Drums-Duo-Style verschrieben. Jedoch mit einer besonderen Note: Wo andere Acts dieser Art auf Blues oder Rock als Basis setzen, gibt es bei Jenn Wasner und Andy Stack eine Art psychedelischer Welle, die im Falle von Jenns Gitarren-Sounds mit Effektgeräten und im Falle von Drummer Andy Stack mit Keyboards inklusive Bass ausgelebt wird (bei einem neuen Stück spielte er auch einen echten Bass und verzichtete dann auf die Drums). "Wir sind erst heute morgen gelandet und haben noch nicht geschlafen", begrüßte Jenn Wasner das Publikum, "das macht aber nichts, denn im nächsten Song geht es ums Schlafwandeln." Insgesamt wurde es dann aber doch nicht so schlimm, weil es auch immer wieder Momente zum Aufwachen gab, die mit sich heftig auftürmenden Gitarrenwänden produziert wurden. Am Ende kam Jenn dann zu dem Schluss, dass es sich auf jeden Fall gelohnt habe, die 4.000 km lange Anreise in Kauf zu nehmen.

Der nächste Act, das Kleinorchester Other Lives aus Oklahoma, gehört zu den Haldern-Veteranen und war im letzten Jahr Gast in der Haldern Pop Bar. Größer hätte der Gegensatz zum flächendeckenden Einsatz des mitgebrachten Instrumentariums auf der Hauptbühne, bei dem neben etlichen Keyboards und Strichinstrumenten sprichwörtlich Pauken und Trompeten im Mittelpunkt standen, nun gar nicht sein können. Auch wenn es der sympathischen Band um Mastermind Jesse Tabish mühelos gelang, den kammermusikalischen Ansatz der CD-Produktionen in epischer Manier auf Cinemascope-Größe aufzublasen, verriet er nachher beim von der Bühne herab inszenierten Meet & Greet mit den Fans, dass er am liebsten das nächste Mal im Spiegelzelt auftreten wolle - auch um der gleißenden Nachmittagssonne entgehen zu können, die für die dramatisch/melancholische Musik des Sextetts nicht so geeignet erschien. Dennoch: Der Auftritt von Other Lives zählte fraglos zu den Höhepunkten des Festivals. Auch weil sich die Band so sympathisch bodennah zeigte und den Kontakt zu den Leuten, die sie letztlich bezahlen, nicht verweigerte.

Die White Rabbits aus Brooklyn sind auch ein Sextett und nennen ihren Stil "Honky Tonk Calypso". Selbstredend hat die diese Art von New Wave Indie Pop weder mit Honky Tonk noch Calypso etwas zu tun, sondern stattdessen vielmehr mit diesem hektisch/urbanen Drive, den gerade junge Bands aus Brooklyn gerne bedienen. Auf dem Papier hätte hier eigentlich alles gestimmt, hätten die Herren nicht so eine eigenartige Performance hingelegt: Halb autistisch, hinter mächtigen Sonnenbrillen versteckt, musizierten die Jungs irgendwo vor sich hin, drehten an Knöpfen, fummelten an Effektpedalen herum oder klemmten sich hinter die Keyboard-Konstruktionen. Nur selten ein Mal wurde der Kontakt zum Publikum gesucht bzw. dieses direkt angespielt. Das ist natürlich bei einem Festival eher suboptimal.

Ein wenig verfuhr auch der Kanadier Dan Mangan nach diesem Prinzip. Der Mann hatte beim letztjährigen Haldern Pop im Spiegelzelt den Auftritt des Jahres hingelegt und das Publikum dortselbst mit seiner sympathischen Art und seiner fantastischen Band zu Knetgummi in seinen Händen gemacht. Dann allerdings kam die seltsam artifizielle CD "Oh Fortune" mit den großangelegten Klangflächen und den epischen Songabmessungen, die so gar nicht zu den verschwitzt/kuscheligen Live-Auftritten zu passen schien, die Mangan bis dato immer hinlegte. Und so kam es wie es kommen musste: Auf der großen Bühne verpuffte die Magie Mangans und seiner Musikanten in leeren, großen Gesten. Viele der Nummern hörten sich an wie fünfminütige Intros, die nicht zum Abschluss kommen wollten. Kennzeichnend für diese Wandlung war der Umstand, dass die Musiker viel zu oft mit sich selbst beschäftigt waren und mit dem Rücken zum Publikum aufeinander einzugehen suchten. Das war dann - im Vergleich mit zurückliegenden Mangan-Auftritten - eher enttäuschend (wenngleich natürlich die musikalische Brillanz schon noch da war).

Im Spiegelzeit war dann die Zeit reif für klassische Haldern-Entdeckungen. Elena Tonra, die sich und ihre beiden Musiker Daughter nennt, macht hypnotischen, gitarrenorientierten Mädchenpop und spielte kichernd und bestens aufgelegt ihren Song ungefähr zehn Mal. Es wird ja oft gesagt, dass so manche Songwriter nur einen Song in sich tragen und das war bei Elena Tonra auch nicht anders, denn alle Stücke bauen auf der gleichen Gemengelage auf und bewegen sich auf einem vergleichbaren Level. Aber: Das machte rein gar nichts, denn Elena hat zufällig den richtigen Song auf Tasche und den hört man sich eben auch gerne zehn Mal an - nicht zuletzt übrigens, weil sie glücklicherweise um die Macht eines dritten Akkordes, einer schönen Melodie und eines federnden Rhythmus weiß.

Während Thees Uhlmann mit seiner Big Band dann als erster Headliner die Hauptbühne bespaßte, machte sich im Spiegelzelt eine mögliche alternative in Sachen deutschsprachigem Songwriting bereit. Niels Frevert, der sich nach eigener Aussage ein halbes Jahr lang auf den Auftritt auf Haldern gefreut hatte, hatte - neben einem hauptamtlichen Cellisten - "ich spiele überall mit" Martin Wenk von Calexico als multiinstrumentelles Ass im Ärmel und schaffte es mühelos, die transparente, orchestrale Opulenz seiner letzten CD in angepasster Form für das Live-Setting umzuformulieren. Frevert gehört zu diesen stillen Heroen, denen die große Geste nicht so viel bedeutet und die lieber durch anspruchsvolles Handwerk als laute Töne wirken. Und das tat er hier. Es ist ja immer wieder schön zu beobachten, wenn jemand auch mal in der Komplexität ein Mittel zum Zweck sieht - ohne den Zuhörer gleich zu überfordern. Und so gab es denn hier feinsinniges, zerbrechliches und musikalisch höchst abwechslungsreich inszeniertes Liedgut, das die Fans aber trotzdem Wort für Wort mitsingen konnten. Der Rockmusik, die er mal mit seiner Band Nationalgalerie vertrat, hat Frevert jedenfalls auf diese Weise endgültig den Rücken gekehrt.

Auf der Hauptbühne hatte sich dann der Brite Ben Howard mit seiner neuen Band installiert. Howard war letztes Jahr - als Geheimtipp, aber noch ohne Scheibe - im Spiegelzelt aufgetreten und hatte dort mit seiner an David Gray erinnernden Schmirgelstimme und seinem virtuos wirbelnden Gitarrenspiel zumindest schon mal neugierig gemacht. So richtig verstehen kann man den Mann musikalisch aber erst, wenn man ihn mal mit Band erlebt hat. Aufs höchste konzentriert schaffte es der eher ruhige Typ - unterstützt von seinen unorthodox agierenden Musikern - wirklich aus jedem Säuseln einen formidablen Orkan hervorzukehren. Ungewöhnliche Songstrukturen mit epischer Grandezza, jede Menge Dynamik und eine unübliche Instrumentierung sorgten zudem für Kurzweil auf der Bühne. Besonders die Kombination aus Howards Derwisch-Gitarrenkünsten und India Bournes Cello sorgte für jenes Quentchen Dramatik, das seine Songs größer als das Leben erscheinen lässt - was somit gut zu einem Auftritt auf der großen Bühne passte.


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Surfempfehlung:
www.haldern-pop.de
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
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