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Konzert-Bericht
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Wenn Árstíðir zweimal klingelt
Pain Of Salvation
Anneke van Giersbergen/ Árstíðir
Essen, Turock 21.04.2013
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Gute-Stuben-Prog: Ein relativ aufwändiges Bühnenbild und liebevoll ausgesuchte Requisiten hat die Bühne des Turock in ein Wohnzimmer der Siebziger Jahre verwandelt. Sehr authentisch. Allerdings steht neben Topfblümchen und dem Hendrix-Poster und schräg über dem Plattenspieler eine aktuelle "Road Salt"-LP im Regal. Und auch die gefühlt über 400 Besucher, die sich zusätzlich in die "Stube" quetschen, nagen natürlich ein wenig an der Illusion. Die warten natürlich am meisten auf den Gastgeber, Daniel Gildenlöw, Kopf, Sänger und Gitarrist von Pain Of Salvation. Der auch tatsächlich erscheint, die Lampen einschaltet, herzhaft in einen Apfel beißt und zu erzählen beginnt...
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Er spricht vom Thema des heutigen Abends - Tod und Demenz. Um diesen Schocker noch zu toppen, behauptet der charmante Schwede nun, es werde heute übrigens gar keine Musik, sondern nur Wortbeiträge geben. Allerdings ist das gelogen, denn nach mehrmaligen Türklingeln und freundlichem "Ist offen!" stehen Árstíðir im Zimmer. Großes Hallo, dann hockt sich Daniel gemütlich auf den Boden und singt mit dem Sextett eine hinreißende Version von "Road Salt". Erst danach überlässt er die Stube vorläufig der isländischen "Boygroup" - ein paar der besten Sänger, die man je irgendwo gehört hat - und die dabei gleichzeitig völlig unprätentios und entspannt bis schalkhaft wirken. Begleitet von akustischen Gitarren, Cello und Violine erheben sich diese Stimmen zu einer Schönheit, die mit kaum etwas vergleichbar ist - es finden sich darin Elemente, die auch manche keltische Folklore-Künstler wie z.B. Catherine-Ann MacPhee auszeichnen. Und auch wer Sigur Rós liebt, wird von Árstíðir verzaubert sein. Speziell ihr Song "Heiðin" ist schon fast schmerzlich schön. Dementsprechend tobt nun auch der Saal.
Den "Country Song about depression" "Brestir" nehmen die Sechs extra für Daniel ins Programm. Und sagen zur großen Begeisterung des Publikums Anneke van Giersbergen (Ex-The Gathering) an. Zur Tür herein kommt jedoch... der Pain Of Salvation-Bassist Gustaf Hielm, der sich für seine Rolle als Anneke im bauchfreien Shirt besonders lasziv gestyled hat. Ihm folgt, nunmehr als Basser angekündigt, Anneke, die sich zunächst auch brav an den Kontrabass verfügt. Dann aber singt sie gemeinsam mit Árstíðir den Anathema-Song "Everwake" und man glaubt, dass es nun aber wirklich nicht mehr schöner werden kann. Kann es. Zum Beispiel mit "Shades", dem einzigen englisch gesungenen Stück im Programm der Isländer.
Abgang der vom Auditorium abgefeierten Skandinavier, Rückkehr der niederländischen Sangesgöttin. Um ein paar Falten und Tattoos reicher ist ihre Präsenz wie stets schlicht umwerfend, effektvoll unterstrichen auch vom kleinen Schwarzen und den (pelzigen!) roten High Heels. Der The Gathering-Song "My Electricity" ist ein idealer Einstieg, gefolgt von "Four Years aus ihrer Agua de Annique-Phase, das von den Árstíðir-Streichern begleitet wird. Für Cyndi Laupers unsterbliches "Time After Time" kommen zwei andere Árstíðir-Musiker auf die Bühne. Jedenfalls zunächst nur diese. Denn dies ist ja die letzte Show der Europatournee. Und traditionell spielen Pain Of Salvation da ihren Vorgruppen gerne ein paar Streiche: In diesem Fall schnappen sich alle gerade nicht beschäftigten Mucker Besen und andere Putzutensilien und erscheinen unangekündigt im Raum - worauf Anneke vor Lachen kaum noch singen kann. Dafür springt aber das Publikum willig ein - die Muppets-Show ist dröge gegen das, was heute im Turock geboten wird! Vorläufiger Höhepunkt ist "Locked Away", das schon aus dem Akustik-Album von The Gathering, "Sleepy Buildings", herausstach. Wieder viel audience participation gibt es für Dolly Partons "Jolene" und mit U2s "Drowning Man" geht ein Auftritt zu Ende, für den allein schon die Fahrt nach Essen gelohnt hätte.
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Der Pain Of Salvation-Gig beginnt mit "Falling Home", dem Titelsong des kommenden, ebenfalls semiakustisch gehaltenen Studioalbums. Bei "Diffidentia" wechselt Daniel virtuos zwischen Flüstern und Kreischen, zwischen Tenor- und Kopfstimme. "Linoleum" wird Scat-mäßig zerhackt und "Mrs. Modern Mother Mary" kehrt zum Motto des Themenabends zurück, als der Sänger Religion als eine Form der Demenz charakterisiert. Alte Fans der Band erholen sich von diesem Schock bei einer für E-Piano und Jazzbesen umarrangierten Version von "Ashes".
Für die olle Kris-Kristofferson-Nummer "Help Me Make It Through The Night" kehrt unsere schöne Niederländerin auf die Bühne zurück. Apropos Coverversionen: Es tut gemeinhin nicht gut, Dio zu covern, aber die jetzt gebotene Reggae- und Swing-Version von "Holy Diver" ist wunderbar, auch wenn Daniel in ihrem Verlauf feststellen muss, dass sich Glasscherben auf der Bühne und barfuß nicht gut vertragen. Auch "Stress" ist kaum wieder zu erkennen und klingt heute, als würde es vom Diablo Swing Orchestra gespielt. Für die "Disco Queen" hüpft die ganze Halle als sei es wirklich wieder 1979 und mit "Second Love" wird auch eines der schönsten P.O.S.-Stücke der Akustik-Behandlung unterworfen. Zum Bass-Solo schlurfen Árstíðir zurück ins Zimmer, werfen sich aufs Sofa - und singen mit.
Auch die Zugaben müssen legendenverdächtig gewesen sein (siehe Setlist), allerdings musste der Rezensent zuvor abrücken. Es fiel nicht leicht, ein solches Ausnahmekonzert zu verlassen, das übrigens auch etliche Muckerprominenz angelockt hat, beispielsweise Marcel Coenen (u.a. Sun Caged), Martin Schnella (u.a. Flaming Row) oder Dominik Stotzem (Beyond The Bridge).
Setlist Árstíðir
Road Salt
Á Meðan Jörðin Sefur
Heiðin
Brestir
Ljóð í Sand
Everwake w/ Anneke
Nú Gleymist Ég
Shades
Setlist Anneke
My Electricity
Four Years
Time After Time
Beautiful One
Locked Away
Jolene
Circles
Drowning Man
Setlist Pain Of Salvation
Falling Home
Diffidentia (Breaching the Core)
Linoleum
Mrs. Modern Mother Mary
Ashes
Help Me Make It Through The Night
To the Shoreline
Holy Diver
Stress
Disco Queen
Second Love
Spitfall
Iter Impius
The Perfect Element
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Dust in the Wind
Chain Sling
1979
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Text: -Klaus Reckert- Foto: -Lutz Diehl / Progrockfoto.de-
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