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Computerg'schichten

Slut
And The Golden Choir

Köln, Gebäude 9
13.01.2014

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Slut
"Lieblingsband" haben wir früher gerne gesagt, wenn wir an dieser Stelle von Slut gesprochen haben. Nun war es allerdings lange ruhig um die liebenswerten Indierocker aus Ingolstadt und München. Klar, es gab ein Projekt mit Juli Zeh und die Neuauflage des Frühwerks, aber eine echte Slut-Tournee mit all den alten und neuen Hits, die hat es schon länger nicht mehr gegeben. Bis jetzt. Dieser Tage sind Slut nämlich wieder unterwegs, um ihr letzten Sommer veröffentlichtes Album "Alienation" auch abseits von Festival- und Gelegenheitsauftritten live vorzustellen. Mitgebracht hatte das Quintett zu seinem Auftritt im (erstaunlicherweise) nahezu ausverkauften Kölner Gebäude 9 aber nicht nur die Songs der neuen Platte, sondern auch noch Verstärkung: Der aus Funk und Fernsehen sowie von Delbo und Klez.e bekannte Tobias Siebert alias And The Golden Choir war nämlich viel mehr als nur der Supportact.
Es gibt Konzerte, die gehen erst nach dem Vorprogramm richtig los. Das war an diesem Abend anders. Ganz offensichtlich war Tobias' Set nämlich integraler Bestandteil eines stimmungstechnisch großen Ganzen, dreigeteilt in den Auftritt des Supportacts, die Präsentation der "neuen" Slut und eine anschließende Rückschau auf die letzten zwei Dekaden. Obwohl ohne Band angetreten, mangelte es dem Berliner Tausendsassa nicht an klanglicher Begleitung, die - man merkt, die Zeiten ändern sich! - nicht vom Laptop, iPad oder Smartphone kam, sondern von Dubplates. Ja, richtig gelesen, hinter Tobias rumpelten die Backings von einem auf einem windschiefen Servierwagen positionierten Plattenspieler mit, und nach jedem Song mussten die knisternden und knackenden Vinylscheiben gewechselt werden. Musikalisch war der schwer in kurze Worte zu fassende Auftritt trotz einiger launiger Ansagen gedämpft, eingängig und modern. Damit unterstrich Tobias nicht zuletzt, welch großen Einfluss er als Produzent eines Gutteils der Stücke von "Alienation" auch auf das aktuelle Slut-Album und den runderneuerten Sound des Hauptacts gehabt hat.
Trotz einer längeren Umbaupause ging es deshalb in puncto Atmosphäre praktisch bruchlos weiter, als Slut mit Tobias als Gast kurz nach 22.00 Uhr auf die Bühne kamen, um mit "Silk Road Blues" zu beginnen. Oder sollte man besser sagen: Tobias mit seiner Band Slut? Der Platz in der Bühnenmitte war jedenfalls für den Newcomer reserviert, der im Laufe des Konzerts jedes nur erdenkliche Instrument bediente und mitunter selbst bei Stücken als Leadgitarrist zum Einsatz kam, die die Slutties zuvor jahrelang auch problemlos zu fünft gespielt hatten. Ganz abgesehen davon machte ihn sein extrovertiertes Bühnengebaren auch zum visuellen Mittelpunkt der Band. Musikalisch ergab die personelle Erweiterung allerdings durchaus Sinn, denn der durch "all diese neuen Computerg'schichten" (O-Ton Sänger Chris Neuburger) und viele perkussive Elemente deutlich erweiterte Soundkosmos bedeutete, dass Slut auch zu sechst alle Hände voll zu tun hatten, um die neuen Stücke, die en bloc in der ersten Hälfte des Konzerts dargeboten wurden, bevor es im zweiten Teil eine bunte Werkschau gab, adäquat auf die Bühne zu bringen. Das gelang der Band nicht nur beim i-Tüpfelchen "Remote Controlled" musikalisch tadellos, allerdings war den Musikern die Schwierigkeit dieses Unterfangens durchaus anzumerken. Hochkonzentriert gingen sie zu Werke, und dabei blieb der sichtbare Spielspaß, der Slut früher ausgezeichnet hatte, vorerst auf der Strecke. Das änderte sich selbst dann nicht, als die herrliche "Lookbook"-Sequenz "Andy" / "Big Mistake" / "Swingfest" auf dem Programm stand, sondern erst, als die introvertierten den rockigeren Stücken älteren Baujahrs wichen. Bei "If A Had A Heart", "Staggered And Torn" oder "Why Pourquoi" war er dann wieder vollends spürbar, der alte Slut-Geist, doch um zu erleben, wie Chris freudestrahlend die Gitarre in die Luft reißt, musste man sogar bei zur vorletzten Zugabe, "Easy To Love", warten.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Nichts ist langweiliger, als alte Helden zu sehen, die nach 20 Jahren keine besseren Ideen haben, als nur die ollen Kamellen wieder auszupacken, als wäre die Zeit stehen geblieben. Dass Slut nach all den Jahren den Mut und die Motivation zu einem Neuanfang haben, ist beachtenswert und musikalisch noch dazu sehr gelungen. Als Live-Band steigern sich die Bajuwaren durch diese Neuorientierung allerdings nicht wirklich, denn zu häufig stand bei den neuen Stücken der Aufführungscharakter im Mittelpunkt. In einem Theatersaal mit großer Bühne und idealerweise sitzendem Publikum hätte das vielleicht noch funktioniert, in einem Rockschuppen mit vollgepackter Bühne, auf der sich die Musiker mitunter gegenseitig im Weg standen, konnte man sich bisweilen des Gedankens "Früher war doch alles besser" nicht erwehren. Immerhin gab es mit dem herzzerreißenden "Hope" nach 100 Minuten ein versöhnliches Ende.

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Surfempfehlung:
www.slut-music.de
de-de.facebook.com/slutmusic
andthegoldenchoir.com
www.facebook.com/andthegoldenchoir‎
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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