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Konzert-Bericht
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Benzin mit Kohlensäure
Damien Jurado
Courtney Marie Andrews
Köln, Gebäude 9 23.02.2014
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So richtig fassen kann Damien Jurado es noch nicht, dass nach all den Jahren der schlecht besuchten Auftritte die Menschen scharenweise zu seinen Konzerten strömen. "Der 1997-bis-2006-Damien-Jurado würde jetzt vor Freude im Kreis springen", erzählt er uns vor der Show. "Als ich vor wenigen Wochen für meine Release-Show in Seattle 1000 Zuschauer hatte, war das einfach nur verrückt. Aber auch in Berlin habe ich letzte Nacht in einem großen Theater gespielt. Als ich das letzte Mal dort war, waren es 100 Leute in einem kleinen Club, und die Hälfte der Leute hat gequatscht." Auch in Köln ist es beim Auftritt des amerikanischen (Ex-)Folkies mucksmäuschenstill, dabei ist der mit Plastikgartensesseln teilbestuhlte Saal ("Das ist wie ein Barbecue in einem Betonklotz", witzelt Damien) gut gefüllt - und das, obwohl zeitgleich Warpaint in der ausverkauften Live Music Hall gastieren.
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Die Bühne dagegen ist praktisch komplett leer: Ein Mikro, ein Stuhl und zwei dezente Scheinwerfer, die rechts und links die hinteren Bühnenenden flankieren: Mehr Brimborium braucht es nicht an diesem Abend. Den Anfang macht Courtney Marie Andrews, die nur eine Akustikgitarre als Begleiter hat und in Köln klassisch melancholisch umwehte Folk-Songs mit lustigen Ansagen verbindet. So erzählt sie in ihren langen Umstimmpausen, die ihr Joni Mitchell-Faible mindestens genauso deutlich unterstreichen wie ihre Lieder, ziemlich aufgedreht von dem Energy-Drink, den sie vor der Show nichtsahnend konsumiert hat, oder gesteht ihre schlechten Deutschkenntnisse unumwunden ein: "Ich hab mich schon gewundert, wie viele Wege hier nach Ausfahrt führen, bis man mir erklärt hat, was 'Ausfahrt' bedeutet!" Mit so viel Offenheit punktet sie am Ende fast mehr als mit ihren Songs, die fraglos virtuos gespielt sind, sich aber allesamt innerhalb der von den alten Held(inn)en des Genres bereits vor Jahrzehnten abgesteckten Grenzen bewegen.
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Ganz anders Damien Jurado: Im krassen Gegensatz zu Courtney sitzt er vollkommen gelassen auf seinem Stuhl und braucht nicht mehr als seine oft ein wenig traurig anmutende, aber dennoch bis in Falsett-Höhen flexible Stimme, seine Akustikgitarre, den gelegentlichen Einsatz eines Effektgeräts zur Gesangsdopplung und ein Glas kalte Fanta, um vollends in die Space-Folk-Traumwelt seiner hervorragenden letzten beiden Alben "Maraqopa" und "Brothers And Sisters Of The Eternal Son" abzutauchen. Mit "Wherever I May Lay" gibt es sogar eine Weltpremiere - lakonisch eingeleitet mit: "Das Gute daran ist, dass ihr es nicht merkt, wenn ich es vergeige." Den üppigen Band-Sound der letzten, von Richard Swift kunstvoll retro-poppig produzierten Alben vermisst man indes überhaupt nicht - zu stark sind die Songs, zu präsent ist Damien auf der Bühne. Erst spät am Abend kehrt er zu seiner puristischen Folk-Phase zurück und bringt die tragische Geschichte des Mannes, der "Abilene" den Hof macht und abgewiesen wird, weil "ich ein junges Mädchen bin und Sie ein Mann ohne Geld", bevor ganz am Ende mit "Ghost Of David" sogar ein echtes Frühwerk steht. Zuvor spricht der Amerikaner lässig über seine Probleme ("Mein neues Album verkauft sich so gut, dass ich keine Exemplare mehr dabeihabe!") und liefert sich mit den Gästen im Saal ein ulkiges Q&A. So offenbart er seine Liebe zu kohlensäurehaltigen Softdrinks und lobt den deutschen Erfindungsreichtum auf diesem Gebiet ("Ihr karbonisiert hier einfach alles - und es schmeckt! Wenn ihr Benzin mit Kohlensäure versetzen würdet - ich würd's trinken!"), präsentiert dem Publikum seine Riesentreter (Schuhgröße 15), und bestätigt auf Nachfrage, dass er anders als Courtney lediglich ein Standardtuning für all seine Lieder benutzt. "Was spielst du denn?", fragt er den Wissbegierigen im Publikum. "Auch Standard!", lautet die Antwort. "Und weißt du, was uns beide das macht?", fragt Damien rhetorisch zurück. "Langweilig!" Doch so bereitwillig er die Zuschauerfragen auch beantwortet: Songwünsche sind nicht erlaubt. Das wird selbstverständlich akzeptiert, denn auch wenn Damien auf den ersten Blick nur ein kauziger Anti-Popstar mit einer Gitarre ist - das begeisterte Publikum frisst ihm an diesem Abend aus der Hand.
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Surfempfehlung:
www.damienjurado.com
www.facebook.com/jurado.damie en.wikipedia.org/wiki/Damien_Jurado courtneymarieandrews.tumblr.com courtneymarieandrews.bandcamp.com www.facebook.com/CourtneyMarieAndrews
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Text: -Carsten Wohlfeld- Foto: -Carsten Wohlfeld-
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