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Konzert-Bericht
 
Schiffe versenken

Blaudzun
North Alone

Köln, Stadtgarten
21.03.2014

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Blaudzun
Dass der Kölner Stadtgarten an diesem Abend wie eine halbe holländische Provinz erschien, war nicht verwunderlich, denn unsere Nachbarn wollten sich die Möglichkeit nicht entgehen lassen, einen ihrer größten Stars noch ein Mal in einem für dessen Verhältnisse intimen Rahmen zu erleben. In seiner Heimat füllt Blaudzun mittlerweile die größten Hallen und wenn das so weiter geht, dann wird das auch bald hier so sein. Bevor der schratige Mann mit den zentimeterdicken Brillengläsern und der kunstvoll gestylten Wildwuchs-Frisur mit seinem Orchester die Bühne betrat, durfte zunächst ein Mal Manuel Sieg alias North Alone mit seinem Fiedel und Mandoline spielenden Sidekick die Bühne unsicher machen.
North Alone stammt ursprünglich aus der Punk-Ecke. Heutzutage macht er solides, geradliniges Männerschmerz-Songwriting auf akustischer Basis. Was er sich freilich von seiner rockigen Vergangenheit bewahrt hat, ist eine Mörder Röhre, mittels derer er alles wegbläst, was sich ihm in den Weg stellt. Dazu braucht er nicht mal ein Mikrophon. Bei seinem letzten Song stellte er sich an den Bühnenrand und "beltete" a-cappella immer noch lauter als mancher weniger stimmbegabte mit PA. Neben eigenen Songs gab es eine Coverversion von Larry & The Flask und einige belehrende Worte ans Publikum, denn die Penetranz und Lautstärke, mit der bei Siegs Set über Gott und die Welt gequatscht wurde, was schon unanständig. Mag ja sein, dass North Alones schnörkelloses und songwriterisch nicht besonders aufregendes Format nicht jedermannes (bzw. jeder Frau) Sache ist - dieses Maß an Ignoranz hatte er aber dennoch nicht verdient.
Dann gibt es ins Manöver: Mit "Euphoria", dem eher unverbindlichen Opener des neuen Albums, begann Johannes Sigmond, der sich nach einer dänischen Radfahrer-Dynastie benannte - zunächst noch ins Dunkel gehüllt - für seine Verhältnisse eher zurückhaltend. Denn - das muss man wissen - Blaudzun und seine sieben Musiker machen keine Gefangenen. Was dann folgte, war jene musikalische Offensive, die nach dem neuen Album "Promises Of No Man's Land" eigentlich auch zu erwarten gewesen wäre. Mit alten, neuen und mittelalten Gassenhauern vom Format von "Halcyon Days", "Elephants", "La Chante des Cigales" und natürlich dem Titeltrack des neuen Albums feuerte das Blaudzun-Orchester Breitseite auf Breitseite ab. Wäre da eine feindliche Flotte gewesen, so gäbe es diese heute nicht mehr. In den Gefechtspausen überraschte der seltsame Riese dann freilich mit unerwartet dezenten Tönen und schrieb - sozusagen - musikalische Liebeslieder, die er von den Fans insofern unterschreiben ließ, als dass er denen den Gesang überließ. Übrigens auch a-cappella und ohne Mikro. Das waren freilich eher seltene Ruhepausen im ansonsten vorherrschenden Dauerfeuer.

Das mag jetzt manchem vielleicht schon wieder zu viel des Guten gewesen sein (selbst als Zuschauer fühlte man sich nach der Show, als habe man zumindest an einem Marathon teilgenommen), aber Blaudzun & Co. haben diesen pompösen Schnickschnack ziemlich perfektioniert. Mit einer Betonung der perkussiven Elemente (überall standen Trommeln, Percussion- und Klöppelinstrumente herum, die rundum im Wechsel bedient wurden) und mit einem Sinn für minutiöse Details wurde so das Bestmögliche aus der großen Besetzung herausgekitzelt. Die vielseitige Instrumentierung (neben den besagten Instrumenten kamen noch Trompete, Geige, Akkordion, Mandoline, Keyboards, Synthesizer, Banjo und zuweilen eine vom Meister bediente Ukulele zum Einsatz) tat ein übriges, das Ganze nicht als sinnlosen Overkill, sondern als orchestrale Großinszenierung erscheinen zu lassen. Blaudzuns Mittel der Wahl ist dabei das Stakkato (bzw. Martellato, Pizzicato und alles, was sonst noch auf "ato" endet), mittels dessen er seine Tracks druckvoll durch die Gegend schleudert. Das Ganze hat zuweilen natürlich schon etwas pompös/operettenhaftes - es wirkt aber gar nicht aufgesetzt, denn: Die Musiker haben ihren Spaß an dem wuseligen Tun - singen z.B. alle Tracks lautstark mit (auch ohne Mikro) und tanzen wie die Derwische über die Bühne. Diese gelebte Begeisterung überträgt sich natürlich auch auf das Publikum. Wer da am Ende nicht begeistert mitgeht, der ist schlicht im falschen Konzert. (Etwa deswegen, weil Blaudzun auf der Tour als "Folk" angekündigt worden war?) Der Herr Sigmond ist dabei so etwas wie ein obercooler Kontrapunkt, den nichts und niemand aus der Ruhe bringen kann. Dabei kokettiert er dermaßen mit seinem Holländisch, dass er sich weigert, selbst die simpelsten deutschen Formulierungen zu verwenden (um nicht etwa als Rudi Carrell rüberzukommen, wie er sagt). Aber natürlich weiß der Mann, wo er sich befindet und fügt die Textzeile "You know what it's like to be gay like Köln" in seinen Song "Who Took The Wheel" ein. Das ist dann halt der spezielle Blaudzun-Humor, der sich ansonsten eher musikalisch Bahn bricht (etwa indem "Ocean-Floor" als stolpernder Zirkus-Walzer inszeniert wird).

Als er dann das Konzert mit der Zugabe "Hollow People / Kids Around" gekonnt dramatisch beendete, da waren tatsächlich dann alle Schiffchen versenkt. Letztlich schafft Blaudzun mit seinem Full-Frontal-Entertainment-Programm etwas sehr seltenes: Dass die meisten der Zuschauer beschwingt und erheitert nach Hause gehen. Da könnte was draus werden...

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Surfempfehlung:
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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