Sei es drum: Das Setting der aktuellen BRS-Tour war im Vergleich zu jener der letzten, eine Nummer kleiner angelegt. So gab es nur einen Riesen-Marshall-Verstärker und Ansell und Laura-Mary Carter standen sich auf der Bühne auch näher. Was noch wichtiger war: Anders als auf der letzten Tour konnte man die beiden Protagonisten dieses Mal sogar sehen, denn das blödsinnige Konzept, die Musiker (wenn überhaupt) nur von hinten anzuleuchten, war aufgegeben worden. Das alles sollte aber nicht bedeuten, dass die BRS etwa zu performerischen Sissies verkommen wären. Gleich mit dem ersten Track, dem treffend betitelten, instrumentalen Grunge-Opener "Welcome Home" des aktuellen, namenlosen Albums machte deutlich, dass das Duo im Folgenden keine Gefangenen machen würde. Ein Power-Pop-Punk-Grunge Hit folgte dem nächsten und alle Nummern, die in der Vergangenheit (zumindest auf Konserve) den Eindruck erweckt hatten, die Blood Red Shoes seien etwa versöhnlicher oder entspannter geworden, wurde - nun ja - weggelassen. Trotz elektronischem Drumpad übrigens, auf dem Ansell eigentlich nur irrelevantes Zeug abrief.
Den Dreh und Angelpunkt der Blood Red Shoes Live-Performance ist immer noch das Zusammenwirken aus Ansells manischer Frontal-Motorik und Laura-Marys obercooler Unerbittlichkeit. Da kommt auch viel aus dem Bauch: Aufgrund dessen, dass die beiden Protagonisten sich nicht mit anderen Musikern koordinieren müssen, entstehen da zuweilen ganz eigene Dimensionen - etwa wenn Laura-Mary ganz eigenwillige Tunings verwendet oder Ansell selbständige Rhythmus-Patterns entwirft, die nicht unbedingt zueinander passen, dann aber doch am Ende ein gewisses Eigenleben entwickeln. Von den ausgezeichneten neuen Tracks mal abgesehen, gab es im Detail dann doch Neuerungen. So war dies die erste BRS-Tour, bei der Laura-Mary subjektiv mehr zu singen schien als Ansell und auch die Harmonie-Parts mehr im Vordergrund standen. Sofern man dieses dann aus der allgegenwärtigen Volldröhnung herausdifferenzieren konnte.
Ein wagemutiger Herr im Publikum wollte die Stimmen hören und rief diese Forderung ins Rund. Das interpretierte Ansell aus Aufforderung, leiser zu spielen. "Ihr kennt doch das Sprichwort", drohte er im Folgenden, "wenn es zu laut ist, dann bist zu zu alt." Das war insofern lustig, als dass bei der diesjährigen Veranstaltung ausgesprochen viele junge Leute im Publikum waren - darunter eine erkleckliche Anzahl an Damen - weil ja im Allgemeinen eher Herren gesetzteren Alters zu Rockkonzerten dieser Art zu gehen pflegen. Das zeigt dann doch, dass die Blood Red Shoes halt cooler und hipper sind als viele Kollegen. "Ihr wisst schon, dass ihr heute nicht tanzen dürft", irrte Ansell in Bezug auf die Feiertagsregelung zum Karfreitag, der zu dieser Zeit noch zwei Stunden entfernt war und darauf anspielte, dass das Publikum bei jeder sich bietenden Gelegenheit (also praktisch bei jedem Song) ins Pogo-Hüpfen verfiel. "The next song is called 'tanzen verboten'", kündigte er dann "An Animal" an. Müßig zu erwähnen, dass es danach praktisch kein Halten mehr im Publikum gab. Das riss sogar Laura-Mary zu einem seltenen Lächeln hin. "Leute, ich weiß ja, dass das jeder sagt", wandte sie sich dann ans Publikum, "aber ich mag wirklich eure Stadt." Was kein Wunder ist, denn in Köln haben die Blood Red Shoes von Anfang an eine besonders treue Gefolgschaft.
Insgesamt schienen Ansell und Laura-Mary auch besser drauf zu sein, als bei ihrem letzten Besuch in Köln, der damals noch im Gloria stattfand. Letztlich führte das dazu, dass da so sehr viel positivere Vibes von der Bühne strömten als weiland und die Musiker - auch aufgrund des intimeren Venues - weniger distanziert wirkten. Kurzum: Das war dann das bisherige Highlight in der Serie der Köln-Konzerte des Duos. Als das Konzert mit dem Zugabenblock, dem interessant getimten "The Perfect Mess", "Heartsink" und dem nur schwer sterben wollenden "Colours Fade" zu Ende ging, war eine weitere Vollbedienung in Sachen Rockpower absolviert. "Boah, war das laut", meinte dann ein Herr im Publikum. Nun - der war bestimmt zu alt.