Speziell war zum Beispiel die Anfangszeit von 15 Uhr, aber auch erfreulicherweise die Auftrittslänge von gut drei Stunden netto, ohne die kleine, dem Socializing zuträglichen Pause gerechnet. Die Basis-Band bestand aus Dirk Bruinenberg (durchgehend großartig! drms; u.a. Elegy, Ian Parry's Consortium Project, Adagio), Rick Snel (perc; u.a. D'va Dyne), Mark Brekelmans (bss; Selfmachine), Marko Brands (key) und dem phantastischen Paul Coenradie (guit; u.a. Aniday). In dieser Formation plus Gästen wurde zunächst - als Erstaufführung - komplett das "Rust"-Album zelebriert, sodass sich beim Konzertbeginn zehn, später noch mehr Menschen auf der relativ kleinen und auch noch einen Sessel mit Leselampe aufweisenden Bühne drängten. Zelebrieren ist mit Bedacht gewählt, denn fast alle Stücke wurden mit Projektionen begleitet und für einige der "Rust"-Kompositionen hat sich Kristoffer richtige Intros mit von samtig-tiefer Stimme vorgetragenen Einführungen ausgedacht.
Die Stücke folgten mit leichten Abweichungen der Reihenfolge und Dramaturgie des Albums, sodass die Kontaktaufnahme mit dem Publikum passenderweise mit dem berückenden "Callout" begann. Zunächst scheint Komponist Kris allerdings noch recht nervös. Der Künstler, der im Studio am liebsten allein und im Dunkeln singt, versteckte sich quasi hinter geschlossenen Augen und ständig ins Gesicht hängendem Haar. Doch das nimmt der Intensität seines Vortrages und der Schönheit seines Gesangs nichts. Überdies wurde der Schwede von Stück zu Stück souveräner, bis er das Konzert schließlich genauso zu genießen schien, wie sein ohnehin hingerissenes Publikum.
Bei "Believe" begeistert zusätzlich das sanfte Slide-Spiel von Paul, das sich nicht hinter dem von Ry Cooder zu verstecken braucht. Überhaupt Paul - ein Gitarrist von Weltklasse und eine der sympathischsten Bühnenpersönlichkeiten, die man sich vorstellen kann. Das Tüpfelchen auf dem i ist seine Interaktion mit der großartigen Violinistin Anne Bakker (u.a. Blaze Bayley). Schade, dass der Mixer offensichtlich entweder extrem unerfahren oder unaufmerksam war. Der Grundsound der PA war bis auf ein Störbrummen zwar exzellent, aber regelmäßig wurden Gesangsmikrofon-Kanäle nicht oder erst nach mehrfacher Aufforderung aufgemacht. Schlimmer: Paul war eigentlich das ganze Konzert über so leise, dass man seinen unverstärkten Anschlag durchhören konnte und war bei seinem ersten Solo sogar ausschließlich über die Monitore zu vernehmen - eine wahre Schande.
Für den einzigen anderen richtigen Ausfall war aber nicht dieser Unglücksmensch, sondern ein defekter Tonabnehmer verantwortlich: Für das Intro von "Living Soul" wollte Kris sich mit live eingespielten Loops selbst begleiten und wob so einen immer dichter werdenden Klangteppich, bis ein lautes Krachen dem ein Ende setzte. Unverdrossen setzte der Profi ein weiteres Mal an - doch es knallte wieder an der gleichen Stelle... Leicht vorstellbar, wie manche Bühnendiva da reagiert hätte, doch Kristoffer lächelte nur sanft und bat um die Zuspielung des Intros für den nächsten Song...
"Follow Me Down" lebt live wie auf Platte auch von den phantastischen Hintergrundchören von Maria Catharina (Aniday, Robby Valentine), Laura Guldemond (Synergy Protocol) und Sascha Froma (Ian Parry, Beto Vazquez), die gelegentlich von Lilo Hegt nicht unwesentlich unterstützt wurden, etwa bei "Heroes". Echten Wohlklang steuerte auch Marks virtuoses Fretless-Spiel bei, ganz besonders bei "OverWinter".
Die häufig wechselnden Besetzungen sorgten für Kurzweil auf der Bühne und große Abwechslung beim Klang. Für "Längtan" kam zwar der Joik-Gesang vom Band, aber das Lagerfeuer schien wirklich im Jugendzentrum zu brennen... Zur gemütlichen Atmosphäre trug übrigens auch bei, dass regelmäßig Fingerfood (Schnittchen, Bitterballen etc.) kostenlos verteilt und durch das Auditorium getragen wurden, während am Bar-Tresen gleichfalls gratis Knabbereien und Melonenstücke lockten. Wie schon im Original erwies sich das Titelstück als Höhepunkt, nicht zuletzt wegen Pauls abschließendem Traumsolo in bester Snowy White-Manier. Oder anders ausgedrückt: Genau so unfassbar gut wie Guthrie Govans Solo auf "Drive Home" (Steven Wilson - The Raven That Refused To Sing).
Nach einer kurzen, geselligen Pause kam das zweite Set - mit Kris an seinem Hauptinstrument, dem Bass, mit Cover-Versionen, einer Band-Reunion und weiteren Gästen. Den Anfang machte eine druckvolle, fast aggressive Version von "Working Class Hero", gefolgt von Pink Floyds "Mother". Eine erfreuliche Überraschung, dass Kristoffer sich auch den Spaß an Songs seiner alten Band Pain Of Salvation offensichtlich bewahrt hat, belegt durch ein eindringliches "Oblivion Ocean" und eine knallige Fassung von "Ashes", bei der Maria die extrem hohen Lagen sang. Für Queens "Tie Your Mother Down" übernahm die Aniday-Frontfrau gleich souverän den Leadgesang (und wechselte kurzerhand das Mikrofon, als ihres wieder einmal stumm blieb...), überdies kam mit Robby Valentine ein weiterer bekannter Gitarrist auf die Bühne. Abbas "S.O.S." wurde noch von Pop-Stroh zu Hardrock-Gold gesponnen, bevor sich exklusiv für diesen Auftritt Dial wieder zusammen taten, indem Rommert van der Meer (guit) sowie Chris Jonker (key; Mangrove) dazu kamen. "Green Knees" überzeugte schon sehr - sicher eine der "Roads to Rust", wie Kristoffer überlegte - und "Beautiful" mit Lilo Hegts dramatisch-kraftvollem Gesang ließ gar keine Wünsche mehr offen.