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Konzert-Bericht
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Der letzte Troubadour
Grant-Lee Phillips
Someday Jacob
Köln, Stadtgarten 10.10.2015
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Anfang des Jahrtausends verkörperte Grant-Lee Phillips in der Fernsehserie "Gilmore Girls" den Stadt-Troubadour, der an der Ecke stehend für ein paar Cent seine Lieder zu Gehör brachte und gleichzeitig das Geschehen in der Stadt kommentierte. Letztlich spielte sich der frühere Frontmann der großartigen Grant Lee Buffalo dabei selbst, denn wenn der 52-jährige Kalifornier heute auf der Bühne steht, dann ist er der Inbegriff des altmodischen fahrenden Musikers, der in die Stadt kommt, um sein Publikum mit ulkigen Geschichten und trockenen Einzeilern zu unterhalten und mit seinen so ungemein lebendigen Songs im Dunstkreis von Folk, Country und Americana zu bewegen, und der auch sonst alles dafür tut, dass sein Publikum nach dem Auftritt vollkommen hingerissen wieder nach Hause geht.
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Den Anfang macht Jörn Schlüter, langjähriger "Rolling Stone"-Autor und Frontmann des deutschen Folkrock-Quartetts Someday Jacob, deren zweites, diesen Sommer auf Haldern Pop veröffentlichtes Album "It Might Take A While" an anderer Stelle bereits treffend als "Crosby, Stills, Nash & Schlüter" beschrieben worden ist. Heute allerdings sind Crosby, Stills und Nash daheim geblieben und Schlüter steht allein auf der Bühne, um zu beweisen, dass man auch in Bremen authentisch amerikanische Storytelling-Songs verfassen kann. Im Halbdunkel stehend, setzt er in Köln vor allem auf seine entspannt-nachdenklichen Songs mit melancholischer Note, schafft es aber trotzdem, das Publikum zu fesseln. "Das größte Kompliment, was man einem Songwriter machen kann, ist zuzuhören, und ihr seid Weltklasse darin", lobt er am Ende seines kurz(weilig)en, erfreulich kompakten Auftritts sein Kölner Auditorium, um ganz am Ende mit "Big On The Big Parade" zu zeigen, dass er auch Uptempo-Ohrwürmer draufhat.
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Auch Grant-Lee Phillips tritt allein und nur mit Akustikgitarre auf und braucht ungefähr 30 Sekunden, um das Publikum für sich zu gewinnen. Da stellt sich der Charmebolzen mit der tiefen, wunderbar rauen Stimme doch tatsächlich als "the alternative Beyoncé" vor, macht augenzwinkernd Scherze über seine Gaststadt ("Sagt ihr eigentlich Köln statt Cologne, weil das kürzer ist"?), schleimt sich mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht bei den Besuchern ein ("Wir waren die letzten drei Tage in Deutschland unterwegs, aber das Beste haben wir uns natürlich für den Schluss heute in Köln aufgehoben!") und sorgt damit direkt zu Beginn der Show für eine herrlich informelle, fröhliche Stimmung, die für den Rest des Abends den komplett bestuhlten, bis auf den letzten Platz besetzten Saal des Stadtgartens erfüllt.
Die nächste Dreiviertelstunde spielt Phillips Songs, die in ihrem Genre ihresgleichen suchen - Rückgriffe auf das Oeuvre von Grant Lee Buffalo gibt es ebenso wie lieb gewonnene Lieder aus seinem Backkatalog als Solist, und sogar die ein oder andere Nummer aus seinem für nächstes Frühjahr angekündigten neuen Album sind darunter, oder wie er selbst sagt: "Manche Songs kennt ihr, manche kenne nur ich!" Seine Lieder sind leise und laut, langsam und schnell, begeistern aber stets mit der ungemeinen Intensität, die er seit jeher in seine Songs legt, und der auch nach mehr als 25 Jahren ungebrochenen Leidenschaft, die in jedem Ton seiner Performance spürbar wird. Dazwischen gibt es poetische Lebensweisheiten wie "Sich zu verlaufen ist eine gute Art, seinen Weg zu finden" und
gut getimte Gags, etwa, wenn er über den etwas zu ausgiebig eingesetzten Bühnennebel sagt: "Alte Industriestadt, was? Ich dachte, das Ding mit den rauchenden Schornsteinen sei ein Ding der Vergangenheit".
Das hätte für einen wirklich schönen Abend eigentlich schon gereicht, doch dann unterstreicht der Amerikaner, dass er nicht nur ein famoser Songwriter, Performer und Entertainer ist, sondern einfach auch Klasse hat. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, bittet er seinen Supportact zurück auf die Bühne, um mit ihm zusammen Grant Lee Buffalo-Kracher wie "Honey Don't Think" oder "Fuzzy" ("Das kennt ihr, wenn ihr mich schon so lange hört wie ich mich selbst!") zu spielen, bevor er seinem deutschen Tourbegleiter sogar noch einmal das Mikro überlasst, und sich selbst beim Someday Jacob-Song "Between You And Me" mit der Gitarrenbegleitung und der zweiten Stimme begnügt. Danach versuchen sich die beiden auch noch an Bruce Springsteens "Atlantic City", denn wie Phillips erklärt: "Wenn ein Song mit der Zeile 'Well they blew up the chicken man' beginnt, dann will man einfach wissen, wie er weitergeht“.
War das alles? Nein, denn als Sahnehäubchen bestreitet Phillips die letzte Viertelstunde seines Auftritts mit spontanen Publikumswünschen wie "Mona Lisa" und "Mockingbird", bevor er - natürlich! - Sekunden nach Konzertende am Ausgang auftaucht, um in Seelenruhe Hände zu schütteln, CDs und Platten zu signieren, und seine glücklichen Fans dazu auffordert, auch noch Fotos mit ihm zu machen. Womöglich war das alles nur "business as usual" für Phillips, für die Zuschauer allerdings war es ein perfekter Konzertabend mit einem der Größten seiner Zunft, an den sie noch lange zurückdenken werden.
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Surfempfehlung:
www.grantleephillips.com
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Text: -Carsten Wohlfeld- Foto: -Carsten Wohlfeld-
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